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   BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14   

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BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 (https://dejure.org/2019,22060)
BVerfG, Entscheidung vom 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 (https://dejure.org/2019,22060)
BVerfG, Entscheidung vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 (https://dejure.org/2019,22060)
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Volltextveröffentlichungen (11)

  • openjur.de
  • Bundesverfassungsgericht

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig

  • rechtsprechung-im-internet.de

    Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 GG, Art 23 Abs 1 S 3 GG, Art 38 Abs 1 S 1 GG, Art 79 Abs 3 GG
    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig - keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Mitwirkung von Bundesregierung und Deutschem Bundestag an der Errichtung der europäischen Bankenunion

  • Betriebs-Berater

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig

  • Wolters Kluwer
  • doev.de PDF

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion

  • rewis.io

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig - keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Mitwirkung von Bundesregierung und Deutschem Bundestag an der Errichtung der europäischen Bankenunion

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
  • rechtsportal.de

    Mitwirkung von Bundesregierung und Deutschem Bundestag an der Errichtung der europäischen Bankenunion; Mindestmaß an demokratischer Legitimation und Kontrolle bei der Europäisierung der nationalen Verwaltungsorganisation und der Errichtung von unabhängigen Einrichtungen ...

  • datenbank.nwb.de

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig - keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Mitwirkung von Bundesregierung und Deutschem Bundestag an der Errichtung der europäischen Bankenunion

  • juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)

Kurzfassungen/Presse (9)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig

  • beckmannundnorda.de (Kurzinformation)

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung der Vorschriften nicht kompetenzwidrig und damit verfassungskonform

  • faz.net (Pressemeldung, 30.07.2019)

    Europäische Bankenunion verstößt nicht gegen das Grundgesetz

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    Karlsruhe und die Europäische Bankenunion

  • anwaltonline.com (Kurzinformation)

    Europäische Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig

  • datev.de (Kurzinformation)

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht kompetenzwidrig

  • juve.de (Kurzinformation)

    Zentrale Bankenaufsicht im Euroraum und gemeinsamer Notfallfonds zur Abwicklung maroder Geldhäuser

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung - vor Ergehen der Entscheidung)

    Urteilsverkündung in Sachen Europäische Bankenunion am Dienstag, 30. Juli 2019, um 10.00 Uhr

  • lto.de (Pressebericht zum Verfahren - vor Ergehen der Entscheidung, 27.11.2018)

    Zentrale Bankenaufsicht: Kontrolle oder Kontrollverlust?

Besprechungen u.ä. (7)

  • lto.de (Entscheidungsbesprechung)

    Europäischer Bankenunion: Verfassungsbeschwerden gegen EZB-Bankenaufsicht erfolglos

  • jurafuchs.de (Fallmäßige Aufbereitung - für Studienzwecke)

    Europäische Bankenunion verfassungskonform

  • lto.de (Interview mit Bezug zum Verfahren - vor Ergehen der Entscheidung)

    Europäische Bankenaufsicht

  • juwiss.de (Aufsatz mit Bezug zum Verfahren - vor Ergehen der Entscheidung)

    Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie? Zum Karlsruher Schauspiel "Die EU-Bankenunion”

Sonstiges (2)

Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • BVerfGE 151, 202
  • NJW 2019, 3204
  • NVwZ 2020, 381
  • EuZW 2019, 982
 
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Wird zitiert von ... (39)Neu Zitiert selbst (92)

  • BVerfG, 21.06.2016 - 2 BvR 2728/13

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen das OMT-Programm der

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    a) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet Bürgerinnen und Bürgern die politische Selbstbestimmung und garantiert ihnen die freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt es Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die Europäische Union so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    aa) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt Bürgerinnen und Bürgern in seinem durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kern nicht nur Schutz vor einer substantiellen Erosion der Gestaltungsmacht des Deutschen Bundestages, sondern auch ein Recht darauf, dass Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union nur die Zuständigkeiten ausüben, die ihnen nach Maßgabe des Art. 23 GG übertragen worden sind (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 146, 216 ).

    Dieses Recht wird verletzt, wenn bei der Übertragung von Hoheitsrechten oder beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ), oder Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (innerhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG) Maßnahmen treffen, die vom Integrationsprogramm nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt mithin einen "Anspruch auf Demokratie", soweit durch einen Vorgang demokratische Grundsätze berührt werden, die Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzieht, und gegenüber offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch die Europäischen Organe (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Darüber hinaus trifft die Verfassungsorgane aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwortung eine Verpflichtung, Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die eine Identitätsverletzung bewirken, sowie Ultra-vires-Akten, auch wenn sie nicht den gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG integrationsfesten Bereich betreffen, entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Bundesregierung und Bundestag haben über die Einhaltung des Integrationsprogramms zu wachen und bei offensichtlich und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe der Europäischen Union Mitwirkungs- und Umsetzungshandlungen zu unterlassen und aktiv auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

    Das ist der Fall, wenn sie entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Handlungs- und Unterlassungspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Insofern prüft das Bundesverfassungsgericht mittelbar auch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daraufhin, ob sie durch das Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ).

    Zum einen ist die Verordnung kein tauglicher Beschwerdegegenstand, weil Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union keine Akte deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG sind und daher auch nicht unmittelbarer Beschwerdegegenstand im Verfahren der Verfassungsbeschwerde sein können (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Dazu gehört namentlich der in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Grundsatz der Volkssouveränität und der damit zusammenhängende Anspruch des Bürgers, nur einer öffentlichen Gewalt ausgesetzt zu sein, die er auch legitimieren und beeinflussen kann (BVerfGE 142, 123 ).

    Dieser ist in der Würde des Menschen verankert (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Jede in Deutschland ausgeübte öffentliche Gewalt muss danach auf den Bürger zurückführbar sein (vgl. BVerfGE 83, 37 ; 93, 37 ; 130, 76 ; 137, 185 ; 139, 194 ; 142, 123 ).

    Dies schließt es aus, dass die Bürger einer politischen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ).

    Er dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Sein Gewährleistungsbereich beschränkt sich vielmehr auf Strukturveränderungen im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge, wie sie etwa bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union oder andere supranationale Einrichtungen eintreten können (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 142, 123 ).

    Die demokratische Legitimation der in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt durch das Staatsvolk gehört als wesentlicher Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität zu der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und deshalb nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG auch integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 142, 123 ).

    Es untersagt die Übertragung der Kompetenz-Kompetenz (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 58, 1 ; 104, 151 ; 132, 195 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Auch Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt dürfen die deutschen Verfassungsorgane der Europäischen Union nicht erteilen (vgl. BVerfGE 58, 1 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 132, 195 ; 142, 123 ).

    Für Grenzfälle des verfassungsrechtlich noch Zulässigen muss der Gesetzgeber gegebenenfalls mit seinen die Zustimmung begleitenden Gesetzen wirksame Vorkehrungen dafür treffen, dass sich seine Integrationsverantwortung hinreichend entfalten kann (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Wahlberechtigten vor einem Substanzverlust ihrer im verfassungsstaatlichen Gefüge maßgeblichen Herrschaftsgewalt dadurch, dass Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit die Gestaltungsmacht desjenigen Verfassungsorgans verloren geht, das nach den Grundsätzen freier und gleicher Wahl zustande kommt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ).

    Dem Deutschen Bundestag müssen auch bei einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 GG eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischen Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ).

    Insbesondere das Budgetrecht des Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ) und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Zum änderungsfesten Kern von Art. 20 Abs. 1 GG gehört es danach, dass der Deutsche Bundestag dem Volk gegenüber verantwortlich über alle wesentlichen Einnahmen und Ausgaben entscheidet (vgl. BVerfGE 70, 324 ; 79, 311 ; 129, 124 ; 142, 123 ).

    Soweit nicht das Volk selbst zur Entscheidung berufen ist, ist demokratisch legitimiert nur, was parlamentarisch verantwortet werden kann (BVerfGE 142, 123 ; vgl. auch BVerfGE 123, 267 ).

    Das gilt insbesondere für eine effektive gerichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 142, 123 ; EuGH, Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C-518/07, Slg. 2010, I-1897 ) oder Kontrollrechte, die dem Parlament - im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen - spezifische Einflussmöglichkeiten auf Behörden vermitteln und es in die Lage versetzen, eine Letztkontrolle durch eine Änderung oder Aufhebung der Rechtsgrundlagen auszuüben (vgl. Epron, RFDA 2011, S. 1007 ).

    Eine Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus ist jedoch nicht unbegrenzt zulässig und bedarf zudem der Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    So hat der Senat namentlich die Unabhängigkeit der EZB für verfassungsrechtlich hinnehmbar gehalten, weil sie der - in der deutschen Rechtsordnung erprobten und auch aus wissenschaftlicher Sicht bewährten - Besonderheit Rechnung trägt, dass eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    Der Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sie darüber hinaus, auch bei der Mitwirkung am Vollzug des Integrationsprogramms sowie bei dessen näherer Ausgestaltung und Fortentwicklung dafür zu sorgen, dass dessen Grenzen gewahrt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 <208 Rn. 164).

    Ihnen obliegt eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Die Integrationsverantwortung verpflichtet die Verfassungsorgane - den grundrechtlichen Schutzpflichten nicht unähnlich -, sich dort schützend und fördernd vor die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen des Einzelnen zu stellen, wo dieser nicht selbst für ihre Integrität sorgen kann (BVerfGE 142, 123 ).

    b) Dieser Anspruch richtet sich vor allem gegen die im Bereich der auswärtigen Gewalt mit besonderen Kompetenzen ausgestatteten Verfassungsorgane Bundesregierung und Bundestag (vgl. BVerfGE 90, 286 ; 121, 135 ; 131, 152 ; 140, 160 ; 142, 123 ).

    Dies gilt in gesteigertem Maße dann, wenn öffentliche Gewalt durch Stellen ausgeübt wird, die nur über eine schwache demokratische Legitimation verfügen (vgl. BVerfGE 130, 76 ; 136, 194 ; 142, 123 ).

    (2) In Ansehung offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Kompetenzüberschreitungen durch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union haben Bundestag und Bundesregierung sich aktiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeizuführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

    Eine Verletzung von Schutzpflichten liegt erst dann vor, wenn überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen werden, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 77, 170 ; 85, 191 ; 88, 203 ; 92, 26 ; 125, 39 ; 142, 123 ).

    Für die Integrationsverantwortung bedeutet dies, dass die Verfassungsorgane Kompetenzüberschreitungen nachträglich legitimieren können, indem sie eine - die Grenzen von Art. 79 Abs. 3 GG wahrende - Änderung des Primärrechts anstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ) und die ultra vires in Anspruch genommenen Hoheitsrechte im Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG förmlich übertragen.

    Soweit dies jedoch nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie verpflichtet, mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung der vom Integrationsprogramm nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken sowie - solange die Maßnahmen fortwirken - geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen so weit wie möglich begrenzt bleiben (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

    aa) Die Annahme eines Ultra-vires-Aktes setzt - ohne Rücksicht auf den betroffenen Sachbereich - voraus, dass eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union offensichtlich außerhalb der ihr übertragenen Kompetenzen liegt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Das ist der Fall, wenn sich die Kompetenz - bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 142, 123 ).

    Dieses Verständnis von Offensichtlichkeit folgt aus dem Gebot, die Ultra-vires-Kontrolle zurückhaltend auszuüben (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der EuGH einen Anspruch auf Fehlertoleranz hat (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 142, 123 ).

    Würde der EuGH diese Grenze überschreiten, wäre sein Handeln nicht mehr durch Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV gedeckt und fehlte seiner Entscheidung für Deutschland das gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG erforderliche Mindestmaß an demokratischer Legitimation (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Insoweit gelten im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle die allgemeinen Grundsätze (vgl. etwa zu § 24 Satz 1 BVerfGG BVerfGE 82, 316 ; 89, 243 ; 89, 291 ; 95, 1 ; 103, 332 ; 142, 123 ).

    Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz durch das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle der Europäischen Union eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. EuGH, Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, EMRK-Beitritt, Slg. 1996, I-1783 ), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 142, 123 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit der Integrationsverantwortung der Verfassungsorgane schützt die Wahlberechtigten nicht nur davor, dass der Europäischen Union Hoheitsrechte entgegen Art. 79 Abs. 3 GG (i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG) jenseits des für eine Übertragung offen stehenden Bereichs eingeräumt werden (siehe oben unter 3.), sondern auch davor, dass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union umgesetzt werden, die eine entsprechende Wirkung entfalten und jedenfalls faktisch einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Kompetenzübertragung gleichkämen (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Die anderen Sprachfassungen, die für die Auslegung des Unionsrechts nicht minder bedeutsam sind (vgl. BVerfGE 142, 123 ; EuGH, Urteil vom 12. November 1969, Stauder/Ulm, C-29/69, Slg. 1969, I-419 ; Urteil vom 11. Juli 1985, Kommission/Deutschland, C-107/84, Slg. 1985, I-2663 ; Urteil vom 15. April 2010, Heinrich Heine/Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, C-511/08, Slg. 2010, I-3068 ; Urteil vom 30. Mai 2013, Asbeek Brusse und de Man Garabito, C-488/11, EU:C:2013:341, Rn. 26 m.w.N.; Schuebel-Pfister, Sprache und Gemeinschaftsrecht, 2004, S. 138 ff., 233 ff.; Schilling, in: Kloepfer, Gedächtnisschrift Brandner, 2011, S. 81 ff.; Kreße, ZRP 2014, S. 11; Riesenhuber, in: ders., Europäische Methodenlehre, 3. Aufl. 2015, § 10 Rn. 14 ff.; Ziller, in: Blanke/Villalón/Klein/ders. , Festschrift für Albrecht Weber, 2016, S. 437, 444 ff.), erschüttern diese Interpretation jedenfalls nicht (vgl. etwa Herdegen, WM 2012, S. 1889 ; Waldhoff/Dieterich, EWS 2013, S. 72 ).

    Schließlich spricht für die enge Auslegung der Umstand, dass jede weitere Übertragung von Aufgaben und Befugnissen auf die EZB angesichts ihrer Unabhängigkeit (Art. 130 AEUV) in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der repräsentativen Demokratie gemäß Art. 10 Abs. 1 EUV (vgl. Pascher, Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion, in: Korte/Ludwigs/Thiele/Wedemeyer, Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts, 2016, S. 111 ) und dem über Art. 4 Abs. 2 EUV auch unionsrechtlich beachtlichen Demokratieprinzip in den Verfassungen der Mitgliedstaaten, für Deutschland aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, steht (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    Gegebenenfalls bedarf es einer primärrechtskonformen Auslegung des Sekundärrechts (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 1983, Kommission/Rat, C-218/82, Slg. 1983, I-4063 ; Urteil vom 1. April 2004, Borgmann, C-1/02, Slg. 2004, I-3238 ; BVerfGE 142, 123 ).

    So ist Gegenstand der Ultra-vires-Kontrolle, ob das Handeln der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union von den im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Vorgaben des Integrationsprogramms gedeckt ist oder die Maßnahme aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbricht (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ), während die Identitätskontrolle nicht die Einhaltung der Reichweite der übertragenen Zuständigkeit betrifft, sondern die "absolute Grenze" des Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Die Ultra-vires-Kontrolle ist ein besonderer Anwendungsfall einer auf das Demokratieprinzip bezogenen Identitätskontrolle (vgl. BVerfGE 142, 123 ), weil mit ihr eine hinreichend qualifizierte Kompetenzüberschreitung von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union verhindert werden soll, die nach ständiger Rechtsprechung des Senats zwangsläufig auch den Grundsatz der Volkssouveränität und das in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltene Recht der Bürgerinnen und Bürger verletzt, keiner Hoheitsgewalt ausgesetzt zu werden, die diese nicht legitimieren und auf die sie nicht in Freiheit und Gleichheit Einfluss nehmen können.

    Umgekehrt kann eine mit der Berührung des "Anspruchs auf Demokratie" verbundene Maßnahme der Europäischen Union nicht auf einer primärrechtlichen Ermächtigung beruhen, weil auch der mit der Mehrheit des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG entscheidende Integrationsgesetzgeber der Europäischen Union keine Hoheitsrechte übertragen kann, mit deren Inanspruchnahme eine Berührung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität einherginge (vgl. BVerfGE 113, 273 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Die mit der Unabhängigkeit der EZB verbundene Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus im Bereich der Bankenaufsicht ist, weil sie zu dem weitreichenden und schwer einzugrenzenden Mandat der EZB im Bereich der Währungspolitik hinzutritt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 <256 f. Rn. 59, 258 f. Rn. 61, 278 Rn. 103>), zwar bedenklich (1), im Ergebnis jedoch noch hinnehmbar, weil sie durch besondere Vorkehrungen kompensiert wird, die der demokratischen Rückbindung ihres hier in Rede stehenden Handelns dienen (2).

    Dies ist auch nicht durch Art. 88 Satz 2 GG institutionell legitimiert, weil diese Vorschrift - wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat - einer restriktiven Auslegung des währungspolitischen Mandats der EZB bedarf und sich auf andere Bereiche nicht ohne weiteres übertragen lässt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Das können eine strenge gerichtliche Kontrolle des Mandats (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 146, 216 ; vgl. auch EuGH, Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C-518/07, Slg. 2010, I-1897 ) oder spezifische Kontrollrechte sein, die dem Bundestag weitere Einflussmöglichkeiten auf das Handeln der EZB vermitteln.

    Zusammen mit den Informationsrechten, die der Bundestag gegenüber der im Rat vertretenen Bundesregierung besitzt (Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG, §§ 3 ff. EUZBBG), tragen sie dazu bei, dass der Bundestag seine Integrationsverantwortung für das Handeln der EZB im Bereich der Bankenaufsicht effektiv wahrnehmen kann (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

    Diese Vorgabe eines ministerialfreien Raums steht in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu dem durch Art. 20 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsatz der Volkssouveränität (vgl. BVerfGE 142, 123 ; Kahl, in: v. Bogdandy/Cassese/Huber , IPE V, 2014, § 74 Rn. 44; Marcou, in: v. Bogdandy/Cassese/Huber , IPE V, 2014, § 92 Rn. 49 f.; Ruffert, JuS 2014, S. 279 ).

    Dass die Europäische Union nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV nur innerhalb der Grenzen des Integrationsprogramms tätig werden darf, ist nicht nur ein unionsrechtlicher Grundsatz, sondern die Konsequenz europaverfassungsrechtlicher Mindestanforderungen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ).

    Das hat Rückwirkungen auf die Auslegung der im Integrationsprogramm enthaltenen Einzelermächtigungen und die Methodik ihrer Kontrolle (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Zwar berührte ein eigenständiges Abgabenerhebungsrecht der Europäischen Union in der Tat die durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützte haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages, weil die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand als grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ) vom Bundestag dem Volk gegenüber verantwortet werden und dieser daher auch über die Summe der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger entscheiden muss.

  • BVerfG, 30.06.2009 - 2 BvE 2/08

    Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon mit Grundgesetz vereinbar;

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    a) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet Bürgerinnen und Bürgern die politische Selbstbestimmung und garantiert ihnen die freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt es Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die Europäische Union so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Dieses Recht wird verletzt, wenn bei der Übertragung von Hoheitsrechten oder beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ), oder Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (innerhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG) Maßnahmen treffen, die vom Integrationsprogramm nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Insofern prüft das Bundesverfassungsgericht mittelbar auch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daraufhin, ob sie durch das Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ).

    Dieser ist in der Würde des Menschen verankert (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Dies schließt es aus, dass die Bürger einer politischen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ).

    b) Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ) ist strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt, der durch Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist.

    Die demokratische Legitimation der in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt durch das Staatsvolk gehört als wesentlicher Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität zu der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und deshalb nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG auch integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 142, 123 ).

    Es untersagt die Übertragung der Kompetenz-Kompetenz (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 58, 1 ; 104, 151 ; 132, 195 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Auch Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt dürfen die deutschen Verfassungsorgane der Europäischen Union nicht erteilen (vgl. BVerfGE 58, 1 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 132, 195 ; 142, 123 ).

    Für Grenzfälle des verfassungsrechtlich noch Zulässigen muss der Gesetzgeber gegebenenfalls mit seinen die Zustimmung begleitenden Gesetzen wirksame Vorkehrungen dafür treffen, dass sich seine Integrationsverantwortung hinreichend entfalten kann (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG schützt die Wahlberechtigten vor einem Substanzverlust ihrer im verfassungsstaatlichen Gefüge maßgeblichen Herrschaftsgewalt dadurch, dass Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit die Gestaltungsmacht desjenigen Verfassungsorgans verloren geht, das nach den Grundsätzen freier und gleicher Wahl zustande kommt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ).

    Dem Deutschen Bundestag müssen auch bei einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 GG eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischen Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ).

    Insbesondere das Budgetrecht des Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ) und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Bereits im Lissabon-Urteil hat der Senat die besondere Bedeutung der haushalterischen Gestaltungsfreiheit für den demokratischen Rechtsstaat betont (vgl. BVerfGE 123, 267 ) und dies in den Entscheidungen zu Griechenlandhilfe und EFSF (vgl. BVerfGE 129, 124) sowie zum ESM (vgl. BVerfGE 132, 195; 135, 317) weiter vertieft.

    Er muss über die Summe der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger und über wesentliche Ausgaben des Staates befinden (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

    c) Die Ausgestaltung der Europäischen Union muss auch in der organisatorischen und verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der autonom handelnden Unionsgewalt demokratischen Grundsätzen entsprechen (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

    Die Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG begrenzt das in der Staatszielbestimmung angesprochene Mitwirkungsziel auf eine Europäische Union, die in ihren elementaren Strukturen den durch Art. 79 Abs. 3 GG auch vor Veränderungen durch den verfassungsändernden Gesetzgeber geschützten Kernprinzipien entspricht (BVerfGE 123, 267 ).

    Angesichts der unterschiedlichen Verfassungstraditionen und der verschiedenen Ausprägungen, die das Demokratiegebot in den Mitgliedstaaten erfahren hat, können die Anforderungen an das Legitimationsniveau von Maßnahmen der deutschen öffentlichen Gewalt nicht ohne weiteres auf Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union übertragen werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

    Vielmehr lässt das Grundgesetz auf der Basis von Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG Abweichungen von den innerstaatlichen Anforderungen an die demokratische Organisation der Verwaltung zu, wenn diese durch die Erfordernisse der auf dem Prinzip der Staatengleichheit gründenden und völkervertraglich ausgehandelten europäischen Integration bedingt sind (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

    Solange und soweit das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in einem Verbund souveräner Staaten mit ausgeprägten Zügen exekutiver und gouvernementaler Zusammenarbeit gewahrt bleibt, reicht grundsätzlich die über nationale Parlamente und Regierungen vermittelte Legitimation der Mitgliedstaaten aus, die ergänzt und abgestützt wird durch das Europäische Parlament (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

    Diese Maßnahmen werden dabei allerdings durch andere Legitimationsstränge auf supranationaler Ebene gestützt (vgl. BVerfGE 123, 267 <342, 344 f., 347 f., 351 f., 353 f., 365 ff., 367 ff., 369>), die dieser Ebene Rechnung tragen.

    Soweit nicht das Volk selbst zur Entscheidung berufen ist, ist demokratisch legitimiert nur, was parlamentarisch verantwortet werden kann (BVerfGE 142, 123 ; vgl. auch BVerfGE 123, 267 ).

    a) Aus der Integrationsverantwortung folgt nicht nur die Pflicht der Verfassungsorgane, bei der Übertragung von Hoheitsrechten und bei der Ausgestaltung von Entscheidungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass sowohl das politische System Deutschlands als auch dasjenige der Europäischen Union demokratischen Grundsätzen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG entsprechen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ) und die weiteren Vorgaben des Art. 23 GG eingehalten werden.

    Der Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sie darüber hinaus, auch bei der Mitwirkung am Vollzug des Integrationsprogramms sowie bei dessen näherer Ausgestaltung und Fortentwicklung dafür zu sorgen, dass dessen Grenzen gewahrt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 <208 Rn. 164).

