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   BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15   

Zitiervorschläge
https://dejure.org/2020,40308
BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15 (https://dejure.org/2020,40308)
BVerfG, Entscheidung vom 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15 (https://dejure.org/2020,40308)
BVerfG, Entscheidung vom 10. November 2020 - 1 BvR 3214/15 (https://dejure.org/2020,40308)
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Volltextveröffentlichungen (10)

  • openjur.de

    Antiterrordateigesetz II

  • Bundesverfassungsgericht

    (Antiterrordateigesetz II)

    Erweiterte Datennutzung ("Data-mining") nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig

  • rechtsprechung-im-internet.de

    Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 73 Abs 1 Nr 1 GG, Art 73 Abs 1 Nr 5 GG, Art 73 Abs 1 Nr 10 GG
    Erweiterte Datennutzung ("Data-mining") nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig - Fehlen hinreichend qualifizierter Eingriffsschwellen in § 6a Abs 2 ATDG verstößt gegen Übermaßverbot - Rechtssatzverfassungsbeschwerde insoweit teilweise begründet

  • rewis.io

    Erweiterte Datennutzung ("Data-mining") nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig - Fehlen hinreichend qualifizierter Eingriffsschwellen in § 6a Abs 2 ATDG verstößt gegen Übermaßverbot - Rechtssatzverfassungsbeschwerde insoweit teilweise begründet

  • doev.de PDF

    Erweiterte Datennutzung ("Data-mining") nach dem Antiterrordateigesetz

  • debier datenbank

    Antiterrordateigesetz II

    Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG

  • degruyter.com(kostenpflichtig, erste Seite frei)

    Gesetzliche Vorgaben für Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten sind teilweise verfassungswidrig

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    Verfassungsbeschwerde gegen die erweiterte Datennutzung ("Data-mining") nach dem Antiterrordateigesetz; Erfordernis hinreichend qualifizierter Eingriffsschwellen in § 6a Abs. 2 ATDG; Verstoß gegen das Übermaßverbot; Verfassungsrechtliche Anforderungen der hypothetischen ...

  • datenbank.nwb.de

    Erweiterte Datennutzung ("Data-mining") nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig - Fehlen hinreichend qualifizierter Eingriffsschwellen in § 6a Abs 2 ATDG verstößt gegen Übermaßverbot - Rechtssatzverfassungsbeschwerde insoweit teilweise begründet

  • juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)

Kurzfassungen/Presse (7)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Erweiterte Datennutzung (Data-mining) nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig

  • beckmannundnorda.de (Kurzinformation)

    Erweiterte Datennutzung durch Data-Mining nach dem Antiterrordateigesetz verstößt gegen Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    Die gemeinsame Antiterror-Verbunddatei von Polizei und Nachrichtendiensten - und das Data-mining

  • lto.de (Kurzinformation)

    Erweiterte Datennutzung beanstandet: Data-Mining zur Terroristen-Verfolgung teilweise verfassungswidrig

  • dr-bahr.com (Kurzinformation)

    Erweiterte Datennutzung (Data-mining) nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig

  • tp-presseagentur.de (Kurzinformation)

    Erweiterte Datennutzung (Data-mining) nach dem Antiterrordateigesetz teilweise verfassungswidrig

  • kostenlose-urteile.de (Kurzmitteilung)

    Data-Mining gemäß Antiterrordateigesetz ist teilweise verfassungswidrig - Bundesverfassungsgericht erklärt gemäß § 6 a Antiterrordateigesetz vorgesehene staatliche erweiterte Datennutzung für verfassungswidrig

Besprechungen u.ä. (2)

  • verfassungsblog.de (Entscheidungsbesprechung)

    Eingriffsintensivierung durch Technik

  • jurafuchs.de (Fallmäßige Aufbereitung - für Studienzwecke)

    "Data-mining" zwischen Polizei und Nachrichtendienst

Sonstiges

Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • BVerfGE 156, 11
  • NJW 2021, 690
 
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Wird zitiert von ... (45)Neu Zitiert selbst (39)

  • BVerfG, 24.04.2013 - 1 BvR 1215/07

    "Antiterrordatei"

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    1. Durch das 2006 beschlossene Antiterrordateigesetz wurde die Rechtsgrundlage für die Antiterrordatei geschaffen, eine der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dienende Verbunddatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Damit einher gingen eine Reihe von Änderungen im Antiterrordateigesetz, nachdem auf eine Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit Urteil vom 24. April 2013 - 1 BvR 1215/07 - (BVerfGE 133, 277 ff.) mehrere Vorschriften der ursprünglichen Gesetzesfassung (im Folgenden: ATDG a.F.) für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hatte.

    Er beruft sich dabei im Wesentlichen auf die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts im ATDG-Urteil aus dem Jahre 2013 (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Eine Parallele zu der vom Bundesverfassungsgericht gebilligten "unerlässlichen" Eilfallregelung (BVerfGE 133, 277 ) bestehe damit gerade nicht.

    Das Gericht habe seine Ausführungen seinerzeit nur als "angesichts der großen Streubreite der von der Speicherung in der Antiterrordatei möglicherweise erfassten Personen noch ausreichend" bezeichnet (BVerfGE 133, 277 ).

    Darin habe es zu § 5 ATDG ausgeführt, dass die Zugriffsbefugnis auf die in der Antiterrordatei gespeicherten personenbezogenen Daten unter anderem deshalb verfassungsgemäß sei, da sie lediglich Einzelabfragen erlaube, nicht aber auch eine Rasterung, Sammelabfragen oder die übergreifende Ermittlung von Zusammenhängen zwischen Personen durch Verknüpfung von Datenfeldern (BVerfGE 133, 277 ).

    Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt auch vor der Verknüpfung von Datenbeständen (vgl. zum Gewährleistungsgehalt BVerfGE 133, 277 ), wie sie § 6a Abs. 1 bis 3 ATDG im Wege der erweiterten projektbezogenen Datennutzung vorsieht.

    Der Beschwerdeführer erlangt hier durch ein an das Bundeskriminalamt oder eine beteiligte Behörde zu richtendes Auskunftsverlangen nach § 10 Abs. 3 ATDG weder von den über ihn gespeicherten Daten selbst noch über deren erweiterte Nutzung verlässlich Kenntnis (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 150, 309 ).

    Insoweit sind Darlegungen, durch die sich Beschwerdeführende selbst einer Straftat bezichtigen müssten, zum Beleg der Selbstbetroffenheit ebenso wenig erforderlich wie der Vortrag, für sicherheitsgefährdende oder nachrichtendienstlich relevante Aktivitäten verantwortlich zu sein (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 133, 277 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 75 - Bestandsdatenauskunft II).

    Die Möglichkeit, eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen ein Gesetz zu erheben, das zu heimlichen Maßnahmen berechtigt, entfällt jedenfalls in der Regel nur dann, wenn die Betroffenen durch eine aktive Informationspflicht des Staates rechtlich gesichert von der Maßnahme später Kenntnis erlangen (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Prüfung am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes ist eröffnet, da § 6a ATDG kein zwingendes Unionsrecht in deutsches Recht umsetzt (vgl. bereits BVerfGE 133, 277 ).

    Das gilt unabhängig davon, ob und wieweit die angegriffenen Vorschriften nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zugleich als Durchführung des Unionsrechts im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh angesehen werden könnten (vgl. dazu aber BVerfGE 133, 277 ) und deshalb daneben auch die Unionsgrundrechte Geltung beanspruchen könnten (vgl. BVerfGE 152, 152 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 87, 261 - Bestandsdatenauskunft II).

    § 6a ATDG dient offensichtlich nicht der Umsetzung dieser Maßgaben, die weiterhin keine Vorgaben für die Einrichtung und Ausgestaltung einer Antiterrordatei und die Verarbeitung dieser Daten enthalten (vgl. bereits BVerfGE 133, 277 ).

    § 6a Abs. 1 bis 3 ATDG greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG ein, indem er den beteiligten Behörden eine erweiterte projektbezogene Nutzung der in der Datei nach § 3 ATDG gespeicherten Datenarten erlaubt (zum Eingriffscharakter der Weiterverwendung von Daten BVerfGE 133, 277 ; stRspr).

    Eine Rasterung, Sammelabfragen oder die übergreifende Ermittlung von Zusammenhängen zwischen Personen durch Verknüpfung von Datenfeldern sah das Antiterrordateigesetz bislang gerade nicht vor (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Hierunter fällt auch die durch das Antiterrordateigesetz vorgesehene Zusammenarbeit (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Der Begriff "Kriminalpolizei" in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a GG schließt nicht aus, dass der Bund eine Zusammenarbeit auch zur Verhinderung von Straftaten regeln kann, sondern dient lediglich der Beschränkung auf Regelungen, die sich auf bedeutsame Straftaten von Gewicht beziehen (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG erlaubt solche fachübergreifenden Regelungen (vgl. ausführlich BVerfGE 133, 277 m.w.N.).

