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   BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05   

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BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05 (https://dejure.org/2006,924)
BVerfG, Entscheidung vom 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05 (https://dejure.org/2006,924)
BVerfG, Entscheidung vom 01. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 (https://dejure.org/2006,924)
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Volltextveröffentlichungen (10)

  • HRR Strafrecht

    Art. 2 Abs. 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 104 GG; § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO
    Freiheit der Person; Widerruf der Aussetzung eines Haftbefehls (neue Umstände; wesentlicher Punkt; hohe Straferwartung; Strafantrag der Staatsanwaltschaft; Urteil nach Haftverschonung; nachvollziehbare Feststellungen zur Straferwartung des Beschuldigten; Prognose; ...

  • lexetius.com
  • openjur.de
  • Bundesverfassungsgericht

    Verkennung der Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts aus GG Art 2 Abs 2 S 2 iVm Art 104 Abs 1 S 1 durch Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses ohne ausreichende Darlegung der Voraussetzungen der StPO § 116 Abs 4 Nr 3

  • Wolters Kluwer

    Verfassungsbeschwerde wegen Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses; Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung; Verletzung der Freiheit der Person durch freiheitbeschränkende Gesetze; Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze; ...

  • Judicialis

    GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2; ; GG Art. 3 Abs. 1; ; GG Art. 104 Abs. 1 Satz 1; ; StPO § 116 Abs. 4 Nr. 3

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
  • rechtsportal.de
  • datenbank.nwb.de
  • juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)

Kurzfassungen/Presse (4)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Invollzugsetzung des Haftbefehls gegen El Motassadeq muss überprüft werden

  • jurawelt.com (Pressemitteilung)

    Invollzugsetzung des Haftbefehls gegen El Motassadeq muss überprüft werden

  • focus.de (Pressemeldung, 07.02.2006)

    Terror-Verdächtiger - Motassadeq aus U-Haft entlassen

  • sueddeutsche.de (Pressemeldung, 07.02.2006)

    Terrorprozess - Haftbefehl für Motassadeq ausgesetzt

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Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • BVerfGK 7, 239
  • NJW 2006, 1787 (Ls.)
  • NStZ 2007, 84
  • StV 2006, 139
 
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Wird zitiert von ... (33)Neu Zitiert selbst (24)

  • OLG Frankfurt, 03.06.2004 - 1 Ws 46/04
    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Ein gesteigerter Fluchtanreiz, der die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls erfordere, könne vielmehr im Allgemeinen nur dann bejaht werden, wenn die verhängte Strafe deutlich über der vom Angeklagten zu erwartenden liege, und der Haftbefehl daher schon nicht außer Vollzug gesetzt worden wäre, wenn das Haftgericht von vornherein eine Strafe in dieser Höhe in Betracht gezogen hätte (vgl. OLG Koblenz, StraFo 1999, S. 322 f.; OLGSt, § 116 StPO Nr. 4; OLG Düsseldorf, StV 2000, S. 211 mit Anmerkung Hagmann; StraFo 2002, S. 142 ; OLG Hamm, StV 2003, S. 512 f.; OLG Frankfurt, StV 1998, S. 31; StV 2004, S. 493).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, ; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116, Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

    "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen.

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - m.w.N. ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    Wie bereits zuvor das Oberlandesgericht hat auch der Bundesgerichtshof nicht berücksichtigt, dass angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für einen Widerruf der Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände grundsätzlich sehr hoch anzusetzen ist, und dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen, namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen.

    Der Bundesgerichtshof hat dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer dem Verfahren in Kenntnis der von der Bundesanwaltschaft im Schlussantrag vom 9. August 2005 geforderten Verhängung einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren weiterhin gestellt und den erteilten Auflagen beanstandungsfrei nachgekommen ist, zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen, obwohl dies nach den von ihm selbst bei der Maßstabsbildung zugrunde gelegten Entscheidungen der Fachgerichte (vgl. nur OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) geboten gewesen wäre.