    Für die Integrationsverantwortung bedeutet dies, dass die Verfassungsorgane Kompetenzüberschreitungen nachträglich legitimieren können, indem sie eine - die Grenzen von Art. 79 Abs. 3 GG wahrende - Änderung des Primärrechts anstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ) und die ultra vires in Anspruch genommenen Hoheitsrechte im Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG förmlich übertragen.

    aa) Die Annahme eines Ultra-vires-Aktes setzt - ohne Rücksicht auf den betroffenen Sachbereich - voraus, dass eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union offensichtlich außerhalb der ihr übertragenen Kompetenzen liegt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    So ist Gegenstand der Ultra-vires-Kontrolle, ob das Handeln der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union von den im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Vorgaben des Integrationsprogramms gedeckt ist oder die Maßnahme aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbricht (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ), während die Identitätskontrolle nicht die Einhaltung der Reichweite der übertragenen Zuständigkeit betrifft, sondern die "absolute Grenze" des Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Umgekehrt kann eine mit der Berührung des "Anspruchs auf Demokratie" verbundene Maßnahme der Europäischen Union nicht auf einer primärrechtlichen Ermächtigung beruhen, weil auch der mit der Mehrheit des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG entscheidende Integrationsgesetzgeber der Europäischen Union keine Hoheitsrechte übertragen kann, mit deren Inanspruchnahme eine Berührung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität einherginge (vgl. BVerfGE 113, 273 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Dass die Europäische Union nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV nur innerhalb der Grenzen des Integrationsprogramms tätig werden darf, ist nicht nur ein unionsrechtlicher Grundsatz, sondern die Konsequenz europaverfassungsrechtlicher Mindestanforderungen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ).

    Entsprechendes gilt für die wesentlichen Ausgaben des Staates, auf die die Bürgerinnen und Bürger mit der freien und gleichen Wahl einwirken wollen (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

    In diesem Zusammenhang ging es dem Gesetzgeber darum, der Rechtsprechung des Senats Rechnung zu tragen, wonach Blankettermächtigungen und Brückenklauseln im Primärrecht und anderen Integrationsverträgen, soweit sie nicht vermieden werden können, an innerstaatliche Sicherungen zur effektiven Wahrnehmung der Integrationsverantwortung geknüpft werden müssen und der Gesetzgeber gegebenenfalls in sogenannten Begleitgesetzen wirksame Vorkehrungen dafür zu treffen hat, dass sich seine Integrationsverantwortung auch nach Inkrafttreten des Vertrags noch hinreichend entfalten kann (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

  • BVerfG, 14.01.2014 - 2 BvR 2728/13

    Hauptsacheverfahren ESM/EZB: Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt es Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die Europäische Union so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Dieses Recht wird verletzt, wenn bei der Übertragung von Hoheitsrechten oder beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ), oder Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (innerhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG) Maßnahmen treffen, die vom Integrationsprogramm nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt mithin einen "Anspruch auf Demokratie", soweit durch einen Vorgang demokratische Grundsätze berührt werden, die Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzieht, und gegenüber offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch die Europäischen Organe (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Das Parlament ist verpflichtet, in einem förmlichen Verfahren über die Übertragung von Kompetenzen im Rahmen der europäischen Integration zu entscheiden, damit das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 134, 366 ).

    Der wahlberechtigte Bürger hat zur Sicherung seiner demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG geschieht (vgl. BVerfGE 134, 366 ).

    Bundesregierung und Bundestag haben über die Einhaltung des Integrationsprogramms zu wachen und bei offensichtlich und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe der Europäischen Union Mitwirkungs- und Umsetzungshandlungen zu unterlassen und aktiv auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

    Das ist der Fall, wenn sie entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Handlungs- und Unterlassungspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Insofern prüft das Bundesverfassungsgericht mittelbar auch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daraufhin, ob sie durch das Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ).

    Das dem Einzelnen in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag erschöpft sich nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern umfasst auch dessen grundlegenden demokratischen Gehalt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ).

    Er dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Eine Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus ist jedoch nicht unbegrenzt zulässig und bedarf zudem der Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    So hat der Senat namentlich die Unabhängigkeit der EZB für verfassungsrechtlich hinnehmbar gehalten, weil sie der - in der deutschen Rechtsordnung erprobten und auch aus wissenschaftlicher Sicht bewährten - Besonderheit Rechnung trägt, dass eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    a) Aus der Integrationsverantwortung folgt nicht nur die Pflicht der Verfassungsorgane, bei der Übertragung von Hoheitsrechten und bei der Ausgestaltung von Entscheidungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass sowohl das politische System Deutschlands als auch dasjenige der Europäischen Union demokratischen Grundsätzen im Sinne des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG entsprechen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ) und die weiteren Vorgaben des Art. 23 GG eingehalten werden.

    Ihnen obliegt eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Das Parlament ist verpflichtet, in einem förmlichen Verfahren über die Übertragung von Kompetenzen im Rahmen der europäischen Integration zu entscheiden, damit das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 134, 366 ).

    Der wahlberechtigte Bürger hat zur Sicherung seiner demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG geschieht (vgl. BVerfGE 134, 366 ).

    (2) In Ansehung offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Kompetenzüberschreitungen durch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union haben Bundestag und Bundesregierung sich aktiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeizuführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

    Für die Integrationsverantwortung bedeutet dies, dass die Verfassungsorgane Kompetenzüberschreitungen nachträglich legitimieren können, indem sie eine - die Grenzen von Art. 79 Abs. 3 GG wahrende - Änderung des Primärrechts anstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ) und die ultra vires in Anspruch genommenen Hoheitsrechte im Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG förmlich übertragen.

    Soweit dies jedoch nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie verpflichtet, mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung der vom Integrationsprogramm nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken sowie - solange die Maßnahmen fortwirken - geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen so weit wie möglich begrenzt bleiben (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

    aa) Die Annahme eines Ultra-vires-Aktes setzt - ohne Rücksicht auf den betroffenen Sachbereich - voraus, dass eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union offensichtlich außerhalb der ihr übertragenen Kompetenzen liegt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Schließlich spricht für die enge Auslegung der Umstand, dass jede weitere Übertragung von Aufgaben und Befugnissen auf die EZB angesichts ihrer Unabhängigkeit (Art. 130 AEUV) in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der repräsentativen Demokratie gemäß Art. 10 Abs. 1 EUV (vgl. Pascher, Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion, in: Korte/Ludwigs/Thiele/Wedemeyer, Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts, 2016, S. 111 ) und dem über Art. 4 Abs. 2 EUV auch unionsrechtlich beachtlichen Demokratieprinzip in den Verfassungen der Mitgliedstaaten, für Deutschland aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, steht (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    So ist Gegenstand der Ultra-vires-Kontrolle, ob das Handeln der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union von den im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Vorgaben des Integrationsprogramms gedeckt ist oder die Maßnahme aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbricht (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ), während die Identitätskontrolle nicht die Einhaltung der Reichweite der übertragenen Zuständigkeit betrifft, sondern die "absolute Grenze" des Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Umgekehrt kann eine mit der Berührung des "Anspruchs auf Demokratie" verbundene Maßnahme der Europäischen Union nicht auf einer primärrechtlichen Ermächtigung beruhen, weil auch der mit der Mehrheit des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG entscheidende Integrationsgesetzgeber der Europäischen Union keine Hoheitsrechte übertragen kann, mit deren Inanspruchnahme eine Berührung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität einherginge (vgl. BVerfGE 113, 273 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Die mit der Unabhängigkeit der EZB verbundene Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus im Bereich der Bankenaufsicht ist, weil sie zu dem weitreichenden und schwer einzugrenzenden Mandat der EZB im Bereich der Währungspolitik hinzutritt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 <256 f. Rn. 59, 258 f. Rn. 61, 278 Rn. 103>), zwar bedenklich (1), im Ergebnis jedoch noch hinnehmbar, weil sie durch besondere Vorkehrungen kompensiert wird, die der demokratischen Rückbindung ihres hier in Rede stehenden Handelns dienen (2).

    Dies ist auch nicht durch Art. 88 Satz 2 GG institutionell legitimiert, weil diese Vorschrift - wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat - einer restriktiven Auslegung des währungspolitischen Mandats der EZB bedarf und sich auf andere Bereiche nicht ohne weiteres übertragen lässt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Zusammen mit den Informationsrechten, die der Bundestag gegenüber der im Rat vertretenen Bundesregierung besitzt (Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG, §§ 3 ff. EUZBBG), tragen sie dazu bei, dass der Bundestag seine Integrationsverantwortung für das Handeln der EZB im Bereich der Bankenaufsicht effektiv wahrnehmen kann (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ).

  • BVerfG, 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92

    Maastricht

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt es Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die Europäische Union so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Dieses Recht wird verletzt, wenn bei der Übertragung von Hoheitsrechten oder beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ), oder Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (innerhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG) Maßnahmen treffen, die vom Integrationsprogramm nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt mithin einen "Anspruch auf Demokratie", soweit durch einen Vorgang demokratische Grundsätze berührt werden, die Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzieht, und gegenüber offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch die Europäischen Organe (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Das dem Einzelnen in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag erschöpft sich nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern umfasst auch dessen grundlegenden demokratischen Gehalt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ).

    b) Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ) ist strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt, der durch Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist.

    Die demokratische Legitimation der in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt durch das Staatsvolk gehört als wesentlicher Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität zu der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und deshalb nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG auch integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 142, 123 ).

    Es untersagt die Übertragung der Kompetenz-Kompetenz (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 58, 1 ; 104, 151 ; 132, 195 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Auch Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt dürfen die deutschen Verfassungsorgane der Europäischen Union nicht erteilen (vgl. BVerfGE 58, 1 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 132, 195 ; 142, 123 ).

    Dem Deutschen Bundestag müssen auch bei einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 GG eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischen Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ).

    bb) Der Vollzug des Integrationsprogramms ist im Hinblick auf Mehrheitsentscheidungen im Rat (Art. 238 AEUV), die Möglichkeit unionaler Eigenverwaltung (Art. 298 AEUV) und die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank (Art. 130 AEUV) mit mehreren Einflussknicken (zum Begriff Wagener, in: ders., Verselbständigung von Verwaltungsträgern, 1976, S. 31 ) verbunden, die das demokratische Legitimationsniveau von Maßnahmen der europäischen öffentlichen Gewalt unter dem Blickwinkel von Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG absenken können (vgl. BVerfGE 89, 155 ).

    Eine Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus ist jedoch nicht unbegrenzt zulässig und bedarf zudem der Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    So hat der Senat namentlich die Unabhängigkeit der EZB für verfassungsrechtlich hinnehmbar gehalten, weil sie der - in der deutschen Rechtsordnung erprobten und auch aus wissenschaftlicher Sicht bewährten - Besonderheit Rechnung trägt, dass eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz durch das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle der Europäischen Union eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. EuGH, Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, EMRK-Beitritt, Slg. 1996, I-1783 ), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 142, 123 ).

    Schließlich spricht für die enge Auslegung der Umstand, dass jede weitere Übertragung von Aufgaben und Befugnissen auf die EZB angesichts ihrer Unabhängigkeit (Art. 130 AEUV) in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der repräsentativen Demokratie gemäß Art. 10 Abs. 1 EUV (vgl. Pascher, Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion, in: Korte/Ludwigs/Thiele/Wedemeyer, Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts, 2016, S. 111 ) und dem über Art. 4 Abs. 2 EUV auch unionsrechtlich beachtlichen Demokratieprinzip in den Verfassungen der Mitgliedstaaten, für Deutschland aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, steht (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    So ist Gegenstand der Ultra-vires-Kontrolle, ob das Handeln der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union von den im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Vorgaben des Integrationsprogramms gedeckt ist oder die Maßnahme aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbricht (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ), während die Identitätskontrolle nicht die Einhaltung der Reichweite der übertragenen Zuständigkeit betrifft, sondern die "absolute Grenze" des Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Die mit der Unabhängigkeit der EZB verbundene Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus im Bereich der Bankenaufsicht ist, weil sie zu dem weitreichenden und schwer einzugrenzenden Mandat der EZB im Bereich der Währungspolitik hinzutritt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 <256 f. Rn. 59, 258 f. Rn. 61, 278 Rn. 103>), zwar bedenklich (1), im Ergebnis jedoch noch hinnehmbar, weil sie durch besondere Vorkehrungen kompensiert wird, die der demokratischen Rückbindung ihres hier in Rede stehenden Handelns dienen (2).