    Soweit das Antiterrordateigesetz als weitere Behörden den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst, das Zollkriminalamt und die Bundespolizei einbezieht, ordnet Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 und 5 GG die Gesetzgebungskompetenz dem Bund zu (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Der Gesetzgeber gestaltet hierdurch den Bundesnachrichtendienst nicht in eine vorgelagerte Polizeibehörde um (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Die Vorschriften tragen auch die Eröffnung eines Zugriffs dieser Behörden auf die Daten der Antiterrordatei (vgl. BVerfGE 133, 277 ; hierzu auch BVerfGE 125, 260 ; 130, 151 ).

    b) Alle angegriffenen Befugnisse sind zudem am Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit zu messen, der der Vorhersehbarkeit von Eingriffen für die Bürgerinnen und Bürger, einer wirksamen Begrenzung der Befugnisse gegenüber der Verwaltung sowie der Ermöglichung einer effektiven Kontrolle durch die Gerichte dient (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 123 - Bestandsdatenauskunft II; vgl. auch EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C-362/14, EU:C:2015:650, Rn. 91; EGMR (GK), S. and Marper v. The United Kingdom, Urteil vom 4. Dezember 2008, Nr. 30562/04 u.a., § 99).

    a) Die Antiterrordatei ist auf ein legitimes Ziel gerichtet (BVerfGE 133, 277 ).

    Die Vorschrift zielt darauf ab, effektiv den Terrorismus zu bekämpfen (siehe dazu BTDrucks 18/1565, S. 19) und damit einhergehend den Bestand und die Sicherheit des Staates sowie Leib, Leben und Freiheit der Bevölkerung zu schützen (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 ).

    Die Bereitstellung wirksamer Aufklärungsmittel zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 274 ; 133, 277 ; 141, 220 m.w.N.).

    Dabei hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass dem Eingriffsgewicht der Datenerhebung auch bei der Nutzung der Daten zu neuen Zwecken oder durch andere Stellen Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 109, 279 ; 120, 351 ; 130, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 ).

    Verfassungsrechtliche Voraussetzungen für die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung von Daten dürfen nicht dadurch unterlaufen werden, dass Behörden, für die aufgrund ihrer Aufgabenstellung weniger strenge Anforderungen gelten, Daten im Wege der Übermittlung an Behörden weiterleiten, die ihrerseits strengeren Anforderungen unterliegen (BVerfGE 133, 277 ).

    Maßgeblich ist insoweit nach dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck neu erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 216).

    101 (b) Regelungen, die den Austausch von Daten zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermöglichen, unterliegen dabei besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17-, Rn. 218 f.; "informationelles Trennungsprinzip").

    Die Datenverarbeitung setzt grundsätzlich einen konkreten Anlass wie Anhaltspunkte für einen Tatverdacht oder eine Gefahr voraus (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Entsprechend dieser Aufgabe politischer Vorfeldaufklärung verfügen sie über weitreichende, nur an geringe Eingriffsschwellen geknüpfte Befugnisse zur Datensammlung (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 150 ff.).

    Die Weite der Datenerhebungsbefugnisse der Nachrichtendienste wird grundsätzlich dadurch kompensiert, dass ihnen über die Aufgabe der Vorfeldaufklärung hinaus keine operative Verantwortung zukommt (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Das entspricht dem Erfordernis eines herausragenden öffentlichen Interesses und hinreichend konkreter und qualifizierter Übermittlungsschwellen (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 218 f.).

    Die erweiterte Nutzung einer Verbunddatei gemeinsam durch Nachrichtendienste und Polizeibehörden nach § 6a Abs. 5 ATDG hat, insbesondere im Vergleich zur einfachen Nutzung nach § 5 ATDG (vgl. dazu BVerfGE 133, 277 ), gesteigerte Belastungswirkung.

    (aa) Das Eingriffsgewicht der Antiterrordatei war ursprünglich dadurch gemindert, dass sie als Verbunddatei in ihrem Kern auf die Informationsanbahnung beschränkt war und eine Nutzung der Daten zur operativen Aufgabenwahrnehmung nur in dringenden Ausnahmefällen vorsah (vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Solche Daten können regelmäßig nur unter strengen Maßgaben erhoben werden (vgl. BVerfGE 133, 277 m.w.N.).

    Der Informationsgehalt der erweiterten Grunddaten gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b ATDG reicht inhaltlich weit und kann höchstpersönliche sowie die Biographie der Betreffenden nachzeichnende Informationen enthalten (BVerfGE 133, 277 ).

    116 (a) Bei diesem Eingriffsgewicht muss die Erzeugung neuer Erkenntnisse und Zusammenhänge durch Verknüpfung von in einer Datei gespeicherten Daten aus verschiedenen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Quellen einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen (vgl. BVerfGE 133, 277 ) und ist daher nur zum Schutz von besonders gewichtigen Rechtsgütern wie Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes zulässig (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 221).

    117 (b) Der Eingriff durch erweiterte Nutzung muss an hinreichend konkretisierte Eingriffsschwellen für die erweiterte Nutzung zu Zwecken der Gefahrenabwehr, Strafverfolgung sowie der Aufgabenerfüllung von nicht operativ tätig werdenden Behörden wie den Nachrichtendiensten auf der Grundlage normenklarer Regelungen gebunden sein (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 197 - Bestandsdatenauskunft II).

    118 (aa) Für die erweiterte Nutzung der Antiterrordatei zum Zwecke der Gefahrenabwehr muss wegen der beschriebenen Belastungswirkung eine wenigstens hinreichend konkretisierte Gefahr in dem Sinne gegeben sein, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr vorliegen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 222; zu den weniger strengen Anforderungen für den einfachen Zugriff nach § 5 Abs. 1 ATDG vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Zum einen haben diese von vornherein die Aufgabe, besonders gewichtige Rechtsgüter zu schützen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; vgl. auch BVerfGE 133, 277 ).

    (5) Die in § 6a Abs. 7 und 8 ATDG normierten Anforderungen an individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle genügen den aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Bereich der informationellen Selbstbestimmung folgenden Maßgaben (vgl. BVerfGE 133, 277 m.w.N.).

    Dabei ergänzen sich administrative und gerichtsähnliche Rechtskontrolle (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 274).

    Hier erscheint eine vorherige Rechtskontrolle allerdings insbesondere in Eilfällen nicht unbedingt erforderlich (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 254 - Bestandsdatenauskunft II).

  • BVerfG, 27.05.2020 - 1 BvR 1873/13

    Regelungen zur Bestandsdatenauskunft verfassungswidrig

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Insoweit sind Darlegungen, durch die sich Beschwerdeführende selbst einer Straftat bezichtigen müssten, zum Beleg der Selbstbetroffenheit ebenso wenig erforderlich wie der Vortrag, für sicherheitsgefährdende oder nachrichtendienstlich relevante Aktivitäten verantwortlich zu sein (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 133, 277 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 75 - Bestandsdatenauskunft II).

    Das Bundesverfassungsgericht übt grundsätzlich keine Kontrolle über unionsrechtliches Fachrecht aus und überprüft dieses Recht nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange die Unionsgrundrechte einen wirksamen Schutz der Grundrechte generell bieten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt; maßgeblich ist insoweit eine auf das jeweilige Grundrecht des Grundgesetzes bezogene generelle Betrachtung (vgl. BVerfGE 73, 339 ; 102, 147 ; 125, 260 ; 152, 216 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 84 - Bestandsdatenauskunft II).

    Verfassungsbeschwerden, die sich gegen in diesem Sinne verbindliches Fachrecht der Europäischen Union richten, sind danach grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfGE 118, 79 ; 152, 216 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 84 - Bestandsdatenauskunft II).

    Das gilt unabhängig davon, ob und wieweit die angegriffenen Vorschriften nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zugleich als Durchführung des Unionsrechts im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRCh angesehen werden könnten (vgl. dazu aber BVerfGE 133, 277 ) und deshalb daneben auch die Unionsgrundrechte Geltung beanspruchen könnten (vgl. BVerfGE 152, 152 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 87, 261 - Bestandsdatenauskunft II).

    Die Gewährleistung greift insbesondere, wenn die Entfaltung der Persönlichkeit dadurch gefährdet wird, dass personenbezogene Informationen von staatlichen Behörden in einer Art und Weise genutzt und verknüpft werden, die Betroffene weder überschauen noch beherrschen können (vgl. BVerfGE 118, 168 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 92 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II).

    a) Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfen wie jede Grundrechtsbeschränkung einer gesetzlichen Ermächtigung, die einen legitimen Gemeinwohlzweck verfolgt und im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 100, 313 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 123 - Bestandsdatenauskunft II; stRspr).

    Dabei bedürfen sie einer gesetzlichen Grundlage, welche die Datenverwendung auf spezifische Zwecke hinreichend begrenzt (BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 123 - Bestandsdatenauskunft II).

    b) Alle angegriffenen Befugnisse sind zudem am Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit zu messen, der der Vorhersehbarkeit von Eingriffen für die Bürgerinnen und Bürger, einer wirksamen Begrenzung der Befugnisse gegenüber der Verwaltung sowie der Ermöglichung einer effektiven Kontrolle durch die Gerichte dient (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 123 - Bestandsdatenauskunft II; vgl. auch EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C-362/14, EU:C:2015:650, Rn. 91; EGMR (GK), S. and Marper v. The United Kingdom, Urteil vom 4. Dezember 2008, Nr. 30562/04 u.a., § 99).

    Im Einzelnen unterscheiden sich hierbei die Anforderungen allerdings maßgeblich nach dem Gewicht des Eingriffs und sind insoweit mit den jeweiligen materiellen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit eng verbunden (BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 133 - Bestandsdatenauskunft II; jeweils m.w.N.; stRspr).

    c) Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgen darüber hinaus im Bereich des Datenschutzes spezifische Anforderungen an Transparenz, Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 265; Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 203 - Bestandsdatenauskunft II; stRspr), welche sich im Einzelnen nach dem Eingriffsgewicht der Regelungen bemessen.

    Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits zu wahren; zu letzteren gehören die Eingriffsschwelle, die erforderliche Tatsachenbasis und das Gewicht der geschützten Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 115, 320 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 130 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II; stRspr).