  • OLG Hamm, 27.12.2002 - 2 Ws 474/02

    Haftbeschwerde, Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls, Abwägung sämlticher

    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Ein gesteigerter Fluchtanreiz, der die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls erfordere, könne vielmehr im Allgemeinen nur dann bejaht werden, wenn die verhängte Strafe deutlich über der vom Angeklagten zu erwartenden liege, und der Haftbefehl daher schon nicht außer Vollzug gesetzt worden wäre, wenn das Haftgericht von vornherein eine Strafe in dieser Höhe in Betracht gezogen hätte (vgl. OLG Koblenz, StraFo 1999, S. 322 f.; OLGSt, § 116 StPO Nr. 4; OLG Düsseldorf, StV 2000, S. 211 mit Anmerkung Hagmann; StraFo 2002, S. 142 ; OLG Hamm, StV 2003, S. 512 f.; OLG Frankfurt, StV 1998, S. 31; StV 2004, S. 493).

    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

    Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    Selbst der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrags der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, sofern ihm die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

    Er hat damit für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dennoch für das Verfahren zur Verfügung hielt (vgl. insoweit auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 zu einer vergleichbaren Konstellation).

    Allein der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, wenn ihm - wie hier - die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

    Der Bundesgerichtshof hat dem Umstand, dass sich der Beschwerdeführer dem Verfahren in Kenntnis der von der Bundesanwaltschaft im Schlussantrag vom 9. August 2005 geforderten Verhängung einer Freiheitsstrafe von 15 Jahren weiterhin gestellt und den erteilten Auflagen beanstandungsfrei nachgekommen ist, zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen, obwohl dies nach den von ihm selbst bei der Maßstabsbildung zugrunde gelegten Entscheidungen der Fachgerichte (vgl. nur OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) geboten gewesen wäre.

  • KG, 27.03.1998 - 4 Ws 61/98
    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ).

    Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen.

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - m.w.N. ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    Wie bereits zuvor das Oberlandesgericht hat auch der Bundesgerichtshof nicht berücksichtigt, dass angesichts der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für einen Widerruf der Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände grundsätzlich sehr hoch anzusetzen ist, und dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen, namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen.

  • OLG Frankfurt, 06.11.2000 - 1 Ws 139/00
    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Denn das Gericht ist an seine Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144 ).

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - m.w.N. ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrundegelegte dringende Tatverdacht auf Grund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

  • OLG Düsseldorf, 08.11.2001 - 4 Ws 544/01

    Unzulässige Wiederinvollzugsetzung eines Haftbefehls ; Anforderungen an den

    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Ein gesteigerter Fluchtanreiz, der die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls erfordere, könne vielmehr im Allgemeinen nur dann bejaht werden, wenn die verhängte Strafe deutlich über der vom Angeklagten zu erwartenden liege, und der Haftbefehl daher schon nicht außer Vollzug gesetzt worden wäre, wenn das Haftgericht von vornherein eine Strafe in dieser Höhe in Betracht gezogen hätte (vgl. OLG Koblenz, StraFo 1999, S. 322 f.; OLGSt, § 116 StPO Nr. 4; OLG Düsseldorf, StV 2000, S. 211 mit Anmerkung Hagmann; StraFo 2002, S. 142 ; OLG Hamm, StV 2003, S. 512 f.; OLG Frankfurt, StV 1998, S. 31; StV 2004, S. 493).

    Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - m.w.N. ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

  • OLG Düsseldorf, 27.09.1999 - 4 Ws 250/99

    Vollzug eines ausser Vollzug gesetzten Haftbefehls wegen Fluchtgefahr

    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Ein gesteigerter Fluchtanreiz, der die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls erfordere, könne vielmehr im Allgemeinen nur dann bejaht werden, wenn die verhängte Strafe deutlich über der vom Angeklagten zu erwartenden liege, und der Haftbefehl daher schon nicht außer Vollzug gesetzt worden wäre, wenn das Haftgericht von vornherein eine Strafe in dieser Höhe in Betracht gezogen hätte (vgl. OLG Koblenz, StraFo 1999, S. 322 f.; OLGSt, § 116 StPO Nr. 4; OLG Düsseldorf, StV 2000, S. 211 mit Anmerkung Hagmann; StraFo 2002, S. 142 ; OLG Hamm, StV 2003, S. 512 f.; OLG Frankfurt, StV 1998, S. 31; StV 2004, S. 493).

    "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    Bloße Mutmaßungen können insoweit nicht genügen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211 ).

  • BVerfG, 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00

    Richtervorbehalt

    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang (vgl. BVerfGE 10, 302 ; 58, 208 ; 105, 239 ).

    Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfGE 10, 302 ; 29, 183 ; 58, 208 ; 105, 239 ).

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ).

    Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.).

  • BGH, 16.09.2004 - 4 StR 84/04

    Verbotene Vernehmungsmethoden (Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme:

    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, so liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 - ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280) ausdrücklich festgestellt, dass die mögliche Verurteilung als solche oder auch die Höhe der zu erwartenden Strafe nicht als neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung des Angeklagten rechtfertigen, wenn schon bei der Aussetzungsentscheidung von der Möglichkeit der Verurteilung ausgegangen und für den Fall des Schuldnachweises mit einer erheblichen Freiheitsstrafe gerechnet worden war.

  • BVerfG, 26.10.2005 - 2 BvR 1618/05

    Freiheit der Person; Beschwerde gegen Haftbefehl (Bindung des Gerichtes der

    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 ; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116, Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116, Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116, Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, ; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116, Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

    Denn mit der Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls hat der Beschuldigte eine Vergünstigung erlangt, die ihm nur noch unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO entzogen werden darf (vgl. Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, ).

  • BVerfG, 29.11.1983 - 2 BvR 704/83

    Verfassungsmäßigkeit - Mündel - Willkürverbot - Absehen von weiterer mündlicher

    Auszug aus BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05
    Verstöße gegen die durch Art. 104 GG gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheitsbeschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (BVerfGE 10, 302 ; 58, 208 ; 65, 317 ).

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ).

    Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.).

  • BVerfG, 07.10.1981 - 2 BvR 1194/80

    Baden-Württembergisches Unterbringungsgesetz

  • BVerfG, 10.02.1960 - 1 BvR 526/53

    Vormundschaft

  • OLG Düsseldorf, 29.02.1988 - 3 Ws 142/88
  • BVerfG, 10.06.1997 - 2 BvR 1516/96

    DDR-Botschafter

  • OLG Frankfurt, 07.11.1997 - 1 Ws 161/97
  • OLG Koblenz, 30.06.1999 - 2 Ws 392/99
  • BVerfG, 15.12.1965 - 1 BvR 513/65

    Wenneker - Haftverschonung beim Haftgrund der Schwerkriminalität

  • OLG München, 27.07.1977 - 1 Ws 852/77
  • KG, 21.11.2001 - 3 Ws 609/01
  • BVerfG, 13.10.1970 - 1 BvR 226/70