    Sie erleichtern jedoch eine politische Steuerung und ermöglichen insoweit auch eine demokratische Legitimationsabstützung (vgl. BVerfGE 89, 155 ), denn sie versetzen die zuständigen Stellen in die Lage, das Handeln der EZB einzuschätzen, es auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen (Art. 263 Abs. 2 AEUV) und ihre sachlich-inhaltliche Bindung an das Unionsrecht durchzusetzen.

    Dass die Europäische Union nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EUV nur innerhalb der Grenzen des Integrationsprogramms tätig werden darf, ist nicht nur ein unionsrechtlicher Grundsatz, sondern die Konsequenz europaverfassungsrechtlicher Mindestanforderungen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ).

  • BVerfG, 07.09.2011 - 2 BvR 987/10

    EFS - Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt mithin einen "Anspruch auf Demokratie", soweit durch einen Vorgang demokratische Grundsätze berührt werden, die Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzieht, und gegenüber offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch die Europäischen Organe (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Anhaltspunkte für eine justiziable Beeinträchtigung der Geldwertstabilität lassen sich daraus nicht entnehmen (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 135, 317 ).

    Dem steht nicht entgegen, dass der Senat in seinem Urteil vom 7. September 2011 zur EFSF und Griechenlandhilfe die Verfassungsbeschwerden für unzulässig erachtet hat, soweit sie sich gegen die Mitwirkung der Bundesregierung am Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 9. Mai 2010, einen europäischen Stabilisierungsmechanismus zu schaffen (Schlussfolgerungen des Rates vom 9. Mai 2010, Rat-Dok. SN 2564/1/10 REV 1 vom 10. Mai 2010, S. 3), und gegen ihre Mitwirkung am Beschluss des Rates über die Verordnung (EU) Nr. 407/2010 des Rates vom 11. Mai 2010 zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus vom 10. Mai 2010 (ABl EU Nr. L 118 vom 12. Mai 2010, S. 1; Rat-Dok. 9606/10 vom 10. Mai 2010) richteten (vgl. BVerfGE 129, 124 ).

    Das dem Einzelnen in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag erschöpft sich nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern umfasst auch dessen grundlegenden demokratischen Gehalt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ).

    Dieser ist in der Würde des Menschen verankert (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    b) Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ) ist strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt, der durch Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist.

    Er dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Als Grundrecht auf Mitwirkung an der demokratischen Selbstherrschaft des Volkes verleiht Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG daher grundsätzlich keine Beschwerdebefugnis gegen Parlamentsbeschlüsse, insbesondere Gesetzesbeschlüsse (vgl. BVerfGE 129, 124 ).

    Sein Gewährleistungsbereich beschränkt sich vielmehr auf Strukturveränderungen im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge, wie sie etwa bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union oder andere supranationale Einrichtungen eintreten können (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 142, 123 ).

    Die demokratische Legitimation der in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt durch das Staatsvolk gehört als wesentlicher Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität zu der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und deshalb nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG auch integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 142, 123 ).

    Insbesondere das Budgetrecht des Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ) und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Bereits im Lissabon-Urteil hat der Senat die besondere Bedeutung der haushalterischen Gestaltungsfreiheit für den demokratischen Rechtsstaat betont (vgl. BVerfGE 123, 267 ) und dies in den Entscheidungen zu Griechenlandhilfe und EFSF (vgl. BVerfGE 129, 124) sowie zum ESM (vgl. BVerfGE 132, 195; 135, 317) weiter vertieft.

    Zum änderungsfesten Kern von Art. 20 Abs. 1 GG gehört es danach, dass der Deutsche Bundestag dem Volk gegenüber verantwortlich über alle wesentlichen Einnahmen und Ausgaben entscheidet (vgl. BVerfGE 70, 324 ; 79, 311 ; 129, 124 ; 142, 123 ).

    Nach diesen Grundsätzen liegt eine das Demokratieprinzip verletzende Übertragung wesentlicher Bestandteile des Budgetrechts des Bundestages jedenfalls dann vor, wenn die Festlegung über Art und Höhe von Abgaben in wesentlichem Umfang supranationalisiert und damit der Dispositionsbefugnis des Bundestages entzogen würde (vgl. BVerfGE 129, 124 ).

    Der Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sie darüber hinaus, auch bei der Mitwirkung am Vollzug des Integrationsprogramms sowie bei dessen näherer Ausgestaltung und Fortentwicklung dafür zu sorgen, dass dessen Grenzen gewahrt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 <208 Rn. 164).

    Ihnen obliegt eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Zwar berührte ein eigenständiges Abgabenerhebungsrecht der Europäischen Union in der Tat die durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützte haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages, weil die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand als grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ) vom Bundestag dem Volk gegenüber verantwortet werden und dieser daher auch über die Summe der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger entscheiden muss.

  • EuGH, 22.01.2014 - C-270/12

    Die Befugnis der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, in

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    Die Übertragung muss in den Verträgen ihre Grundlage finden und darf kein freies Ermessen oder weite Ermessensspielräume vorsehen, weil dies zu einer unzulässigen "tatsächlichen Verlagerung der Verantwortung" führen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Rat und Parlament, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 42).

    Eine weitere Eingrenzung der Befugnisse ist durch prozedurale Vorgaben wie Konsultations-, Unterrichtungs- und Überprüfungspflichten vorzunehmen, wobei insbesondere der Kontrolle durch den Gerichtshof eine erhebliche Bedeutung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Rat und Parlament, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 50, 53).

    Diese Vorgabe eines ministerialfreien Raums steht in einem deutlichen Spannungsverhältnis zu dem durch Art. 20 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsatz der Volkssouveränität (vgl. BVerfGE 142, 123 ; Kahl, in: v. Bogdandy/Cassese/Huber , IPE V, 2014, § 74 Rn. 44; Marcou, in: v. Bogdandy/Cassese/Huber , IPE V, 2014, § 92 Rn. 49 f.; Ruffert, JuS 2014, S. 279 ).

    In der Rechtssache ESMA (EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18) hat der EuGH nicht nur seine seit der Rechtssache Meroni (EuGH, Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde, C-9/56, Slg. 1958, I-16 ff.) geltenden Anforderungen an die Übertragung von Aufgaben und Befugnissen auf Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union deutlich herabgesetzt (vgl. Chamon, European Law Review 2014, S. 380 ; Koslowski, Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde und ihre Befugnisse, 2014, S. 162; Züll, Regulierung im politischen Gemeinwesen, 2014, S. 100; Simoncini, European Public Law 2015, S. 309 ; Gaich, Kompetenzrechtliche Aspekte der Bankenunion unter besonderer Berücksichtigung des Single Resolution Mechanism, 2015, S. 47; krit. Kohtamäki, EuR 2014, S. 321 ; Skowron, EuZW 2014, S. 349 ; Weismann, in: Breitenlechner, Sicherung von Stabilität und Nachhaltigkeit durch Recht, 2014, S. 121 ), sondern zugleich die Harmonisierungskompetenz des Art. 114 Abs. 1 AEUV spürbar erweitert.

    Der unionale Gesetzgeber besitze bei der Beurteilung dessen, was an "Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten" für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sei, einen Ermessensspielraum (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Juni 2010, The Queen/Secretary of State, C-58/08, Slg. 2010, I-5026 ; Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 102) und könne daher bei der Festlegung der spezifischen Angleichungsmaßnahmen zwischen verschiedenen Regulierungsinstrumenten wählen.

    Das sei insbesondere dort der Fall, wo, wie bei der Regulierung im Finanzbereich, ein spezifisches technisches Fachwissen und eine hohe Reaktionsfähigkeit erforderlich seien (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 85, 105; Urteil vom 4. Mai 2016, The Queen/Secretary of State, C-547/14, EU:C:2016:325, Rn. 63).

    Dies gelte angesichts ernsthafter Bedrohungen für die ordnungsgemäße Funktionsweise und die Integrität der Finanzmärkte oder die Stabilität des Finanzsystems in der Europäischen Union etwa für die Schaffung eines geeigneten Mechanismus zur Abwehr entsprechender Bedrohungen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 105 ff.).

    Die Übertragung von Befugnissen müsse darüber hinaus anhand detaillierter gesetzlicher Tatbestandsmerkmale genau eingegrenzt werden und ihre Ausübung gerade im Hinblick auf die festgelegten Ziele gerichtlich überprüfbar sein (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 45, 53).

    Dazu zählten Konsultations-, Informations- und Begründungspflichten sowie eine gegebenenfalls zeitliche Begrenzung der Maßnahmen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 45, 50).

    Daraus lässt sich folgern, dass die Übertragung von Zuständigkeiten, die weitreichende Ermessensausübungen ermöglichen, unzulässig ist, weil damit die Übertragung der Verantwortung für grundlegende Entscheidungen und Weichenstellungen einhergeht, die jedoch bei den vertraglich hierfür zuständigen und legitimierten politischen Organen verbleiben müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 50, 53 f.).

    Ausgeschlossen ist die Zuweisung nicht klar umrissener und nicht hinreichend kontrollierbarer Befugnisse, wesentlicher Entscheidungen über die strategische Ausrichtung eines Politikbereichs und anderer grundsätzlicher Entscheidungen sowie die Übertragung gesetzgeberischer Befugnisse (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Juni 1958, Meroni/Hohe Behörde, C-9/56, Slg. 1958, I-16 ; Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18, Rn. 41 f.).

    Soweit die SRM-Verordnung mit Blick auf das Selbsteintrittsrecht des Ausschusses mit unbestimmten Rechtsbegriffen arbeitet (Art. 7 Abs. 4 SRM-VO), lassen sich die damit verbundenen Spielräume mit Hilfe der anerkannten Auslegungsmethoden hinreichend eingrenzen (vgl. Oehler, EuR 2016 - Beiheft 2 -, S. 7 ; kritisch allerdings Howell, ECFR 2014, S. 454 ; Kohtamäki, EuR 2014, S. 321 ; Ruffert, JuS 2014, S. 279 ; Skowron, EuZW 2014, S. 349 ).

    Das Bundesverfassungsgericht hat zu der Frage der Reichweite des Art. 114 Abs. 1 AEUV als Ermächtigungsgrundlage für die Errichtung und Kompetenzausstattung des Ausschusses als unabhängiger Agentur der Europäischen Union die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH (insbesondere Urteil vom 22. Januar 2014, Vereinigtes Königreich/Parlament und Rat, C-270/12, EU:C:2014:18) zugrunde gelegt und ist unter Anwendung dieser Rechtsprechung und insbesondere der dort genannten Grenzen zur Vermeidung substantieller Kompetenzverschiebungen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten zu dem Ergebnis gelangt, dass die Errichtung des Ausschusses keine qualifizierte Überschreitung der primärrechtlichen Kompetenzgrundlage des Art. 114 Abs. 1 AEUV darstellt.

  • BVerfG, 18.03.2014 - 2 BvR 1390/12

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen Europäischen

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    a) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet Bürgerinnen und Bürgern die politische Selbstbestimmung und garantiert ihnen die freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt mithin einen "Anspruch auf Demokratie", soweit durch einen Vorgang demokratische Grundsätze berührt werden, die Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzieht, und gegenüber offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch die Europäischen Organe (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ; 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Anhaltspunkte für eine justiziable Beeinträchtigung der Geldwertstabilität lassen sich daraus nicht entnehmen (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 135, 317 ).

    Das ist der Fall, wenn sie entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Handlungs- und Unterlassungspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Dieser ist in der Würde des Menschen verankert (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    b) Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ) ist strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt, der durch Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist.