    Das hierbei einzustellende Eingriffsgewicht wird vor allem durch Art, Umfang und denkbare Verwendung der Daten sowie die Gefahr ihres Missbrauchs bestimmt (vgl. BVerfGE 65, 1 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 129 - Bestandsdatenauskunft II).

    Dabei führt insbesondere die Heimlichkeit einer staatlichen Eingriffsmaßnahme ebenso zur Erhöhung ihrer Intensität (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 129 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II) wie die faktische Verwehrung vorherigen Rechtsschutzes und die Erschwerung nachträglichen Rechtsschutzes, wenn er überhaupt zu erlangen ist (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 118, 168 ; 120, 378 ).

    Der Gesetzgeber muss die Weiterverwendung an den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 141, 220 ; stRspr) und hinreichende Eingriffsschwellen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; stRspr) binden (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 130 - Bestandsdatenauskunft II).

    Anlass, Zweck und Umfang des jeweiligen Eingriffs sowie die entsprechenden Eingriffsschwellen sind dabei durch den Gesetzgeber bereichsspezifisch, präzise bestimmt und normenklar zu regeln (vgl. BVerfGE 125, 260 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 133 - Bestandsdatenauskunft II; jeweils m.w.N.).

    117 (b) Der Eingriff durch erweiterte Nutzung muss an hinreichend konkretisierte Eingriffsschwellen für die erweiterte Nutzung zu Zwecken der Gefahrenabwehr, Strafverfolgung sowie der Aufgabenerfüllung von nicht operativ tätig werdenden Behörden wie den Nachrichtendiensten auf der Grundlage normenklarer Regelungen gebunden sein (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 197 - Bestandsdatenauskunft II).

    Soweit wie bei terroristischen Straftaten besonders gewichtige Rechtsgüter wie Leib, Leben, Freiheit der Person, Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes betroffen sind, ist die konkretisierte Gefahr als Eingriffsschwelle allerdings auch ausreichend (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 147 f. - Bestandsdatenauskunft II; vgl. bereits BVerfGE 115, 320 zur Rasterfahndung).

    Bei nicht tief in die Privatsphäre eingreifenden und insgesamt weniger gewichtigen Eingriffen kann es jedoch genügen, dass eine Auskunft zur Aufklärung einer bestimmten, nachrichtendienstlich beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung im Einzelfall geboten ist, denn damit wird ein wenigstens der Art nach konkretisiertes und absehbares Geschehen vorausgesetzt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 151 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II).

    Den Anforderungen an das Vorliegen einer konkretisierten Gefahr genügt es nicht, wenn das Gesetz allein verlangt, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Straftat begangen werden soll, weil dies nicht ausschließt, dass sich die behördliche Prognose allein auf Erfahrungssätze stützt (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 225 f. - Bestandsdatenauskunft II).

    Letzteres muss bei durch den Grundsatz der Normenklarheit nicht ausgeschlossener verfassungskonformer Auslegung von § 6a Abs. 3 ATDG so verstanden werden, dass eine weitere Nutzung der Datei erst zulässig ist, wenn die Behörde bereits ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und absehbares Geschehen erkennt oder erkennt, dass das individualisierte Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in absehbarer Zeit terroristische Straftaten begeht (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 226 - Bestandsdatenauskunft II).

    Hier erscheint eine vorherige Rechtskontrolle allerdings insbesondere in Eilfällen nicht unbedingt erforderlich (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 254 - Bestandsdatenauskunft II).

  • BVerfG, 20.04.2016 - 1 BvR 966/09

    Bundeskriminalamtsgesetz - Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Das gelte unabhängig davon, ob der im Urteil von 2013 zugrunde gelegte Maßstab für die Zulässigkeit eines Datenaustauschs zwischen Polizei und Nachrichtendiensten oder die im Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamtsgesetz (BVerfGE 141, 220 ff.) fortentwickelten Grundsätze für maßgeblich erachtet würden.

    Sie müssen daher zur Erreichung des legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne sein (vgl. BVerfGE 141, 220 ; stRspr).

    b) Alle angegriffenen Befugnisse sind zudem am Grundsatz der Bestimmtheit und Normenklarheit zu messen, der der Vorhersehbarkeit von Eingriffen für die Bürgerinnen und Bürger, einer wirksamen Begrenzung der Befugnisse gegenüber der Verwaltung sowie der Ermöglichung einer effektiven Kontrolle durch die Gerichte dient (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 123 - Bestandsdatenauskunft II; vgl. auch EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015, Schrems, C-362/14, EU:C:2015:650, Rn. 91; EGMR (GK), S. and Marper v. The United Kingdom, Urteil vom 4. Dezember 2008, Nr. 30562/04 u.a., § 99).

    Im Einzelnen unterscheiden sich hierbei die Anforderungen allerdings maßgeblich nach dem Gewicht des Eingriffs und sind insoweit mit den jeweiligen materiellen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit eng verbunden (BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 133 - Bestandsdatenauskunft II; jeweils m.w.N.; stRspr).

    Die Vorschrift zielt darauf ab, effektiv den Terrorismus zu bekämpfen (siehe dazu BTDrucks 18/1565, S. 19) und damit einhergehend den Bestand und die Sicherheit des Staates sowie Leib, Leben und Freiheit der Bevölkerung zu schützen (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 ).

    Die Bereitstellung wirksamer Aufklärungsmittel zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 274 ; 133, 277 ; 141, 220 m.w.N.).

    Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits zu wahren; zu letzteren gehören die Eingriffsschwelle, die erforderliche Tatsachenbasis und das Gewicht der geschützten Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 115, 320 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 130 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II; stRspr).

    (1) Wird eine erweiterte Nutzung existierender Datenbestände durch eine Stelle zugelassen, die die Daten nicht selbst erhoben hat, so richtet sich die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nach den Kriterien der hypothetischen Datenneuerhebung (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Der Gesetzgeber muss die Weiterverwendung an den Schutz hinreichend gewichtiger Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 141, 220 ; stRspr) und hinreichende Eingriffsschwellen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; stRspr) binden (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 130 - Bestandsdatenauskunft II).

    Dabei hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass dem Eingriffsgewicht der Datenerhebung auch bei der Nutzung der Daten zu neuen Zwecken oder durch andere Stellen Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 109, 279 ; 120, 351 ; 130, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 ).

    Maßgeblich ist insoweit nach dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck neu erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 216).

    Das Erfordernis einer Gleichwertigkeit der neuen Nutzung bleibt hiervon jedoch unberührt (BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Soweit Informationen nicht durch Wohnraumüberwachung oder den Zugriff auf informationstechnische Systeme erlangt wurden, müssen die Voraussetzungen einer Zweckänderung mit denen einer Datenerhebung hinsichtlich des erforderlichen Konkretisierungsgrades der Gefahrenlage oder des Tatverdachts nicht in jedem Fall identisch sein (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    116 (a) Bei diesem Eingriffsgewicht muss die Erzeugung neuer Erkenntnisse und Zusammenhänge durch Verknüpfung von in einer Datei gespeicherten Daten aus verschiedenen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Quellen einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen (vgl. BVerfGE 133, 277 ) und ist daher nur zum Schutz von besonders gewichtigen Rechtsgütern wie Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes zulässig (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 221).

    118 (aa) Für die erweiterte Nutzung der Antiterrordatei zum Zwecke der Gefahrenabwehr muss wegen der beschriebenen Belastungswirkung eine wenigstens hinreichend konkretisierte Gefahr in dem Sinne gegeben sein, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr vorliegen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 222; zu den weniger strengen Anforderungen für den einfachen Zugriff nach § 5 Abs. 1 ATDG vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Soweit wie bei terroristischen Straftaten besonders gewichtige Rechtsgüter wie Leib, Leben, Freiheit der Person, Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes betroffen sind, ist die konkretisierte Gefahr als Eingriffsschwelle allerdings auch ausreichend (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 147 f. - Bestandsdatenauskunft II; vgl. bereits BVerfGE 115, 320 zur Rasterfahndung).

    Zum einen haben diese von vornherein die Aufgabe, besonders gewichtige Rechtsgüter zu schützen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; vgl. auch BVerfGE 133, 277 ).

    Maßgeblich ist hier indessen, dass bei deren ersten Erhebung durch die Polizeibehörden bereits die Eingriffsschwelle für die operativen Tätigkeiten der Polizei überschritten werden musste und diese nicht auch für die weitere Nutzung der erhobenen Daten gilt (vgl. insoweit BVerfGE 141, 220 ).

    Den Anforderungen an das Vorliegen einer konkretisierten Gefahr genügt es nicht, wenn das Gesetz allein verlangt, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine Straftat begangen werden soll, weil dies nicht ausschließt, dass sich die behördliche Prognose allein auf Erfahrungssätze stützt (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 225 f. - Bestandsdatenauskunft II).

    Letzteres muss bei durch den Grundsatz der Normenklarheit nicht ausgeschlossener verfassungskonformer Auslegung von § 6a Abs. 3 ATDG so verstanden werden, dass eine weitere Nutzung der Datei erst zulässig ist, wenn die Behörde bereits ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und absehbares Geschehen erkennt oder erkennt, dass das individualisierte Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie in absehbarer Zeit terroristische Straftaten begeht (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 226 - Bestandsdatenauskunft II).