    Rücklieferung

  • OLG Düsseldorf, 24.05.1993 - 1 Ws 456/93
  • BGH, 04.03.2004 - 3 StR 218/03

    Verurteilung El Motassadeqs vom BGH aufgehoben

  • BGH, 28.10.2005 - 2 StE 4/02

    Begründung des Haftfortdauerbeschlusses; Invollzugsetzung eines Haftbefehls bei

  • KG, 14.10.1996 - 4 Ws 168/96
  • BVerfG, 17.12.2020 - 2 BvR 1787/20

    Neuerlass und Vollzug eines Haftbefehls nach Anklageerhebung

    d) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Insbesondere bei der Auslegung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO, nach dem der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls nur in Betracht kommt, wenn neu hinzugetretene Tatsachen die Verhaftung erforderlich machen, sind strenge Maßstäbe anzusetzen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls kommt nur in Betracht, wenn - auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene - schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Verschonung veranlasst hätten (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Entscheidend ist, ob durch die neu hinzugetretenen Tatsachen die Vertrauensgrundlage für die Aussetzungsentscheidung entfallen ist (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. BVerfGK 7, 239 ), insbesondere wenn der Beschuldigte das in ihn gesetzte Vertrauen durch die strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen rechtfertigte (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    f) Die neu hervorgetretenen Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Nicht herangezogen werden dürfen Umstände des Verdachtsgrades, denn der dringende Tatverdacht ist bereits Grundvoraussetzung für den Erlass und die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Es ist somit ohne Belang, ob sich der dringende Tatverdacht verstärkt hat (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder nach einer Beweisaufnahme der Tatvorwurf zur Überzeugung des Gerichts feststeht, wenngleich zu sehen ist, dass sich mit der Verurteilung das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs grundsätzlich vergrößert (vgl. BVerfGK 5, 109 ; 7, 140 ).

    Das gilt insbesondere dann, wenn neu hervorgetretene Umstände den Fluchtanreiz des Beschuldigten stärken, etwa, weil dieser unerwartet streng verurteilt wurde (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder im Ermittlungsverfahren neue Taten hinzugetreten sind.

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung in Betracht kommen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Die Gerichte haben es schon versäumt, sich tragfähig damit auseinanderzusetzen, inwiefern die neue Schadensberechnung und das Hinzutreten weiterer Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und der Steuerhinterziehung im konkreten Fall zu einer im Vergleich zu der Entscheidungsgrundlage des Amtsgerichts so wesentlichen, für den Beschwerdeführer nachteiligen Abweichung der Straferwartung geführt haben, dass das Amtsgericht, hätte es diese Umstände im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, keine Verschonung gewährt hätte (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Dass die Gerichte diesem Umstand nun größeres Gewicht zumessen als das Amtsgericht, ist letztlich nur eine neue Beurteilung und Bewertung schon bekannter Umstände, die keine Rechtfertigung einer erneuten Inhaftierung sein kann (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    cc) Auch die - privaten und beruflichen - Auslandskontakte des Beschwerdeführers waren Grundlage des Verschonungsbeschlusses und können daher für sich genommen die erneute Inhaftierung des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Die Anklageerhebung als solche genügt für eine erneute Inhaftierung grundsätzlich nicht, denn die Konkretisierung der Tatvorwürfe in einer Anklageschrift betrifft die - für § 116 Abs. 4 StPO grundsätzlich unerhebliche - Ebene des Verdachtsgrades und nicht die Ebene des Haftgrundes (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

  • BVerfG, 08.07.2021 - 2 BvR 575/21

    Invollzugsetzung eines Haftbefehls anlässlich neu hinzugetretener Tatvorwürfe

    d) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Insbesondere bei der Auslegung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO, nach dem der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls nur in Betracht kommt, wenn neu hinzugetretene Tatsachen die Verhaftung erforderlich machen, sind strenge Maßstäbe anzusetzen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls kommt nur in Betracht, wenn - auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene - schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Verschonung veranlasst hätten (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Entscheidend ist, ob durch die neu hinzugetretenen Tatsachen die Vertrauensgrundlage für die Aussetzungsentscheidung entfallen ist (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 50).

    Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 51).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Beschuldigte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. BVerfGK 7, 239 ), insbesondere wenn er das in ihn gesetzte Vertrauen durch die strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen gerechtfertigt hat (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    f) Die neu hervorgetretenen Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Nicht herangezogen werden dürfen Umstände des Verdachtsgrades, denn der dringende Tatverdacht ist bereits Grundvoraussetzung für den Erlass und die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 52).