    Für Grenzfälle des verfassungsrechtlich noch Zulässigen muss der Gesetzgeber gegebenenfalls mit seinen die Zustimmung begleitenden Gesetzen wirksame Vorkehrungen dafür treffen, dass sich seine Integrationsverantwortung hinreichend entfalten kann (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Insbesondere das Budgetrecht des Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ) und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Bereits im Lissabon-Urteil hat der Senat die besondere Bedeutung der haushalterischen Gestaltungsfreiheit für den demokratischen Rechtsstaat betont (vgl. BVerfGE 123, 267 ) und dies in den Entscheidungen zu Griechenlandhilfe und EFSF (vgl. BVerfGE 129, 124) sowie zum ESM (vgl. BVerfGE 132, 195; 135, 317) weiter vertieft.

    Der Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet sie darüber hinaus, auch bei der Mitwirkung am Vollzug des Integrationsprogramms sowie bei dessen näherer Ausgestaltung und Fortentwicklung dafür zu sorgen, dass dessen Grenzen gewahrt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 <208 Rn. 164).

    Zwar berührte ein eigenständiges Abgabenerhebungsrecht der Europäischen Union in der Tat die durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützte haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages, weil die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand als grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ) vom Bundestag dem Volk gegenüber verantwortet werden und dieser daher auch über die Summe der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger entscheiden muss.

  • BVerfG, 18.07.2017 - 2 BvR 859/15

    Verfahren zum Anleihenkaufprogramm der EZB ausgesetzt und dem Gerichtshof der

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    a) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet Bürgerinnen und Bürgern die politische Selbstbestimmung und garantiert ihnen die freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt es Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation von Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die Europäische Union so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    aa) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG vermittelt Bürgerinnen und Bürgern in seinem durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kern nicht nur Schutz vor einer substantiellen Erosion der Gestaltungsmacht des Deutschen Bundestages, sondern auch ein Recht darauf, dass Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union nur die Zuständigkeiten ausüben, die ihnen nach Maßgabe des Art. 23 GG übertragen worden sind (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 146, 216 ).

    Dieses Recht wird verletzt, wenn bei der Übertragung von Hoheitsrechten oder beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ), oder Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (innerhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG) Maßnahmen treffen, die vom Integrationsprogramm nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Es untersagt die Übertragung der Kompetenz-Kompetenz (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 58, 1 ; 104, 151 ; 132, 195 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Insbesondere das Budgetrecht des Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ) und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    So hat der Senat namentlich die Unabhängigkeit der EZB für verfassungsrechtlich hinnehmbar gehalten, weil sie der - in der deutschen Rechtsordnung erprobten und auch aus wissenschaftlicher Sicht bewährten - Besonderheit Rechnung trägt, dass eine unabhängige Zentralbank den Geldwert und damit die allgemeine ökonomische Grundlage für die staatliche Haushaltspolitik und für private Planungen und Dispositionen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher Freiheitsrechte eher sichert als Hoheitsorgane, die ihrerseits in ihren Handlungsmöglichkeiten und Handlungsmitteln wesentlich von Geldmenge und Geldwert abhängen und auf die kurzfristige Zustimmung politischer Kräfte angewiesen sind (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    Schließlich spricht für die enge Auslegung der Umstand, dass jede weitere Übertragung von Aufgaben und Befugnissen auf die EZB angesichts ihrer Unabhängigkeit (Art. 130 AEUV) in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der repräsentativen Demokratie gemäß Art. 10 Abs. 1 EUV (vgl. Pascher, Die Europäische Zentralbank in der Bankenunion, in: Korte/Ludwigs/Thiele/Wedemeyer, Energiewende und Finanzkrise als aktuelle Herausforderungen des Europarechts, 2016, S. 111 ) und dem über Art. 4 Abs. 2 EUV auch unionsrechtlich beachtlichen Demokratieprinzip in den Verfassungen der Mitgliedstaaten, für Deutschland aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, steht (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; stRspr).

    Die mit der Unabhängigkeit der EZB verbundene Absenkung des demokratischen Legitimationsniveaus im Bereich der Bankenaufsicht ist, weil sie zu dem weitreichenden und schwer einzugrenzenden Mandat der EZB im Bereich der Währungspolitik hinzutritt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 <256 f. Rn. 59, 258 f. Rn. 61, 278 Rn. 103>), zwar bedenklich (1), im Ergebnis jedoch noch hinnehmbar, weil sie durch besondere Vorkehrungen kompensiert wird, die der demokratischen Rückbindung ihres hier in Rede stehenden Handelns dienen (2).

    Dies ist auch nicht durch Art. 88 Satz 2 GG institutionell legitimiert, weil diese Vorschrift - wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat - einer restriktiven Auslegung des währungspolitischen Mandats der EZB bedarf und sich auf andere Bereiche nicht ohne weiteres übertragen lässt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Das können eine strenge gerichtliche Kontrolle des Mandats (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 146, 216 ; vgl. auch EuGH, Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C-518/07, Slg. 2010, I-1897 ) oder spezifische Kontrollrechte sein, die dem Bundestag weitere Einflussmöglichkeiten auf das Handeln der EZB vermitteln.

  • BVerfG, 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06

    Ultra-vires-Kontrolle Mangold

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    Dieses Recht wird verletzt, wenn bei der Übertragung von Hoheitsrechten oder beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ), oder Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (innerhalb der Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG) Maßnahmen treffen, die vom Integrationsprogramm nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Das ist der Fall, wenn sie entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Handlungs- und Unterlassungspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Insofern prüft das Bundesverfassungsgericht mittelbar auch Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union daraufhin, ob sie durch das Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ).

    Ihnen obliegt eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    aa) Die Annahme eines Ultra-vires-Aktes setzt - ohne Rücksicht auf den betroffenen Sachbereich - voraus, dass eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union offensichtlich außerhalb der ihr übertragenen Kompetenzen liegt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Das ist der Fall, wenn sich die Kompetenz - bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 142, 123 ).

    Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der EuGH einen Anspruch auf Fehlertoleranz hat (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 142, 123 ).

    bb) Eine strukturell bedeutsame Verschiebung zulasten mitgliedstaatlicher Kompetenzen (vgl. BVerfGE 126, 286 ) liegt vor, wenn die Kompetenzüberschreitung ein für das Demokratieprinzip und die Volkssouveränität erhebliches Gewicht besitzt.

    Unberührt bleibt ferner die Ultra-vires-Kontrolle im Falle individueller Betroffenheit grundrechtlicher Freiheiten (vgl. BVerfGE 126, 286).

    So ist Gegenstand der Ultra-vires-Kontrolle, ob das Handeln der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union von den im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltenen Vorgaben des Integrationsprogramms gedeckt ist oder die Maßnahme aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbricht (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ), während die Identitätskontrolle nicht die Einhaltung der Reichweite der übertragenen Zuständigkeit betrifft, sondern die "absolute Grenze" des Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

  • BVerfG, 12.09.2012 - 2 BvR 1390/12

    Europäischer Stabilitätsmechanismus

    Auszug aus BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14
    a) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet Bürgerinnen und Bürgern die politische Selbstbestimmung und garantiert ihnen die freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    b) Der in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ) ist strikt auf den in der Würde des Menschen wurzelnden Kern des Demokratieprinzips begrenzt, der durch Art. 79 Abs. 3 GG auch dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen ist.

    Es untersagt die Übertragung der Kompetenz-Kompetenz (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 58, 1 ; 104, 151 ; 132, 195 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Auch Blankettermächtigungen zur Ausübung öffentlicher Gewalt dürfen die deutschen Verfassungsorgane der Europäischen Union nicht erteilen (vgl. BVerfGE 58, 1 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 132, 195 ; 142, 123 ).

    Für Grenzfälle des verfassungsrechtlich noch Zulässigen muss der Gesetzgeber gegebenenfalls mit seinen die Zustimmung begleitenden Gesetzen wirksame Vorkehrungen dafür treffen, dass sich seine Integrationsverantwortung hinreichend entfalten kann (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ).

    Insbesondere das Budgetrecht des Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ) und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ).

    Bereits im Lissabon-Urteil hat der Senat die besondere Bedeutung der haushalterischen Gestaltungsfreiheit für den demokratischen Rechtsstaat betont (vgl. BVerfGE 123, 267 ) und dies in den Entscheidungen zu Griechenlandhilfe und EFSF (vgl. BVerfGE 129, 124) sowie zum ESM (vgl. BVerfGE 132, 195; 135, 317) weiter vertieft.

    Ihnen obliegt eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ).

    Zwar berührte ein eigenständiges Abgabenerhebungsrecht der Europäischen Union in der Tat die durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG geschützte haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages, weil die Entscheidung über Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand als grundlegender Teil der demokratischen Selbstgestaltungsfähigkeit im Verfassungsstaat (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ) vom Bundestag dem Volk gegenüber verantwortet werden und dieser daher auch über die Summe der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger entscheiden muss.

  • EuGH, 08.05.2019 - C-450/17

    Landeskreditbank Baden-Württemberg - Rechtsmittel - Wirtschafts- und

  • BVerfG, 15.12.2015 - 2 BvR 2735/14

    Gewährleistung einzelfallbezogenen Grundrechtsschutzes im Rahmen der

  • EuGH, 08.06.2010 - C-58/08

    Die Roamingverordnung ist gültig

  • EuGH, 09.03.2010 - C-518/07

    Kommission / Deutschland - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie

  • BVerfG, 06.05.2014 - 2 BvR 1139/12

    Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen Weinabgaben auf Bundes- und Landesebene

  • BVerfG, 19.06.2012 - 2 BvE 4/11

    Anträge im Organstreit "ESM/Euro-Plus-Pakt" erfolgreich

  • BVerfG, 05.12.2002 - 2 BvL 5/98

    Lippeverband

  • BVerfG, 18.01.2012 - 2 BvR 133/10

    Zur Privatisierung des Maßregelvollzugs: Regelung der Anordnung von

  • BVerfG, 24.05.1995 - 2 BvF 1/92

    Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein

  • EuGH, 04.05.2016 - C-547/14

    Philip Morris Brands u.a. - Vorlage zur Vorabentscheidung - Rechtsangleichung -

  • EuGH, 13.06.1958 - 9/56

    Meroni & Co., Industrie Metallurgiche, SpA gegen Hohe Behörde der Europäischen

  • EuGH, 28.03.1996 - Gutachten 2/94

    Beitritt der Gemeinschaft zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und

  • EuGH, 29.04.2004 - C-338/01

    Kommission / Rat

  • BVerfG, 23.06.1981 - 2 BvR 1107/77

    Eurocontrol I

  • EuG, 16.05.2017 - T-122/15

    Das Gericht der EU weist die Klage der Landeskreditbank Baden-Württemberg gegen

  • BVerfG, 31.10.1990 - 2 BvF 3/89

    Ausländerwahlrecht II

  • BVerfG, 13.10.2016 - 2 BvR 1368/16

    Eilanträge in Sachen CETA erfolglos

  • BVerfG, 08.04.1987 - 2 BvR 687/85

    Kloppenburg-Beschluß

  • BVerfG, 31.05.1990 - 2 BvL 12/88

    Absatzfonds

  • BVerfG, 25.01.2011 - 1 BvR 1741/09

    Zum Erfordernis der Wahrung von Arbeitnehmerrechten beim gesetzlich vollzogenen

  • BVerfG, 19.12.2017 - 2 BvR 424/17

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Pflicht zur Anrufung des

  • BVerfG, 19.07.2011 - 1 BvR 1916/09

    Anwendungserweiterung

  • BVerfG, 28.01.2014 - 2 BvR 1561/12

    Verfassungsmäßigkeit der Filmabgabe nach dem Filmförderungsgesetz -

  • EuGH, 06.10.1982 - 283/81

    CILFIT / Ministero della Sanità

  • BVerfG, 20.10.1993 - 2 BvC 2/91

    Kandidatenaufstellung

  • EuGH, 13.12.1983 - 218/82

    Kommission / Rat

  • BVerfG, 02.04.1963 - 2 BvL 22/60

    Verkündungszeitpunkt

  • BVerfG, 18.09.1990 - 2 BvE 2/90

    Beitrittsbedingte Grundgesetzänderungen

  • EuGH, 26.03.1987 - 45/86

    Kommission / Rat

  • BVerfG, 23.09.2015 - 2 BvE 6/11

    Zur Reichweite des Parlamentsvorbehalts für Streitkräfteeinsätze bei Gefahr im

  • BVerfG, 30.05.1972 - 2 BvL 41/71

    Bauordnungswidrigkeit

  • BVerfG, 21.09.1976 - 2 BvR 350/75

    Inkompatibilität/Kirchliches Amt

  • BVerfG, 02.06.2015 - 2 BvE 7/11

    Parlamentarisches Informationsrecht über Unterstützungseinsätze der Bundespolizei