  • BVerfG, 19.05.2020 - 1 BvR 2835/17

    Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BND-Gesetz verstößt in derzeitiger

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Dies schließt jedoch ein, dass dem Bundesnachrichtendienst als eigene Aufgabe die Früherkennung solcher aus dem Ausland drohender Gefahren anvertraut werden kann, die sich ihrer Art und ihrem Gewicht nach auf die Stellung Deutschlands in der Staatengemeinschaft auswirken können und gerade in diesem Sinne von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung sind, wie etwa Gefahren durch staatenübergreifende Netzwerke der organisierten Kriminalität oder den Terrorismus (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 128).

    So hat die Rechtsprechung etwa lange und intransparente Verweisungsketten als Verstoß gegen die Normenklarheit angesehen (vgl. BVerfGE 110, 33 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 215).

    c) Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgen darüber hinaus im Bereich des Datenschutzes spezifische Anforderungen an Transparenz, Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 265; Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 203 - Bestandsdatenauskunft II; stRspr), welche sich im Einzelnen nach dem Eingriffsgewicht der Regelungen bemessen.

    Maßgeblich ist insoweit nach dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck neu erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 216).

    101 (b) Regelungen, die den Austausch von Daten zwischen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ermöglichen, unterliegen dabei besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17-, Rn. 218 f.; "informationelles Trennungsprinzip").

    Entsprechend dieser Aufgabe politischer Vorfeldaufklärung verfügen sie über weitreichende, nur an geringe Eingriffsschwellen geknüpfte Befugnisse zur Datensammlung (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 150 ff.).

    So übernimmt der Bundesnachrichtendienst als eigene Aufgabe vermehrt auch die Früherkennung von aus dem Ausland drohenden Gefahren von internationaler Dimension (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 128) und die Weiterleitung von Informationen aus der Gefahrenfrüherkennung an Polizei- und Sicherheitsbehörden (vgl. §§ 24 f. BNDG; § 19 BVerfSchG; § 11 MADG).

    Das entspricht dem Erfordernis eines herausragenden öffentlichen Interesses und hinreichend konkreter und qualifizierter Übermittlungsschwellen (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 218 f.).

    116 (a) Bei diesem Eingriffsgewicht muss die Erzeugung neuer Erkenntnisse und Zusammenhänge durch Verknüpfung von in einer Datei gespeicherten Daten aus verschiedenen nachrichtendienstlichen und polizeilichen Quellen einem herausragenden öffentlichen Interesse dienen (vgl. BVerfGE 133, 277 ) und ist daher nur zum Schutz von besonders gewichtigen Rechtsgütern wie Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes zulässig (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 221).

    118 (aa) Für die erweiterte Nutzung der Antiterrordatei zum Zwecke der Gefahrenabwehr muss wegen der beschriebenen Belastungswirkung eine wenigstens hinreichend konkretisierte Gefahr in dem Sinne gegeben sein, dass zumindest tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr vorliegen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 222; zu den weniger strengen Anforderungen für den einfachen Zugriff nach § 5 Abs. 1 ATDG vgl. BVerfGE 133, 277 ).

    Auch für ihre Tätigkeiten sind insoweit tatsächliche Anhaltspunkte erforderlich (zu den Besonderheiten der nachrichtendienstlichen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung vgl. jedoch BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 155 ff.).

    Das bedeutet, dass insoweit konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorhanden sein müssen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 222 m.w.N.).

    Dabei ergänzen sich administrative und gerichtsähnliche Rechtskontrolle (vgl. BVerfGE 133, 277 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 274).

  • BVerfG, 04.04.2006 - 1 BvR 518/02

    Rasterfahndung II

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Die Nachteile, die Betroffenen auf Grund einer Maßnahme nach § 6a ATDG drohen, können daher erheblich sein und das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung bedeutend erhöhen (vgl. zur insoweit vergleichbaren Rasterfahndung auch BVerfGE 115, 320 ).

    Die Bereitstellung wirksamer Aufklärungsmittel zu ihrer Abwehr ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 274 ; 133, 277 ; 141, 220 m.w.N.).

    Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits zu wahren; zu letzteren gehören die Eingriffsschwelle, die erforderliche Tatsachenbasis und das Gewicht der geschützten Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 115, 320 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 130 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II; stRspr).

    Für das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung ist erheblich, ob die Betroffenen als Personen anonym bleiben, welche persönlichkeitsbezogenen Informationen erfasst werden und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aufgrund der Maßnahmen drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden (BVerfGE 115, 320 m.w.N.).

    Demgegenüber ermöglicht eine erweiterte projektbezogene Nutzung, wie sie nunmehr § 6a Abs. 5 ATDG beschreibt und die von allen an der Antiterrordatei beteiligten Behörden heimlich durchgeführt wird, nicht nur eine Informationsanbahnung nach Maßgabe des Fachrechts, sondern als Ergebnis einer automatisierten Verknüpfung und Analyse der von verschiedenen Behörden in die Antiterrordatei eingespeisten Daten auch die Erzeugung neuer Erkenntnisse und Zusammenhänge ("Data-mining"), die eine erhebliche Persönlichkeitsrelevanz aufweisen können (vgl. zur Rasterfahndung BVerfGE 115, 320 ).

    Aber auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Nachrichtendienste selbst im Wege der erweiterten Nutzung neue Erkenntnisse und Zusammenhänge von möglicherweise erheblicher Persönlichkeitsrelevanz erzeugen können (vgl. zur Rasterfahndung BVerfGE 115, 320 ).

    Soweit wie bei terroristischen Straftaten besonders gewichtige Rechtsgüter wie Leib, Leben, Freiheit der Person, Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes betroffen sind, ist die konkretisierte Gefahr als Eingriffsschwelle allerdings auch ausreichend (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 147 f. - Bestandsdatenauskunft II; vgl. bereits BVerfGE 115, 320 zur Rasterfahndung).

  • BVerfG, 02.03.2010 - 1 BvR 256/08

    Vorratsdatenspeicherung

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Das Bundesverfassungsgericht übt grundsätzlich keine Kontrolle über unionsrechtliches Fachrecht aus und überprüft dieses Recht nicht am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes, solange die Unionsgrundrechte einen wirksamen Schutz der Grundrechte generell bieten, der dem vom Grundgesetz jeweils als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im Wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt; maßgeblich ist insoweit eine auf das jeweilige Grundrecht des Grundgesetzes bezogene generelle Betrachtung (vgl. BVerfGE 73, 339 ; 102, 147 ; 125, 260 ; 152, 216 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 84 - Bestandsdatenauskunft II).

    Die Vorschriften tragen auch die Eröffnung eines Zugriffs dieser Behörden auf die Daten der Antiterrordatei (vgl. BVerfGE 133, 277 ; hierzu auch BVerfGE 125, 260 ; 130, 151 ).

    c) Aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgen darüber hinaus im Bereich des Datenschutzes spezifische Anforderungen an Transparenz, Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 265; Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 203 - Bestandsdatenauskunft II; stRspr), welche sich im Einzelnen nach dem Eingriffsgewicht der Regelungen bemessen.

    Anlass, Zweck und Umfang des jeweiligen Eingriffs sowie die entsprechenden Eingriffsschwellen sind dabei durch den Gesetzgeber bereichsspezifisch, präzise bestimmt und normenklar zu regeln (vgl. BVerfGE 125, 260 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 133 - Bestandsdatenauskunft II; jeweils m.w.N.).

    Maßgeblich ist insoweit nach dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck neu erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2835/17 -, Rn. 216).

    Dies könnte ein Gefühl des unkontrollierbaren Beobachtetwerdens hervorrufen und nachhaltige Einschüchterungseffekte auf die Freiheitswahrnehmung entfalten (vgl. BVerfGE 125, 260 ), weil, ohne dass die Einzelnen davon Kenntnis erlangen, in den Dateien gespeicherte Daten verschiedenen Ursprungs und Gewichts zu verschiedenen Zwecken kombiniert werden können.

  • BVerfG, 18.12.2018 - 1 BvR 2795/09

    Baden-württembergische und hessische Regelungen zur automatisierten

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Von einer unmittelbaren Betroffenheit durch ein vollziehungsbedürftiges Gesetz ist aber auch dann auszugehen, wenn Beschwerdeführende den Rechtsweg nicht beschreiten können, weil sie keine Kenntnis von der Maßnahme erlangen, oder wenn eine nachträgliche Bekanntgabe zwar vorgesehen ist, von ihr aber aufgrund weitreichender Ausnahmetatbestände auch langfristig abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 150, 309 ; stRspr).

    Der Beschwerdeführer erlangt hier durch ein an das Bundeskriminalamt oder eine beteiligte Behörde zu richtendes Auskunftsverlangen nach § 10 Abs. 3 ATDG weder von den über ihn gespeicherten Daten selbst noch über deren erweiterte Nutzung verlässlich Kenntnis (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 150, 309 ).

    Zu den zumutbaren Rechtsbehelfen kann die Erhebung einer Feststellungs- oder Unterlassungsklage gehören, die eine fachgerichtliche Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen- oder Rechtsfragen des einfachen Rechts ermöglicht (vgl. BVerfGE 150, 309 ; stRspr).

    Soweit die Beurteilung einer Norm allein spezifisch verfassungsrechtliche Fragen aufwirft, die das Bundesverfassungsgericht zu beantworten hat, ohne dass von einer vorausgegangenen fachgerichtlichen Prüfung verbesserte Entscheidungsgrundlagen zu erwarten wären, bedarf es einer vorangehenden fachgerichtlichen Entscheidung nicht (vgl. BVerfGE 123, 148 ; 143, 246 ; 150, 309 ; stRspr).

    Eine Pflicht zur Anrufung der Fachgerichte kann auch sonst unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 150, 309 ).