  • BVerfG, 27.03.1979 - 2 BvL 2/77

    Bayerisches Personalvertretungsgesetz

  • EuGH, 06.03.2018 - C-284/16

    Die im Investitionsschutzabkommen zwischen den Niederlanden und der Slowakei

  • EuGH, 11.07.1985 - 107/84

    Kommission / Deutschland

  • BVerfG, 28.01.1992 - 1 BvR 1025/82

    Nachtarbeitsverbot

  • EuGH, 12.06.2014 - C-156/13

    Die vom Land Schleswig-Holstein vorübergehend verfolgte liberalere

  • BVerfG, 28.05.1993 - 2 BvF 2/90

    Schwangerschaftsabbruch II

  • BVerfG, 23.11.1993 - 2 BvC 15/91

    Wahlprüfungsverfahren

  • BVerfG, 08.05.2013 - 1 BvL 1/08

    "Landeskinderregelung" im früheren Bremischen Studienkontengesetz ist

  • BVerfG, 07.11.2017 - 2 BvE 2/11

    Die Bundesregierung hat Auskünfte zur Deutschen Bahn AG und zur

  • BVerfG, 18.04.1989 - 2 BvF 1/82

    Staatsverschuldung

  • BVerfG, 12.07.1994 - 2 BvE 3/92

    AWACS - Auslandseinsätze der Bundeswehr

  • BVerfG, 19.12.2017 - 1 BvL 3/14

    Numerus clausus: Vorschriften über die Studienplatzvergabe für das Fach

  • BVerfG, 22.11.2001 - 2 BvE 6/99

    Antrag der PDS in Sachen NATO-Konzept zurückgewiesen

  • BVerfG, 27.04.1959 - 2 BvF 2/58

    Bremer Personalvertretung

  • BVerfG, 07.05.2008 - 2 BvE 1/03

    Luftraumüberwachung Türkei

  • BVerfG, 07.11.2002 - 2 BvR 1053/98

    Beihilfefähigkeit von Wahlleistungen I

  • EuG, 24.04.2018 - T-133/16

    Das Gericht der Europäischen Union stellt fest, dass ein und dieselbe Person

  • BVerfG, 10.01.1995 - 1 BvF 1/90

    Zweitregister

  • BVerfG, 01.12.2009 - 1 BvR 2857/07

    Adventssonntage Berlin

  • BVerfG, 31.10.1990 - 2 BvF 2/89

    Ausländerwahlrecht I

  • EuGH, 02.05.2006 - C-217/04

    Vereinigtes Königreich / Parlament und Rat - Verordnung (EG) Nr. 460/2004 -

  • BVerfG, 24.07.2018 - 2 BvR 1961/09

    Zur Gewährleistung wirkungsvollen Grundrechtsschutzes bei der Übertragung von

  • EuGH, 01.04.2004 - C-1/02

    Borgmann

  • BVerfG, 20.04.1982 - 2 BvL 26/81

    Anwaltsverschulden

  • BVerfG, 14.04.1964 - 2 BvR 69/62

    Bayerische Bereitschaftspolizei

  • BVerfG, 13.06.2017 - 2 BvE 1/15

    Die Bundesregierung hat Auskünfte zum Einsatz von V-Leuten im Zusammenhang mit

  • BVerfG, 10.03.1976 - 1 BvR 355/67

    Öffentliches Wegeeigentum

  • BVerfG, 14.01.1986 - 2 BvE 14/83

    Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste

  • BVerfG, 21.10.2014 - 2 BvE 5/11

    Informationsrecht der Bundestagsabgeordneten über Rüstungsexporte nach der

  • BVerfG, 29.10.1969 - 1 BvR 65/68

    Versagung der Kostenerstattung für das verwaltungsgerichtliche

  • BVerfG, 25.02.1960 - 1 BvR 239/52

    Bayerische Ärzteversorgung

  • BVerfG, 14.01.2015 - 1 BvR 931/12

    Regelung im thüringischen Ladenöffnungsgesetz zur Freistellung der Beschäftigten

  • EuGH, 18.12.2014 - Gutachten 2/13

    Gutachten gemäß Artikel 218 Absatz 11 AEUV - Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV

  • EuGH, 19.12.2018 - C-219/17

    Für die Prüfung, ob die Rechtmäßigkeit des EZB-Beschlusses, mit dem dem Erwerb

  • BVerfG, 18.07.2005 - 2 BvR 2236/04

    Europäischer Haftbefehl

  • BVerfG, 07.02.1961 - 2 BvR 23/61

    Verfassungsrechtliche Prüfung des Wahlrechts bezüglich der Notwendigkeit von

  • EuG, 13.12.2017 - T-712/15

    Die EZB ist befugt, eine Aufsicht über die Crédit mutuel-Gruppe durch die

  • BVerfG, 29.10.1987 - 2 BvR 624/83

    Lagerung chemischer Waffen

  • BVerfG, 07.11.1995 - 2 BvR 413/88

    'Wasserpfennig'

  • BVerfG, 07.05.2001 - 2 BvK 1/00

    Naturschutzgesetz Schleswig-Holstein

  • EuGH, 30.05.2013 - C-488/11

    Asbeek Brusse und de Man Garabito - Richtlinie 93/13/EWG - Missbräuchliche

  • BVerfG, 12.05.1987 - 2 BvR 1226/83

    Familiennachzug

  • BVerfG, 12.01.1971 - 2 BvL 2/70

    Vereinbarkeit der Kürzung des Besoldungsdienstalters Hamburger Lehrer mit

  • BVerfG, 23.02.1972 - 2 BvL 36/71

    Strafbestimmungen in Gemeindesatzungen

  • EuG, 28.02.2018 - T-641/17

    Ferri/ EZB

  • BVerfG, 17.07.1996 - 2 BvF 2/93

    Südumfahrung Stendal

  • EuGH, 31.03.1971 - 22/70

    Kommission / Rat

  • EuG, 30.11.2022 - T-698/16

    Trasta Komercbanka u.a. / EZB

  • BVerfG, 24.04.2013 - 1 BvR 1215/07

    "Antiterrordatei"

  • BVerfG, 05.05.2020 - 2 BvR 859/15

    Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig

    Das ist der Fall, wenn sie entweder Grundlage von Handlungen deutscher Staatsorgane sind (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 101) oder aus der Integrationsverantwortung folgende Handlungs- und Unterlassungspflichten deutscher Verfassungsorgane auslösen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 135, 317 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 101).

    Rechtsakte des Sekundär- und Tertiärrechts der Europäischen Union sind danach insoweit tauglicher Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde, als mit dieser eine Verletzung der Integrationsverantwortung deutscher Verfassungsorgane bei der Umsetzung dieser Rechtsakte beziehungsweise in der Folge durch das Unterlassen eines aktiven Hinwirkens auf die (Wieder-)Einhaltung des Integrationsprogramms geltend gemacht wird (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 102 f.).

    Das Bundesverfassungsgericht prüft solche Maßnahmen daraufhin, ob sie durch das Integrationsprogramm gedeckt sind oder gegen die der Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union durch das Grundgesetz sonst gezogenen Grenzen verstoßen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 101).

    In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union keine Akte öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG sind und daher im Verfahren der Verfassungsbeschwerde kein unmittelbarer Beschwerdegegenstand sein können (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 112).

    99 1. Das dem Einzelnen in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG garantierte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag erschöpft sich nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern umfasst auch dessen grundlegenden demokratischen Gehalt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 97, 350 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 115; vgl. auch BVerfGE 135, 317 ).

    Dazu gehören namentlich der in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Grundsatz der Volkssouveränität und der damit zusammenhängende Anspruch der Bürgerinnen und Bürger, nur einer öffentlichen Gewalt ausgesetzt zu sein, die sie auch legitimieren und beeinflussen können (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 115).

    Jede in Deutschland ausgeübte öffentliche Gewalt muss danach auf die Bürgerinnen und Bürger zurückführbar sein (vgl. BVerfGE 83, 37 ; 93, 37 ; 130, 76 ; 137, 185 ; 139, 194 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 117).

    Dies schließt es aus, dass diese einer politischen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 117).

    Er dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 118).

    Die demokratische Legitimation der in Deutschland ausgeübten öffentlichen Gewalt durch das Staatsvolk gehört als wesentlicher Inhalt des Grundsatzes der Volkssouveränität zu der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten und nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG auch integrationsfesten Verfassungsidentität des Grundgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 119).

    Dynamische Vertragsvorschriften müssen jedenfalls an geeignete Sicherungen zur effektiven Wahrnehmung der den Verfassungsorganen obliegenden Integrationsverantwortung geknüpft werden (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 121).

    Dem Deutschen Bundestag müssen auch bei einer Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 Abs. 1 GG eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischem Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 122).

    Daher liegt eine das Demokratieprinzip verletzende Übertragung von Hoheitsrechten jedenfalls dann vor, wenn die Festlegung von Abgaben in Art und Höhe in wesentlichem Umfang supranationalisiert und damit der Dispositionsbefugnis des Bundestages entzogen würde (vgl. BVerfGE 129, 124 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 123).

    Ihnen obliegt insoweit eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 141).

    Dieser Verpflichtung entspricht ein in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerter Anspruch der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Verfassungsorganen, dafür zu sorgen, dass die mit dem Vollzug des Integrationsprogramms verbundenen Einschränkungen ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung nicht weitergehen, als dies durch die zulässige Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union gerechtfertigt ist (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 142).

    Der Anspruch richtet sich vor allem gegen die im Bereich der auswärtigen Gewalt mit besonderen Kompetenzen ausgestatteten Verfassungsorgane Bundesregierung und Bundestag (vgl. BVerfGE 90, 286 ; 121, 135 ; 131, 152 ; 140, 160 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 143).

    Bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union haben Bundestag und Bundesregierung im Rahmen ihrer Befugnisse aktiv auf die Befolgung und Beachtung der Grenzen des Integrationsprogramms hinzuwirken (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 142).

    Dies gilt vor allem dann, wenn öffentliche Gewalt durch Stellen ausgeübt wird, die nur über eine schwache demokratische Legitimation verfügen (vgl. BVerfGE 130, 76 ; 136, 194 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 146).

    Überschreitet eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union die Grenzen des Integrationsprogramms in offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Weise, so haben sich Bundesregierung und Bundestag aktiv mit der Frage auseinanderzusetzen, wie die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeizuführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 147).

    Soweit dies jedoch nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie verpflichtet, mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung der vom Integrationsprogramm nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken sowie - solange die Maßnahmen fortwirken - geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die innerstaatlichen Auswirkungen der Maßnahmen soweit wie möglich begrenzt bleiben (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 149).

    110 b) Die Voraussetzungen der Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht sind mittlerweile geklärt (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 140 ff.).

    Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz durch das Organ, die Einrichtung oder sonstige Stelle der Europäischen Union eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. EuGH, Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, EMRK-Beitritt, Slg. 1996, I-1783 ), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 153).

    Insoweit gelten im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle die allgemeinen Grundsätze (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 152).

    Überschreitet der Gerichtshof diese Grenze, ist sein Handeln vom Mandat des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 EUV in Verbindung mit dem Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt, sodass seiner Entscheidung jedenfalls für Deutschland das gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG erforderliche Mindestmaß an demokratischer Legitimation fehlt (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 151).

    114 4. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit der Integrationsverantwortung der Verfassungsorgane schützt die Wahlberechtigten nicht nur davor, dass der Europäischen Union Hoheitsrechte entgegen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG jenseits des für eine Übertragung offenstehenden Bereichs eingeräumt werden, sondern auch davor, dass Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union umgesetzt werden, die eine entsprechende Wirkung entfalten und jedenfalls faktisch einer mit dem Grundgesetz unvereinbaren Kompetenzübertragung gleichkämen (vgl. BVerfGE 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 154).