  • BVerfG, 14.07.1999 - 1 BvR 2226/94

    Telekommunikationsüberwachung I

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Regelungen dafür müssen in einen Regelungs- und Verwendungszusammenhang eingebettet sein, der auf die Auslandsaufklärung bezogen ist (vgl. BVerfGE 100, 313 ).

    a) Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfen wie jede Grundrechtsbeschränkung einer gesetzlichen Ermächtigung, die einen legitimen Gemeinwohlzweck verfolgt und im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 100, 313 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 123 - Bestandsdatenauskunft II; stRspr).

    Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne hat der Gesetzgeber die Ausgewogenheit zwischen der Art und Intensität der Grundrechtsbeeinträchtigung einerseits und den zum Eingriff berechtigenden Tatbestandselementen andererseits zu wahren; zu letzteren gehören die Eingriffsschwelle, die erforderliche Tatsachenbasis und das Gewicht der geschützten Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 115, 320 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 130 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II; stRspr).

    Dabei hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass dem Eingriffsgewicht der Datenerhebung auch bei der Nutzung der Daten zu neuen Zwecken oder durch andere Stellen Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 109, 279 ; 120, 351 ; 130, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 ).

  • BVerfG, 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05

    Zuordnung dynamischer IP-Adressen

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Insoweit sind Darlegungen, durch die sich Beschwerdeführende selbst einer Straftat bezichtigen müssten, zum Beleg der Selbstbetroffenheit ebenso wenig erforderlich wie der Vortrag, für sicherheitsgefährdende oder nachrichtendienstlich relevante Aktivitäten verantwortlich zu sein (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 133, 277 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 75 - Bestandsdatenauskunft II).

    Die Vorschriften tragen auch die Eröffnung eines Zugriffs dieser Behörden auf die Daten der Antiterrordatei (vgl. BVerfGE 133, 277 ; hierzu auch BVerfGE 125, 260 ; 130, 151 ).

    Insoweit ergibt sich aus dem Erfordernis der Erforderlichkeit der Aufklärung weiterer Zusammenhänge des Einzelfalls, dass eine Nutzung zur Aufklärung einer bestimmten, nachrichtendienstlich beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung geboten sein muss (vgl. dazu BVerfGE 130, 151 ).

    Aus dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit im Einzelfall könnte hier zwar möglicherweise gefolgert werden, dass zumindest ein Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO vorliegen muss (vgl. dazu BVerfGE 130, 151 ).

  • BVerfG, 15.12.1983 - 1 BvR 209/83

    Volkszählung

    Auszug aus BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15
    Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung trägt Gefährdungen und Verletzungen der Persönlichkeit Rechnung, die sich unter den Bedingungen moderner Datenverarbeitung aus informationsbezogenen Maßnahmen ergeben (vgl. BVerfGE 65, 1 ; stRspr).

    a) Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedürfen wie jede Grundrechtsbeschränkung einer gesetzlichen Ermächtigung, die einen legitimen Gemeinwohlzweck verfolgt und im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 100, 313 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 123 - Bestandsdatenauskunft II; stRspr).

    Verfassungsrechtlich geboten sind auch tragfähige Regelungen zur Nutzung der Daten sowie zur Datenlöschung (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 150, 244 ).

    Das hierbei einzustellende Eingriffsgewicht wird vor allem durch Art, Umfang und denkbare Verwendung der Daten sowie die Gefahr ihres Missbrauchs bestimmt (vgl. BVerfGE 65, 1 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 1 BvR 2618/13 -, Rn. 129 - Bestandsdatenauskunft II).

  • BVerfG, 07.03.2017 - 1 BvR 1314/12

    Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen landesrechtliche Einschränkungen für

  • BVerfG, 18.12.2018 - 1 BvR 142/15

    Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nach dem Bayerischen

  • BVerfG, 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05

    Automatisierte Kennzeichenerfassung

  • BVerfG, 13.06.2007 - 1 BvR 1550/03

    Abruf von Kontostammdaten

  • BVerfG, 13.03.2007 - 1 BvF 1/05

    Treibhausgas-Emissionsberechtigungen

  • BVerfG, 27.07.2005 - 1 BvR 668/04

    Vorbeugende Telekommunikationsüberwachung

  • BVerfG, 17.09.2013 - 2 BvR 2436/10

    Abgeordnetenbeobachtung durch den Verfassungsschutz unterliegt strengen

  • BVerfG, 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98

    Großer Lauschangriff: Erheblicher Teil der StPO-Regeln zur akustischen

  • BVerfG, 03.03.2004 - 1 BvF 3/92

    Zollkriminalamt

  • BVerfG, 27.02.2008 - 1 BvR 370/07

    Grundrecht auf Computerschutz

  • BVerfG, 06.11.2019 - 1 BvR 276/17

    Recht auf Vergessen II - BVerfG prüft innerstaatliche Anwendung unionsrechtlich

  • BVerfG, 19.12.1951 - 1 BvR 220/51

    Hinterbliebenenrente I

  • BVerfG, 06.12.2016 - 1 BvR 2821/11

    Die Dreizehnte Novelle des Atomgesetzes ist im Wesentlichen mit dem Grundgesetz

  • BVerfG, 16.01.1957 - 1 BvR 253/56

    Elfes

  • BVerfG, 06.06.1989 - 1 BvR 921/85

    Reiten im Walde

  • BVerfG, 11.10.2005 - 1 BvR 1232/00

    Zweitwohnungsteuer II

  • EuGH, 06.10.2020 - C-623/17

    Datenschutz: Vorratsdatenspeicherung nicht zulässig, aber ...

  • BVerfG, 07.12.2011 - 2 BvR 2500/09

    Verwertungsverbot Wohnraumüberwachung

  • BVerfG, 22.10.1986 - 2 BvR 197/83

    Solange II

  • BVerfG, 10.03.2008 - 1 BvR 2388/03

    Grenzen des Anspruchs auf Auskunft über eine behördliche Datensammlung

  • BVerfG, 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79

    Zweitwohnungsteuer

  • BVerfG, 07.06.2000 - 2 BvL 1/97

    Bananenmarktordnung

  • BVerfG, 11.03.2020 - 2 BvL 5/17

    Blankettstrafvorschrift im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch

  • BVerfG, 29.06.1983 - 2 BvR 1546/79

    Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei Anfechtung der Regelung zur

  • EuGH, 06.10.2020 - C-511/18

    Rechtsangleichung

  • EuGH, 06.10.2015 - C-362/14

    Datenschutz: Safe-Harbor-Abkommen zwischen USA und EU ist ungültig

  • EGMR, 04.12.2008 - 30562/04

    S. und Marper ./. Vereinigtes Königreich

  • BVerfG, 12.05.2009 - 2 BvR 890/06

    Regelung zur staatlichen finanziellen Förderung jüdischer Gemeinden in

  • BVerfG, 06.11.2019 - 1 BvR 16/13

    Recht auf Vergessen I - Auch bei gleichzeitiger Geltung der Unionsgrundrechte

  • BVerfG, 26.04.2022 - 1 BvR 1619/17

    Bayerisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig

    Ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit dieser Rechtsakte der Europäischen Union auf die Befugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 3 EUV) ist die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Prüfung der Vereinbarkeit dieser Normen mit den Grundrechten des Grundgesetzes eröffnet und sind die Verfassungsbeschwerden zulässig, da es sich jedenfalls nicht um die Umsetzung zwingenden Unionsrechts handelt (vgl. BVerfGE 155, 119 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II; 156, 11 - Antiterrordateigesetz II; s. auch BVerfGE 152, 152 - Recht auf Vergessen I; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 27. April 2021 - 2 BvR 206/14 -, Rn. 45 - Ökotox).

    Die Anforderungen müssen jedoch unter Berücksichtigung der besonderen Aufgaben und des speziellen Eingriffsgewichts von Maßnahmen einer Verfassungsschutzbehörde weiter konkretisiert und hierfür teilweise modifiziert werden (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 120, 274 ; 125, 260 ; 130, 151 ; 156, 11 ).

    Die Aufgabe der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden, Straftaten zu verhüten, zu verhindern und zu verfolgen sowie sonstige Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren, ist geprägt von einer operativen Verantwortung und der Befugnis, gegenüber Einzelnen Maßnahmen erforderlichenfalls auch mit Zwang durchzusetzen (vgl. BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Weil die Aufgabenwahrnehmung von Polizeibehörden von einer operativen Verantwortung und der Befugnis geprägt ist, Maßnahmen gegenüber Einzelnen erforderlichenfalls auch mit Zwang durchzusetzen, sind die Befugnisse hierzu eng und präzise zu fassen (vgl. BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Demgegenüber ist das Eingriffsgewicht der Überwachungsmaßnahmen einer Verfassungsschutzbehörde grundsätzlich verringert, weil ihr eigene operative Anschlussbefugnisse fehlen, was es verfassungsrechtlich rechtfertigen kann, deren Überwachungsbefugnisse an modifizierte Eingriffsschwellen zu knüpfen (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 133, 277 ; 154, 152 ; 156, 11 ; vgl. auch Löffelmann, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 3, Rn. 4 ; Bäcker, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. 2018, Abschnitt B, Rn. 249; Gärditz, EuGRZ 2018, 6 ; Lindner/Unterreitmeier, in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 17. Edition, Stand: 1. September 2021, BayVSG, Syst.

    Die weitreichenden Überwachungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden können verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt werden, wenn die aus der Überwachung gewonnenen Informationen nicht ohne Weiteres an andere Behörden mit operativen Anschlussbefugnissen übermittelt werden dürfen ("informationelles Trennungsprinzip"; vgl. BVerfGE 133, 277 ; 156, 11 ).

    Danach unterliegt eine weitere Verwendung der von Nachrichtendiensten gesammelten Daten durch Gefahrenabwehrbehörden Anforderungen an das damit zu schützende Rechtsgut und an die sogenannte Übermittlungsschwelle (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ), die mit den Anforderungen vergleichbar sind, die an eine erneute Erhebung der übermittelten Daten durch die empfangende Behörde zu stellen wären (näher unten Rn. 231).

    Soll die Maßnahme verhältnismäßig im engeren Sinne sein, muss dann aber ein hinreichender verfassungsschutzspezifischer Aufklärungsbedarf bestehen (aa); die Überwachungsmaßnahme muss zur Aufklärung einer bestimmten, nachrichtendienstlich beobachtungsbedürftigen Aktion oder Gruppierung im Einzelfall geboten sein und auf hinreichenden tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 155, 119 ; 156, 11 ).

    (b) Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen vorliegen, die Schutzgüter des Verfassungsschutzes zu bekämpfen (vgl. BVerfGE 120, 274 ; s. auch BVerfGE 156, 11 ; zur Aufnahme einer Gruppierung in einen Verfassungsschutzbericht BVerfGE 113, 63 ).

    An die Bestimmtheit und Normenklarheit (zu diesen BVerfGE 156, 11 ) von Ermächtigungen zur heimlichen Erhebung und Verarbeitung von Daten sind grundsätzlich besonders strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 141, 220 ; 150, 244 ).

    Zur Sicherung der gebotenen Rechtsbindung müssen die jeweiligen Normen daher so bestimmt gefasst sein, dass sie aus sich heraus der Verwaltung steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe bieten (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

    (2) Die Überwachungsmaßnahme muss außerdem im Einzelfall zur Aufklärung der Bestrebung geboten sein (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 155, 119 ; 156, 11 ).

    Danach kommt es darauf an, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln neu erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 m.w.N.; 156, 11 ; stRspr).

    Die neue Nutzung der Daten muss also zum einen dem Schutz von Rechtsgütern oder der Aufdeckung von Straftaten solchen Gewichts dienen, dass dies eine Neuerhebung durch die empfangende Stelle mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln wie die vorangegangene nachrichtendienstliche Überwachung rechtfertigen könnte (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Zum anderen setzt die Übermittlung grundsätzlich einen Anlass voraus, der eine ebenso eingriffsintensive Ersterhebung durch die empfangende Stelle verfassungsrechtlich rechtfertigen würde (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Dabei gilt der Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung nicht schematisch abschließend und schließt die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte nicht aus (vgl. BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    (2) Das Kriterium der hypothetischen Neuerhebung gilt grundsätzlich auch für die Übermittlung von Daten durch nachrichtendienstliche Behörden, also auch durch eine Verfassungsschutzbehörde (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ; s. aber Lindner/Unterreitmeier, in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, 17. Edition, Stand: 1. September 2021, BayVSG, Syst.

    Die besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Vorschriften, welche die Weitergabe nachrichtendienstlich erlangter Informationen regeln, erübrigen sich entgegen der Einschätzung der Bayerischen Staatsregierung nicht dadurch, dass Verfassungsschutzbehörden zunehmend in die Gefahrfrüherkennung eingebunden werden (vgl. BVerfGE 156, 11 ) und sie Daten gerade zu dem Zweck erheben, diese später an eine andere Stelle übermitteln zu können.

    An der Übermittlung muss mithin ein herausragendes öffentliches Interesse bestehen (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Eine Differenzierung nach dem Eingriffsgewicht der jeweiligen Einzelmaßnahme kommt insoweit nach dem Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung wegen der Besonderheiten nachrichtendienstlicher Aufgabenwahrnehmung nicht in Betracht (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Dass die Zielbehörde bestimmte Datenerhebungen, zu denen die Ausgangsbehörde berechtigt ist, ihrerseits wegen ihres Aufgabenspektrums nicht vornehmen darf, steht einem Datenaustausch nicht prinzipiell entgegen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    (bb) Besonders gewichtige Rechtsgüter sind Leib, Leben und Freiheit der Person sowie der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

    Die Weitergabe von Daten, die nachrichtendienstliche Behörden unter modifizierten Anforderungen erhoben haben, an Gefahrenabwehrbehörden darf aber nicht dazu führen, dass die für Gefahrenabwehrbehörden geltenden Anforderungen unterlaufen werden können (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ).

    Deshalb gilt für die Übermittlung nachrichtendienstlich erhobener Daten an eine Gefahrenabwehrbehörde die allgemeine Eingriffsschwelle für heimliche Überwachungsmaßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ).

    (b) Als Schwelle für die Übermittlung nachrichtendienstlich ersterhobener Daten zur Strafverfolgung muss der Gesetzgeber verlangen, dass bestimmte, den Verdacht begründende Tatsachen vorliegen, was bedeutet, dass insoweit konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorhanden sein müssen (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ; s. bereits BVerfGE 100, 313 ).

    (3) Bei der Übermittlung der von Nachrichtendiensten erhobenen Daten an sonstige Stellen findet das Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung ebenfalls Anwendung (vgl. BVerfGE 156, 11 ), da es eine Ausprägung des allgemeineren datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatzes ist (vgl. Löffelmann, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 4, Rn. 78 ; ders., GSZ 2019, 16 ; s. auch Siems, in: Dietrich/Eiffler, Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 7, Rn. 41 ).

    Die gesetzliche Ermächtigung zu einer heimlichen Überwachungsmaßnahme muss hinreichend normenklar und bestimmt sein (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 120, 378 ; 141, 220 ; 150, 244 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Bei der Normenklarheit steht die inhaltliche Verständlichkeit der Regelung im Vordergrund, insbesondere damit Bürgerinnen und Bürger sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

  • BVerfG, 28.09.2022 - 1 BvR 2354/13

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Übermittlung mit

    Ungeachtet der Frage der Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften der Europäischen Union auf die Übermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden (vgl. Art. 4 Abs. 2 Satz 3 EUV) ist die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Prüfung der Vereinbarkeit dieser Normen mit den Grundrechten des Grundgesetzes eröffnet und ist die Verfassungsbeschwerde zulässig, da es sich jedenfalls nicht um die Umsetzung zwingenden Unionsrechts handelt (vgl. dazu BVerfGE 155, 119 m.w.N. - Bestandsdatenauskunft II; 156, 11 - Antiterrordateigesetz II; s. auch BVerfGE 152, 152 - Recht auf Vergessen I; 158, 1 - Ökotox; 158, 170 - IT-Sicherheitslücken; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 142 f. - Bayerisches Verfassungsschutzgesetz).

    Diese Zusammenarbeit umfasst insbesondere die laufende gegenseitige Unterrichtung und Auskunftserteilung (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 156, 11 ).

    Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 GG erlaubt derartige fachübergreifende Regelungen (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 156, 11 ).

    Denn der Begriff "Kriminalpolizei" in Art. 73 Abs. 1 Nr. 10 Buchstabe a GG schließt nicht aus, dass der Bund eine Zusammenarbeit auch zur Verhinderung von Straftaten regeln kann, sondern dient lediglich der Beschränkung auf Regelungen, die sich auf bedeutsame Straftaten von Gewicht beziehen (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 156, 11 ).

    Ausgeschlossen sind von vornherein die allgemeine Gefahrenabwehr oder die Bekämpfung von Kleinkriminalität, erst recht die Bekämpfung von Ordnungswidrigkeiten (BVerfGE 156, 11 ).

    a) Als neuerliche Grundrechtseingriffe bedürfen Übermittlungen personenbezogener Daten einer eigenen hinreichend bestimmten und normenklaren Rechtsgrundlage (vgl. BVerfGE 113, 348 ; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 199, 272; stRspr).

    Verbleibende Unsicherheiten dürfen nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit und Justiziabilität des Handelns der durch die Norm ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind (vgl. BVerfGE 134, 141 ; 156, 11 m.w.N.).

    So mag eine Regelung durch Auslegung bestimmbar oder der verfassungskonformen Auslegung zugänglich und damit im Verfassungssinne bestimmt sein, jedoch geht damit nicht zwingend auch ihre Normenklarheit für die Adressaten einher (vgl. BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Unbestimmte Rechtsbegriffe oder Auslegungsfragen können daher im dortigen Kontext - mit entsprechender Wirkung auch für die hieran anknüpfende heimliche Datenübermittlung - im Wechselspiel von Anwendungspraxis und gerichtlicher Kontrolle konkretisiert werden (vgl. zu diesem Aspekt BVerfGE 156, 11 ).

    Die weitreichenden Überwachungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden können verfassungsrechtlich aber nur gerechtfertigt werden, wenn die aus der Überwachung gewonnenen Informationen nicht ohne Weiteres an andere Behörden mit operativen Anschlussbefugnissen übermittelt werden dürfen ("informationelles Trennungsprinzip"; vgl. BVerfGE 133, 277 ; 156, 11 ).

    Danach kommt es darauf an, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln neu erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 m.w.N.; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 231; stRspr).

    Die neue Nutzung der Daten muss also zum einen dem Schutz von Rechtsgütern oder der Aufdeckung von Straftaten solchen Gewichts dienen, dass dies eine Neuerhebung durch die empfangende Stelle mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln wie die vorangegangene nachrichtendienstliche Überwachung rechtfertigen könnte (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Zum anderen setzt die Übermittlung grundsätzlich einen Anlass voraus, der eine ebenso eingriffsintensive Ersterhebung durch die empfangende Stelle verfassungsrechtlich rechtfertigen würde (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Dabei gilt der Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung nicht schematisch abschließend und schließt die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte nicht aus (vgl. BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Das Kriterium der hypothetischen Neuerhebung gilt grundsätzlich auch für die Übermittlung von Daten durch nachrichtendienstliche Behörden, also auch durch eine Verfassungsschutzbehörde (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 232).