    Die Integrationsverantwortung verpflichtet die Verfassungsorgane auch insoweit, sich schützend und fördernd vor die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen des Einzelnen zu stellen (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 154).

    Mit Blick auf das Demokratieprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG ist unter anderem sicherzustellen, dass dem Deutschen Bundestag eigene Aufgaben und Befugnisse von substantiellem politischem Gewicht verbleiben (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 142, 123 ) und dass er in der Lage bleibt, seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 131, 152 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; vgl. auch BVerfGE 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 123).

    Damit die EZB nicht entgegen dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung in gültiger Weise ein Programm beschließen und durchführen kann, das über den Bereich hinausgeht, der der Währungspolitik durch das Primärrecht zugewiesen wird, muss die Beachtung der Grenzen der Zuständigkeit der EZB in vollem Umfang gerichtlicher Kontrolle unterliegen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 134, 139, 211).

    Die Zuordnung einer Maßnahme zur Währungs- statt zur Wirtschafts- oder Fiskalpolitik berührt nicht nur die Frage der Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten; sie entscheidet zugleich über das demokratische Legitimationsniveau und die Kontrolle des entsprechenden Politikbereichs, weil die Währungspolitik dem nach Art. 130, Art. 282 AEUV unabhängigen ESZB übertragen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 9. März 2010, Kommission/Deutschland, C-518/07, Slg. 2010, I-1897, Rn. 42; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 132 ff.).

    Denn dieser Ausschuss ist Teil des zu kontrollierenden Organs und weder dazu berufen, effektiven Rechtsschutz zu gewähren noch die demokratische Legitimation des Handelns der EZB sicherzustellen (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 137, 212, 274 ff.).

  • BAG, 29.09.2020 - 9 AZR 266/20

    Wann verfallen angesammelte Urlaubstage? (EuGH-Vorlage)

    Die Rechtslage erscheint weder von vornherein eindeutig - "acte clair" - noch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt, die keinen vernünftigen Zweifel zulässt - "acte éclairé" - (vgl. hierzu EuGH 9. September 2015 - C-72/14 ua. - [van Dijk] Rn. 52 ff.; 9. September 2015 - C-160/14 - [João Filipe Ferreira da Silva e Brito ua.] Rn. 38 ff.; BVerfG 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 ua. - Rn. 315, BVerfGE 151, 202; BAG 23. Januar 2019 - 4 AZR 445/17 - Rn. 36, BAGE 165, 100) .
  • BVerfG, 13.02.2020 - 2 BvR 739/17

    Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht nichtig

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Identitätskontrolle (vgl. zuletzt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 120 ff.).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. zuletzt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 140 ff.).

    Entsprechende Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union oder der in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zu dieser stehenden zwischenstaatlichen Einrichtung ergingen notwendig ultra vires und verstießen damit gegen den Grundsatz der Volkssouveränität aus Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfGE 83, 37 ; 89, 155 ; 93, 37 ; 130, 76 ; 137, 185 ; 139, 194 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 120).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG ermöglicht ferner bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union die Ultra-vires-Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. zuletzt BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 140 ff.).

    Soweit Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Festschreibung eines unbedingten Vorrangs des Unionsrechts in Art. 20 EPGÜ gegen Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verstößt, überprüft das Bundesverfassungsgericht die in Rede stehende Maßnahme zwar grundsätzlich umfassend auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 206).

    Im Urteil zur Bankenunion hat der Senat zum Gehalt des "Rechts auf Demokratie" aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG zusammenfassend ausgeführt (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 91-94):.

    Identitätsrüge und Ultra-vires-Rüge haben insofern dieselbe verfassungsrechtliche Wurzel, nämlich den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG verankerten "Anspruch auf Demokratie" (vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 205).

    So ist Gegenstand der Ultra-vires-Kontrolle, ob das Handeln der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union und der in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zur Europäischen Union stehenden zwischenstaatlichen Einrichtungen von den im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 GG enthaltenen Vorgaben des Integrationsprogramms gedeckt ist oder die Maßnahmen aus dem vom parlamentarischen Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen ausbrechen (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ), während die Identitätskontrolle nicht die Einhaltung der Reichweite der übertragenen Zuständigkeit betrifft, sondern die "absolute Grenze" des Art. 79 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 204).

    b) Allein in diesem Zusammenhang stand bisher auch die vom Senat wiederholt betonte verfahrensmäßige Komponente der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 93).

    Der sich damit in der Praxis ergebende Anspruch auf eine allgemeine Rechtmäßigkeitskontrolle von Gesetzen kann jedoch schon deshalb nicht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleitet werden, weil diese Vorschrift - wie der Senat immer wieder ausgeführt hat - allein der Ermöglichung, nicht aber der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse dient (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 118).

    Als Grundrecht auf Mitwirkung an der demokratischen Selbstherrschaft des Volkes verleiht Art. 38 Abs. 1 GG daher grundsätzlich keine Beschwerdebefugnis gegen Parlamentsbeschlüsse, insbesondere Gesetzesbeschlüsse (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14 -, Rn. 118).

  • BVerfG, 06.12.2022 - 2 BvR 547/21

    Verfassungsbeschwerden gegen das Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz

    Diese Rüge ist mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch der Bürgerinnen und Bürger auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 153, 74 - Einheitliches Patentgericht; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB) hinreichend substantiiert.

    (1) Die Beschwerdeführer zu I. legen - auch unter Zugrundelegung der besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ultra-vires-Rüge (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB) - unter Bezugnahme auf die in der Rechtsprechung des Senats entwickelten verfassungsrechtlichen Maßstäbe die Möglichkeit hinreichend dar, dass der mit dem Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz gebilligte Eigenmittelbeschluss 2020 weder von Art. 311 Abs. 3 AEUV gedeckt noch mit Art. 125 Abs. 1 AEUV vereinbar sei und sie deshalb in ihrem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG verletze.

    Das Parlament ist daher verpflichtet, über die Übertragung von Kompetenzen im Rahmen der europäischen Integration in einem förmlichen Verfahren zu entscheiden, damit das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Letztere wird im Falle eines Ultra-vires-Aktes dadurch berührt, dass jede offensichtliche und strukturell bedeutsame Verletzung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union den Grundsatz der Volkssouveränität und damit das in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 und Art. 79 Abs. 3 GG verbürgte Recht aller Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigt, keiner Hoheitsgewalt unterworfen zu werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichen Anteilen in Freiheit zu bestimmen vermögen (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    Das Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG vermittelt den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur Schutz vor einer substantiellen Erosion der Gestaltungsmacht des Deutschen Bundestages, sondern auch ein Recht darauf, dass Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union nur die Zuständigkeiten ausüben, die ihnen nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 GG übertragen worden sind (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 332 - ERatG - eA).

    Dieses Recht wird verletzt, wenn Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union Maßnahmen treffen, die vom Integrationsprogramm nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 332 - ERatG - eA), oder wenn beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 332 - ERatG - eA).

    Der Vorrang der Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) verpflichtet die Verfassungsorgane, auch bei ihrer Mitwirkung am Vollzug des Integrationsprogramms sowie bei dessen näherer Ausgestaltung und Fortentwicklung dafür zu sorgen, dass dessen Grenzen gewahrt werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Ihnen obliegt insoweit eine dauerhafte Verantwortung für die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Diese verpflichtet sie - den grundrechtlichen Schutzpflichten nicht unähnlich -, sich dort schützend und fördernd vor die durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Rechtspositionen der Einzelnen zu stellen, wo diese nicht selbst für ihre Integrität sorgen können (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Der Verpflichtung der Verfassungsorgane entspricht daher ein in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankertes Recht der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger, dass die Verfassungsorgane dafür sorgen, dass die mit dem Vollzug des Integrationsprogramms verbundenen Einschränkungen ihres Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung nicht weitergehen, als dies durch die zulässige Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Für den Bundestag ergibt sich aus Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG daher nicht nur das Recht, in Angelegenheiten der Europäischen Union mitzuwirken (vgl. BVerfGE 131, 152 ; 132, 195 ; 135, 317 <402 f. Rn. 166, 420 Rn. 213, 428 Rn. 232 f.>; 157, 1 - CETA-Organstreit I), sondern auch die Pflicht, dieses Recht im Rahmen seiner Integrationsverantwortung effektiv wahrzunehmen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 1 - CETA-Organstreit I; 158, 89 - PSPP - Vollstreckungsanordnung).

    Nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG muss jede in Deutschland ausgeübte öffentliche Gewalt auf seine Bürgerinnen und Bürger zurückführbar sein (vgl. BVerfGE 83, 37 ; 93, 37 ; 130, 76 ; 137, 185 ; 139, 194 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    Der Grundsatz der Volkssouveränität schließt es aus, dass Bürgerinnen und Bürger einer öffentlichen Gewalt unterworfen werden, der sie nicht ausweichen können und die sie nicht prinzipiell personell und sachlich zu gleichem Anteil in Freiheit zu bestimmen vermögen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    a) Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG schützt insoweit auch vor einer eigenmächtigen Inanspruchnahme hoheitlicher Befugnisse durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    c) Das Bundesverfassungsgericht prüft die Einhaltung des im Zustimmungsgesetz zu den europäischen Verträgen niedergelegten Integrationsprogramms im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB) und trägt so zur Sicherstellung eines hinreichenden demokratischen Legitimationsniveaus bei dessen Vollzug und damit der Rahmenbedingungen für das Unionsrecht und seinen Anwendungsvorrang (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 158, 210 - Einheitliches Patentgericht II - eA) sowie zur Gewährleistung des Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit bei.

    aa) Eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union liegt offensichtlich außerhalb der übertragenen Kompetenzen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB), wenn sich die Kompetenz - bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards - unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Insoweit gelten bei der Ultra-vires-Kontrolle die allgemeinen Grundsätze (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; stRspr).

    Davon ist auszugehen, wenn die Inanspruchnahme der Kompetenz eine Vertragsänderung nach Art. 48 EUV oder die Inanspruchnahme einer Evolutivklausel erforderte (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 <90 Rn. 110 - PSPP-Programm der EZB; vgl. auch EuGH, Gutachten 2/94 vom 28. März 1996, EMRK-Beitritt, Slg. 1996, I-1783 ), für Deutschland also ein Tätigwerden des Gesetzgebers, sei es nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG, sei es nach Maßgabe des Integrationsverantwortungsgesetzes (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    Das Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 und Art. 79 Abs. 3 GG wird ferner verletzt, wenn Maßnahmen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union die Grenze der durch Art. 79 Abs. 3 GG (i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG) für unantastbar erklärten Grundsätze des Art. 20 GG berühren, namentlich wenn durch sie die Gestaltungsmacht des Bundestages substantiell eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 332 - ERatG - eA).

    a) Das Budgetrecht des Deutschen Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 157, 332 - ERatG - eA) und dessen haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 332 - ERatG - eA).

    Es gehört zum änderungsfesten Kern von Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, dass der Bundestag dem Volk gegenüber verantwortlich über alle wesentlichen Einnahmen und Ausgaben entscheidet (vgl. BVerfGE 70, 324 ; 79, 311 ; 129, 124 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 332 - ERatG - eA), über die Summe der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger und über wesentliche Ausgaben des Staates befindet (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 332 - ERatG - eA; stRspr).

    Vor diesem Hintergrund liegt eine Verletzung des Demokratieprinzips vor, wenn die Festlegung von Abgaben in Art und Höhe in wesentlichem Umfang supranationalisiert und damit der Dispositionsbefugnis des Bundestages entzogen würde (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 332 - ERatG - eA).

    b) Die Wahrung der von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsätze prüft das Bundesverfassungsgericht auch in Ansehung von Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union im Rahmen der Identitätskontrolle (vgl. BVerfGE 140, 317 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    a) An einem Ultra-vires-Akt von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union oder einer Maßnahme, die die Identität des Grundgesetzes berührt, dürfen die Verfassungsorgane nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 1 - CETA-Organstreit I).