    An der Übermittlung muss mithin ein herausragendes öffentliches Interesse bestehen (BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 236; siehe auch BVerfGE 133, 277 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Eine Differenzierung nach dem Eingriffsgewicht der jeweiligen Einzelmaßnahme kommt insoweit nach dem Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung wegen der Besonderheiten nachrichtendienstlicher Aufgabenwahrnehmung nicht in Betracht (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Dass die Zielbehörde bestimmte Datenerhebungen, zu denen die Ausgangsbehörde berechtigt ist, ihrerseits wegen ihres Aufgabenspektrums nicht vornehmen darf, steht einem Datenaustausch nicht prinzipiell entgegen (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 ; 156, 11 ).

    Besonders gewichtige Rechtsgüter sind Leib, Leben und Freiheit der Person sowie der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

    Als Schwelle für die Übermittlung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ersterhobener Daten zur Strafverfolgung muss der Gesetzgeber verlangen, dass bestimmte, den Verdacht begründende Tatsachen vorliegen, was bedeutet, dass insoweit konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für den Verdacht vorhanden sein müssen (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ; siehe bereits BVerfGE 100, 313 ).

    Sie zielen darauf ab, Staatsschutzdelikte effektiv zu bekämpfen und damit einhergehend den Bestand und die Sicherheit des Staates sowie Leib, Leben und Freiheit der Bevölkerung zu schützen (vgl. zur Terrorismusbekämpfung BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 ; 156, 11 ).

    Die Bereitstellung wirksamer Aufklärungsmittel - auch in Form eines effektiven Informationsaustausches - zu ihrer Abwehr und Verfolgung ist ein legitimes Ziel und für die demokratische und freiheitliche Ordnung von großem Gewicht (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 m.w.N.; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 239).

    Hierzu gehört, dass Verfassungsschutzbehörden, denen das Grundgesetz die Sammlung von Unterlagen zum Zwecke des Verfassungsschutzes auch mit verdeckt genutzten nachrichtendienstlichen Mitteln gestattet (BVerfGE 146, 1 ; 156, 11 ; 156, 270 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 150), diese im Einzelfall weitergeben (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 232, 239 m.w.N.).

  • BVerfG, 19.11.2021 - 1 BvR 781/21

    Verfassungsbeschwerden betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Vierten

    Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

    Unabhängig von der gewählten Gesetzgebungstechnik ist stets maßgeblich, ob die Rechtslage von den Normadressaten erkannt werden kann (vgl. zu Verweisungsketten BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

  • BVerfG, 27.04.2022 - 1 BvR 2649/21

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Pflicht zum Nachweis einer Impfung

    aa) Die Grundsätze der Bestimmtheit und Normenklarheit dienen der Vorhersehbarkeit von Eingriffen für die Bürgerinnen und Bürger, einer wirksamen Begrenzung der Befugnisse gegenüber der Verwaltung sowie der Ermöglichung einer effektiven Kontrolle durch die Gerichte (vgl. BVerfGE 156, 11 ) und stellen - auch als Ausprägung des Wesentlichkeitsgrundsatzes - zugleich sicher, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz steuernde und begrenzende Maßstäbe vorfinden (vgl. BVerfGE 145, 20 ; 150, 1 ; 156, 11 ).

    Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

  • BVerfG, 19.11.2021 - 1 BvR 971/21

    Schulschließungen waren nach der im April 2021 bestehenden Erkenntnis- und

    Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen (vgl. BVerfGE 156, 11 ).
  • BVerfG, 23.03.2022 - 1 BvR 1187/17

    Pflicht zur Beteiligung von Anwohnern und standortnahen Gemeinden an Windparks im

    Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Prüfung der angegriffenen Regelungen des Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetzes am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes ist eröffnet, da diese Regelungen nicht zwingendes Unionsrecht umsetzen (vgl. BVerfGE 155, 119 ; 156, 11 ).
  • BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19

    Regelungen in Hessen und Hamburg zur automatisierten Datenanalyse für die

    Verwandte Ermächtigungen für die Sicherheitsbehörden, die thematisch enger gefasst sind, bestehen auf Bundesebene, werden aber bislang nicht genutzt (§ 7 des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus und § 6a des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern, Antiterrordateigesetz - ATDG; dazu BVerfGE 156, 11 - Antiterrordateigesetz II).

    Indessen liegt ein Grundrechtseingriff hier nicht nur in der weiteren, zusammenführenden Verwendung vormals getrennter Daten, sondern darüber hinaus in der Erlangung besonders grundrechtsrelevanten neuen Wissens, das durch die automatisierte Datenanalyse oder -auswertung geschaffen werden kann (vgl. BVerfGE 156, 11 ; näher unten Rn. 67 ff.).

    a) Eine weitere Bearbeitung von einmal erhobenen und gespeicherten Daten durch eine automatisierte Datenanalyse oder -auswertungkann spezifische Belastungseffekte haben, die über das Eingriffsgewicht der ursprünglichen Erhebung hinausgehen (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

    Die Verknüpfung von Daten ermöglicht etwa mehrstufige Analysen, die neue Verdachtsmomente erst erzeugen, sowie weitere Analyseschritte oder auch daran anschließende operative Maßnahmen (BVerfGE 156, 11 ).

    Die automatisierte Anwendung kann die Arbeitsweise und Erkenntnismöglichkeiten der Polizei somit entscheidend verändern und kann so auch das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung bedeutend erhöhen (vgl. auch BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Dabei führt insbesondere die Heimlichkeit einer staatlichen Eingriffsmaßnahme ebenso zur Erhöhung ihrer Intensität wie die faktische Verwehrung vorherigen Rechtsschutzes und die Erschwerung nachträglichen Rechtsschutzes, wenn er überhaupt zu erlangen ist (BVerfGE 156, 11 m.w.N.; stRspr).

    Wenn die Polizei aus den zur Verfügung stehenden Daten mit praktisch allen informationstechnisch möglichen Methoden weitreichende Erkenntnisse abschöpfen, daraus neue Zusammenhänge erschließen, aus mehrstufigen Analysen neue Verdachtsmomente erzeugen und hieran weitere Analyseschritte oder operative Maßnahmen anschließen kann, können die Nachteile auf Grund einer automatisierten Datenanalyse oder -auswertung für die Betroffenen erheblich sein und das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung bedeutend erhöhen (vgl. BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern zählen vor allem Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 <270 f. Rn. 108, 328 ff. Rn. 288, 292>; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 243).

    Der Gesetzgeber muss die von ihm selbst zu normierenden Maßgaben auch hinreichend bestimmt und normenklar regeln (vgl. dazu BVerfGE 156, 11 ).

    Auch die Weiterverwendung von Daten, die seitens nachrichtendienstlicher Behörden erhoben und zur Abwehr einer wenigstens konkretisierten Gefahr (vgl. BVerfGE 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 245; Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 132 ff. - Bundesverfassungsschutzgesetz - Übermittlungsbefugnisse) übermittelt wurden, schließen die Regelungen nicht ausdrücklich aus.

    § 25a HSOG und § 49 HmbPolDVG ermöglichen demgegenüber ein "Data-Mining" (vgl. BVerfGE 156, 11 ) bis hin zur Verwendung selbstlernender Systeme (KI).

    In § 49 Abs. 2 HmbPolDVG wird zudem weiterhin auf Verarbeitungsziele abgestellt, für deren Erreichung Prozesse des "Data-Mining" eingesetzt werden müssten (vgl. dazu auch BVerfGE 156, 11 ).

    Bei nachrichtendienstlichen Eingriffen, die immer dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter dienen müssen, kann das Einzelfallerfordernis, wenn die Maßnahme für sich genommen nicht tief in die Privatsphäre eingreift, die eigentliche Eingriffsschwelle der Aufklärungsbedürftigkeit einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Bestrebung verfassungsrechtlich ausreichend qualifizieren (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 155, 119 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 206).

    Die erweiterte Nutzung setzt demnach eine solchermaßen konkretisierte Gefahr voraus, zu deren weiterer Aufklärung sie, was hinreichend klar erkennbar ist, dienen muss (BVerfGE 156, 11 ).

    Unter Zugrundelegung des in der hessischen Praxis gewählten Konzepts wird angeordnet, dass von der Befugnis des § 25a Abs. 1 Alt. 1 HSOG nur Gebrauch gemacht werden darf, wenn bestimmte, genügend konkretisierte Tatsachen den Verdacht begründen (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ), dass eine besonders schwere Straftat im Sinne von § 100b Abs. 2StPO begangen wurde und aufgrund der konkreten Umstände eines solchen im Einzelfall bestehenden Tatverdachts für die Zukunft mit weiteren, gleichgelagerten Straftaten zu rechnen ist, die Leib, Leben oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden, wenn das Vorliegen dieser Voraussetzungen und die konkrete Eignung der verwendeten Daten nach § 25a Abs. 1 Alt. 1 HSOG zur Verhütung der zu erwartenden Straftat durch eigenständig auszuformulierende Erläuterung begründet wird und wenn sichergestellt ist, dass keine Informationen in die Datenanalyse einbezogen werden, die aus Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, Verkehrsdatenabfrage, länger andauernder Observation, unter Einsatz von verdeckt ermittelnden Personen oder Vertrauenspersonen oder aus vergleichbar schwerwiegenden Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung gewonnen wurden.