    Sie müssen ihnen entgegentreten (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 1 - CETA-Organstreit I), sich aktiv mit der Frage auseinandersetzen, wie die Integrität der Verfassungsordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber treffen, welche Wege dafür beschritten werden sollen (vgl. BVerfGE 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 1 - CETA-Organstreit I).

    b) Im Übrigen verfügen die Verfassungsorgane insoweit über einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum; vorhandene Risiken müssen sie erwägen und politisch verantworten (vgl. BVerfGE 125, 39 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 1 - CETA-Organstreit I; 158, 89 - PSPP - Vollstreckungsanordnung).

    aa) Zur Einhaltung des Integrationsprogramms können sie Ultra-vires-Akte von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union nachträglich legitimieren, indem sie eine - die Grenzen von Art. 79 Abs. 3 GG wahrende - Änderung des Primärrechts anstoßen und die in Anspruch genommenen Hoheitsrechte im Verfahren nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG förmlich übertragen (vgl. BVerfGE 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 1 - CETA-Organstreit I; 158, 89 - PSPP - Vollstreckungsanordnung).

    Soweit dies nicht möglich oder nicht gewollt ist, sind sie dagegen grundsätzlich verpflichtet, im Rahmen ihrer Kompetenzen mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung der vom Integrationsprogramm nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken sowie - solange diese fortwirken - geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen, dass ihre innerstaatlichen Auswirkungen so weit wie möglich begrenzt bleiben (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 1 - CETA-Organstreit I; 158, 89 - PSPP - Vollstreckungsanordnung).

    bb) Eine Verletzung der unter anderem aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG abgeleiteten Integrationsverantwortung liegt - ähnlich wie eine Verletzung (anderer) grundrechtlicher Schutzpflichten - allerdings erst dann vor, wenn es an jeglichen Schutzvorkehrungen fehlt, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzureichend sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 1 - CETA-Organstreit I; 158, 89 - PSPP - Vollstreckungsanordnung).

    Daher ermächtigt etwa Art. 114 Abs. 1 AEUV die Europäische Union nicht zur Erhebung von Steuern und steuerähnlichen Abgaben wie Sonderabgaben oder Beiträgen (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Insoweit bedarf die Zuweisung aller Eigenmittel an die Europäische Union nicht nur eines einstimmigen Beschlusses des Rates, sondern auch einer vorgängigen Billigung der Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gerichtshof die in Rede stehenden Einzelermächtigungen in Art. 122 und Art. 311 Abs. 2 und Abs. 3 AEUV im Ergebnis enger auslegen würde als das Bundesverfassungsgericht, sodass die Verfassungsbeschwerden auch im Falle einer Vorlage erfolglos blieben (vgl. BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    Dabei trägt die von ihr hierfür vorgetragene Begründung meines Erachtens dem vom Senat angemahnten Maßstab, dass die Offensichtlichkeit einer Kompetenzüberschreitung auf der Grundlage einer "sorgfältigen und detailliert begründeten Auslegung" nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen ist (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; stRspr), weder mit Blick auf Art. 311 Abs. 2 AEUV (aa), noch bezogen auf Art. 122 AEUV Rechnung (bb).

    Daher hilft auch der Hinweis auf das Urteil vom 30. Juli 2019 (BVerfGE 151, 202 - Europäische Bankenunion) nicht weiter.

    Offensichtlich außerhalb der übertragenen Kompetenzen liegt eine Maßnahme von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, wenn sich eine Kompetenz bei Anwendung allgemeiner methodischer Standards unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründen lässt (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion).

  • BVerfG, 06.11.2019 - 1 BvR 276/17

    Recht auf Vergessen II - BVerfG prüft innerstaatliche Anwendung unionsrechtlich

    Die weiteren Vorbehalte der Ultra-vires-Kontrolle und der Wahrung der Verfassungsidentität (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 120 ff.) werden durch das vorliegende Verfahren nicht berührt.

    Für die Mitwirkung der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union tragen alle Staatsorgane auch in diesem Sinne Integrationsverantwortung (vgl. dazu auch BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 30. Juli 2019 - 2 BvR 1685/14 u.a. -, Rn. 141 ff.).

  • ArbG Emden, 24.09.2020 - 2 Ca 144/20

    Klage auf die Vergütung von Überstunden; Anspruch auf eine Überstundenvergütung

    Die vom BVerfG aufgestellten Voraussetzungen für eine "ultra-vires-Kontrolle" liegen nicht vor (vgl. zu diesen BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16.07.2020 - 2 BvR 2211/18 , Juris Rn. 5; BVerfG, Urteil vom 05.05.2020 - 2 BvR 859/15, 2 BvR 1651/15, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 980/16, Juris Rn. 110 ff.; Urteil vom 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Juris Rn. 151 ff.).

    Das Bundesverfassungsgericht führt in seinem Urteil vom 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14, 2 BvR 2631/14, Juris Rn. 151 ff., insbesondere aus:.

  • BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen die vorläufige Anwendung

    Es handelt sich dabei um einen Akt deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 151, 202 ).

    (1) Als grundrechtsgleiches Recht gewährleistet das durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag die politische Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und garantiert ihnen eine freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ).

    Das Wahlrecht erschöpft sich nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern vermittelt dem Einzelnen einen Anspruch darauf, mit seiner Wahlentscheidung Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen und etwas bewirken zu können (vgl. BVerfGE 151, 202 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über die Sicherung des durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich nicht allein ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Darüber hinaus gewährt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG den Wahlberechtigten gegenüber Bundesregierung, Bundestag und gegebenenfalls dem Bundesrat einen Anspruch darauf, dass diese in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung über die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union wachen, am Zustandekommen und an der Umsetzung von Maßnahmen, die die Grenzen des Integrationsprogramms überschreiten, nicht mitwirken und bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen aktiv auf seine Befolgung und die Beachtung seiner Grenzen hinwirken (vgl. BVerfGE 151, 202 ; 153, 74 ).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. zur Ultra-vires-Rüge BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

    Sie setzen sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben und deren Bedeutung für den vorliegenden Fall auseinander und erfüllen dadurch auch die besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ultra-vires-Rüge (vgl. dazu BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Bei seinem Verhandlungs- und Abstimmungsverhalten unterliegt der deutsche Vertreter im Rat grundgesetzlichen Bindungen (vgl. BVerfGE 92, 203 ; 135, 317 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Aus dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf demokratische Selbstbestimmung folgt vielmehr ein entsprechender Anspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sie in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung, vor offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen und/oder Berührungen der grundgesetzlichen Verfassungsidentität durch Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union zu schützen (vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83, 188 Rn. 121, 198 ff. Rn. 143 ff.>; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Die demokratische Legitimation und Kontrolle derartiger Beschlüsse erscheint mit Blick auf Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG zweifelhaft (vgl. BVerfGE 143, 65 ; 151, 202 ).

  • BVerfG, 08.11.2022 - 2 BvR 2480/10

    Verfassungsbeschwerden betreffend das Rechtsschutzsystem des Europäischen

    a) Nach der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Senats ist eine unmittelbare Anfechtung von Maßnahmen der Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union mit der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    Sie können jedoch als Vorfrage Gegenstand einer rechtlichen Überprüfung sein, soweit vor dem Bundesverfassungsgericht zulässigerweise geltend gemacht werden kann, dass sie das Integrationsprogramm der Europäischen Union überschreiten, das vom Integrationsgesetzgeber zu gewährleistende, vom Grundgesetz geforderte Minimum an Grundrechtsschutz verletzen und die deutschen Verfassungsorgane aufgrund ihrer aus der Integrationsverantwortung folgenden Handlungs- und Unterlassungspflichten gehalten sind, dem entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    In welchem Umfang dies geschieht, bemisst sich grundsätzlich nach dem jeweiligen Integrations- und Zustimmungsgesetz zu dem in Rede stehenden Vertrag (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; 149, 346 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion).

    aa) Die Grundrechte sind nicht nur Abwehrrechte gegen den Staat, sondern enthalten zugleich objektive Wertentscheidungen, aus denen sich zugleich eine Pflicht des Staates und seiner Organe ergibt, sich dort schützend und fördernd vor die Integrität der grundrechtlich geschützten Interessen zu stellen, wo der Einzelne nicht selbst für deren Integrität sorgen kann (vgl. BVerfGE 92, 26 ; 115, 118 ; 125, 39 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

    Ihnen kommt insoweit ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 125, 39 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB; 157, 1 - CETA-Organstreit I; 158, 89 - PSPP - Vollstreckungsanordnung).

    Bestehende Risiken sind in die Erwägungen einzubeziehen und politisch zu verantworten (vgl. BVerfGE 4, 157 ; 40, 141 ; 53, 164 ; 55, 349 ; 66, 39 ; 68, 1 ; 84, 90 ; 94, 12 ; 95, 39 ; 121, 135 ; 142, 123 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 1 - CETA-Organstreit I).

    Eine Verletzung grundrechtlicher Schutzpflichten liegt allerdings erst dann vor, wenn überhaupt keine Schutzvorkehrungen getroffen werden, die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfGE 77, 170 ; 85, 191 ; 88, 203 ; 92, 26 ; 125, 39 ; 142, 123 ; 142, 313 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 157, 1 - CETA-Organstreit I; 157, 30 - Klimaschutz).

    Sie sind verpflichtet, im Rahmen ihrer Kompetenzen mit rechtlichen oder politischen Mitteln auf die Aufhebung von durch die Verträge nicht gedeckten Maßnahmen hinzuwirken und - solange diese fortwirken - geeignete Vorkehrungen zu treffen, die deren innerstaatliche Auswirkungen so weit wie möglich begrenzen (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 149, 346 ; 151, 202 - Europäische Bankenunion; 153, 74 - Einheitliches Patentgericht; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB).

  • BVerfG, 15.04.2021 - 2 BvR 547/21

    Eilantrag zur Ausfertigung des Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetzes

    aa) Das Recht auf demokratische Selbstbestimmung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 79 Abs. 3 GG vermittelt den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur Schutz vor einer substantiellen Erosion der Gestaltungsmacht des Deutschen Bundestages, sondern auch ein Recht darauf, dass Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union nur die Zuständigkeiten ausüben, die ihnen nach Maßgabe des Art. 23 GG übertragen worden sind (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ).

    Dieses Recht wird verletzt, wenn beim Vollzug des Integrationsprogramms die Grenzen des Art. 79 Abs. 3 GG nicht beachtet werden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 126, 286 ; 133, 277 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ) oder Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union Maßnahmen treffen, die zwar die demokratischen Grundsätze als solche nicht in Frage stellen, vom Integrationsprogramm jedoch nicht gedeckt sind (vgl. BVerfGE 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Identitätskontrolle (vgl. BVerfGE 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Maßnahmen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Europäischen Union können die Grenze der durch Art. 79 Abs. 3 GG (i.V.m. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG) für unantastbar erklärten Grundsätze des Art. 20 GG insbesondere berühren, wenn durch sie die Gestaltungsmacht des Bundestages substantiell eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 151, 202 ; 154, 17 ).

    Das Budgetrecht des Deutschen Bundestages (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ) und seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung sind als unverfügbarer Teil des grundgesetzlichen Demokratieprinzips durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG geschützt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Danach gehört es zum änderungsfesten Kern von Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG, dass der Bundestag dem Volk gegenüber verantwortlich über alle wesentlichen Einnahmen und Ausgaben entscheidet (vgl. BVerfGE 70, 324 ; 79, 311 ; 129, 124 ; 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Er muss über die Summe der Belastungen der Bürgerinnen und Bürger und über wesentliche Ausgaben des Staates befinden (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 151, 202 ).

    Vor diesem Hintergrund liegt eine Verletzung des Demokratieprinzips vor, wenn die Festlegung von Abgaben in Art und Höhe in wesentlichem Umfang supranationalisiert und damit der Dispositionsbefugnis des Bundestages entzogen würde (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. BVerfGE 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Sie müssten dem weiteren Vollzug des Eigenmittelbeschlusses 2020 entgegentreten, Vorstöße zu dessen gebotener Aufhebung oder Anpassung unternehmen - auch wenn dies der Zustimmung aller anderen Mitgliedstaaten bedürfte - und Maßnahmen ergreifen, um seine innerstaatlichen Auswirkungen so weit wie möglich zu begrenzen (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

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