  • BVerfG, 21.07.2022 - 1 BvR 469/20

    Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen die Pflicht zum Nachweis einer Impfung

    Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, in einer Abwägung Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits der Bedeutung der Regelung für die Erreichung legitimer Ziele andererseits gegenüberzustellen (vgl. BVerfGE 156, 11 ).
  • BSG, 20.01.2021 - B 1 KR 7/20 R

    Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur mit elektronischer

    Eingriffe in dieses Grundrecht bedürfen wie jede Grundrechtsbeschränkung einer gesetzlichen Ermächtigung, die einen legitimen Gemeinwohlzweck verfolgt und im Übrigen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (vgl BVerfG vom 15.12.1983, aaO, S 44; BVerfG vom 27.5.2020, aaO, RdNr 123; BVerfG vom 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15 - juris RdNr 84, stRspr) .

    Alle angegriffenen Befugnisse sind zudem am Grundsatz der Normenklarheit und Bestimmtheit zu messen, der der Vorhersehbarkeit von Eingriffen für die Bürgerinnen und Bürger, einer wirksamen Begrenzung der Befugnisse gegenüber der Verwaltung sowie der Ermöglichung einer effektiven Kontrolle durch die Gerichte dient (vgl BVerfG vom 10.11.2020, aaO, RdNr 85, mwN, stRspr; vgl auch BSG vom 14.2.2007 - B 1 A 3/06 R - BSGE 98, 129 = SozR 4-2400 § 35a Nr. 1, RdNr 20 ff) .

  • BVerfG, 29.11.2023 - 2 BvF 1/21

    Das Bundeswahlrecht 2020 ist verfassungsgemäß

    Dieser Sichtweise steht der Beschluss des Ersten Senats vom 10. November 2020 (BVerfGE 156, 11 - Antiterrordateigesetz II) nicht entgegen.

    Nach der dort vorgenommenen Differenzierung geht es bei der Bestimmtheit vornehmlich darum, dass Regierung und Verwaltung im Gesetz die Normanwendung steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden und die Gerichte eine wirksame Rechtskontrolle vornehmen können, während bei der Normenklarheit die inhaltliche Verständlichkeit der Regelung im Vordergrund steht, insbesondere damit sich Bürgerinnen und Bürger auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen können, die andernfalls ohne ihr Wissen und ohne die Erreichbarkeit gerichtlicher Kontrolle erfolgen könnten (vgl. BVerfGE 156, 11 ; 162, 1 - Bayerisches Verfassungsschutzgesetz).

    Weil die Grundrechte hier ohne Wissen der Bürgerinnen und Bürger und oft ohne die Erreichbarkeit gerichtlicher Kontrolle durch die Verwaltung, durch Polizei und Nachrichtendienste eingeschränkt werden, muss der Inhalt der den Eingriffen zugrundeliegenden Normen verständlich und ohne größere Schwierigkeiten durch Auslegung zu konkretisieren sein (vgl. BVerfGE 156, 11 ; 162, 1 ).

    a) Es kann dahinstehen, ob es sich - wie die Senatsmehrheit meint (s.o. Rn. 81) - bei dem allgemeinen Gebot der Bestimmtheit und Klarheit der Gesetze um ein einheitliches Postulat handelt oder ob - wie es die Rechtsprechung des Ersten Senats nahelegt - zwischen dem Gebot der Bestimmtheit und dem Gebot der Normenklarheit zu unterscheiden ist (vgl. BVerfGE 156, 11 ; 162, 1 ).

    Rechtsstaatlich geboten ist, dass die Bürgerinnen und Bürger die sie betreffende Rechtslage verstehen und ihr Verhalten daran ausrichten können (vgl. BVerfGE 156, 11 ; 162, 1 ).

  • BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21

    Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern

  • BVerfG, 20.07.2021 - 2 BvF 1/21

    Eilantrag zum Bundeswahlgesetzänderungsgesetz abgelehnt

  • BFH, 23.01.2024 - IX R 36/21

    Automatischer Finanzkonten-Informationsaustausch verstößt nicht gegen Grundrechte

  • VerfGH Sachsen, 25.01.2024 - 91-II-19

    Abstrakte Normenkontrolle betreffend einzelner Vorschriften aus dem Sächsischen

  • BSG, 20.01.2021 - B 1 KR 15/20 R

    Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nur mit elektronischer

  • BSG, 17.03.2021 - B 6 KA 2/20 R

    Vertragsärztliche Versorgung - Bedarfsplanung der spezialisierten fachärztlichen

  • BVerfG, 14.05.2021 - 2 BvR 1336/20

    DNA-Identitätsfeststellung (Entnahme von Körperzellen zur molekulargenetischen

  • BVerwG, 12.05.2021 - 6 C 12.19

    Bundesrechnungshof darf Berufsgenossenschaften prüfen

  • VerfGH Nordrhein-Westfalen, 20.04.2021 - VerfGH 177/20

    Teilweise erfolgreiches Organstreitverfahren wegen unvollständiger Zuleitung von

  • BVerwG, 08.02.2024 - 20 F 1.23
  • BVerwG, 08.02.2024 - 20 F 28.22
  • VerfGH Bayern, 17.05.2022 - 47-VII-21

    Popularklage gegen Polizeiaufgabengesetz - Zuverlässigkeitsüberprüfungen von

  • BVerwG, 14.12.2020 - 6 C 11.18

    Beobachtung einer Einzelperson durch das Bundesamt für Verfassungsschutz

  • BVerfG, 19.04.2021 - 1 BvR 1732/14

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur Bestands- und Nutzungsdatenauskunft durch

  • LSG Baden-Württemberg, 18.04.2023 - L 9 U 619/22

    Gesetzliche Unfallversicherung - Beitragshaftung - Unternehmer des Baugewerbes -

  • BFH, 05.09.2023 - IX R 32/21

    Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten im Besteuerungsverfahren

  • VerfGH Bayern, 14.06.2023 - 15-VII-18

    Polizeilicher Präventivgewahrsam

  • BVerwG, 24.03.2021 - 6 C 4.20

    Stiftungsanerkennung und Gemeinwohlvorbehalt

  • OVG Sachsen, 04.12.2023 - 6 B 55/23

    Untersagung eines Gaststättengewerbes; Verfassungsschutzbehörden; mit

  • VG Hamburg, 21.12.2022 - 2 K 1670/20

    Corona-Krise; Verkaufsflächenbeschränkung auf 800 m² für Warenhäuser; Hamburg

  • OVG Sachsen, 17.05.2022 - 3 C 16/20

    Untersagung; Öffnung; Einkaufszentrum; großflächiger Einzelhandel;

  • BVerwG, 23.02.2023 - 20 F 5.21

    Teilweise rechtswidrige Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO

  • StGH Bremen, 09.06.2021 - St 1/21
  • VGH Bayern, 16.09.2022 - 19 N 19.1368

    Verordnung über die Aufhebung von Schonzeiten, natürliche Verjüngung der

  • BVerwG, 28.06.2023 - 20 F 2.23

    Auskunftsanspruch über die bei der Verfassungsschutzbehörde des Landes

  • OVG Berlin-Brandenburg, 19.07.2022 - 12 A 2.21

    Brandenburgische Durchführungsverordnung zum Jagdgesetz; Abschussplan;

  • OVG Sachsen, 05.09.2022 - 3 C 29/20

    Hinreichende Bestimmtheit einer Norm; Regelbeispiele; "für die Grundversorgung

  • BVerwG, 16.08.2023 - 20 F 7.23
  • VGH Bayern, 16.09.2022 - 19 N 20.232

    Verordnung über die Aufhebung von Schonzeiten, natürliche Verjüngung der

  • OVG Schleswig-Holstein, 22.06.2023 - 3 MB 5/23

    Androhung eines Zwangsgeldes gegen die Eltern zwecks Durchsetzung der

  • VG Hamburg, 08.02.2022 - 7 E 334/22

    Erfolgloser Eilantrag der Betreiberin einer Schankwirtschaft gegen die

  • BVerwG, 12.09.2022 - 20 F 7.22

    Erschweren der künftigen Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden

  • VG Karlsruhe, 26.01.2022 - 4 K 3218/19

    Vergnügungssteuersatzung der Stadt Karlsruhe: Steueranmeldungen - die

  • VG Weimar, 18.10.2023 - 1 E 1389/23

    Kein Anspruch eines Beamten auf Untersagung der Herausgabe von bestimmten

  • VG Köln, 14.06.2022 - 6 K 6748/19
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Rechtsprechung
   BVerfG, 23.02.2021 - 1 BvR 3214/15   

Zitiervorschläge
https://dejure.org/2021,7354
BVerfG, 23.02.2021 - 1 BvR 3214/15 (https://dejure.org/2021,7354)
BVerfG, Entscheidung vom 23.02.2021 - 1 BvR 3214/15 (https://dejure.org/2021,7354)
BVerfG, Entscheidung vom 23. Februar 2021 - 1 BvR 3214/15 (https://dejure.org/2021,7354)
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  • BVerfG, 28.02.1989 - 1 BvR 1291/85

    Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerde-Verfahren

    Auszug aus BVerfG, 23.02.2021 - 1 BvR 3214/15
    Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wird unter Berücksichtigung der subjektiven und besonderen objektiven Bedeutung des Verfahrens und seiner Förderung durch die anwaltliche Tätigkeit (vgl. BVerfGE 79, 365 ) auf 100.000 Euro (in Worten: einhunderttausend Euro) festgesetzt.
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