    Es ist somit ohne Belang, ob sich der dringende Tatverdacht verstärkt hat (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder nach einer Beweisaufnahme der Tatvorwurf zur Überzeugung des Gerichts feststeht, wenngleich zu sehen ist, dass sich mit der Verurteilung das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs grundsätzlich vergrößert (vgl. BVerfGK 5, 109 ; 7, 140 ).

    Das gilt insbesondere dann, wenn neu hervorgetretene Umstände den Fluchtanreiz des Beschuldigten stärken, etwa, weil dieser unerwartet streng verurteilt wurde (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder im Ermittlungsverfahren neue Taten hinzugetreten sind.

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung in Betracht kommen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 54).

  • BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07

    Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses wegen neu hervorgetretener Umstände

    b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 ; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 15).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 16; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 18).

    Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 22).

    Mit der Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer daher für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision unter allen Umständen zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 31).

    Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 32).

    Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - Abs.-Nr. 14 ff. nochmals dargelegten Maßstabes erneut zu entscheiden.

  • BVerfG, 29.11.2006 - 2 BvR 2342/06

    Freiheit der Person; Untersuchungshaft; Haftverschonungsbeschlusses (mittelbarer

    b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 ; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 - ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ).

    Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ).

    Mit seiner Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ).

    Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ).

    Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und hier nochmals dargelegten Maßstabes (vgl. oben unter B. I. 1. bis 4.) erneut zu entscheiden.

  • BVerfG, 11.06.2012 - 2 BvR 720/12

    Freiheit der Person (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Untersuchungshaft;

    Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-) Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. BVerfGK 7, 239 ; m.w.N.).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

  • BVerfG, 11.07.2012 - 2 BvR 1092/12

    Freiheit der Person (Untersuchungshaft; Fluchtgefahr; Außervollzugsetzung eines

    Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-) Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. BVerfGK 7, 239 m.w.N.).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen könnte (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

  • BVerfG, 27.09.2012 - 2 BvR 1874/12

    Freiheit der Person (Untersuchungshaft; Fluchtgefahr; Außervollzugsetzung eines

    1. Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen könnten (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

  • OLG Zweibrücken, 30.11.2022 - 1 Ws 243/22

    Rechtmäßigkeit einer erneuten Untersuchungshaft bei zuvor als unverhältnismäßig

    Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung geändert haben, gehört zu den bedeutsamsten Verfahrensgarantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (BVerfG, Beschlüsse vom 17.12.2020 - 2 BvR 1787/20, juris Rn. 49; vom 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05, BVerfGK 7, 239, juris Rn. 25).

    (2) "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Aufhebung des früheren Haftbefehls bekannt geworden Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Aufhebungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass eine Aufhebung nicht erfolgt wäre, wären sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen; maßgeblich ist, ob durch diese Umstände die Vertrauensgrundlage der Aufhebungsentscheidung erschüttert ist (BVerfG, Beschluss vom 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05, BVerfGK 7, 239, juris Rn. 27; OLG Braunschweig, Beschluss vom 26.09.2016 - 1 Ws 246/16, juris Rn. 26).

    Das Gericht ist deshalb an seine Beurteilung der Umstände, auf denen die Aufhebung beruht, grundsätzlich gebunden (BVerfG, Beschlüsse vom 17.12.2020 - 2 BvR 1787/20, juris Rn. 51; vom 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05, BVerfGK 7, 239, juris Rn. 28; jeweils mwN).

  • OLG Hamm, 07.08.2012 - 2 Ws 252/12

    Haftbefehl. Wiederinvollzugsetzung, Gründe

    So ist anerkannt, dass im Falle der Aufhebung eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls und dem Erlass eines zu vollziehenden neuen Haftbefehls wegen derselben Tat die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO im Rahmen des Antrags auf erneute Außervollzugsetzung als Prüfungsmaßstab zugrunde zu legen sind, weil sich die maßgebliche und mit der früheren Aussetzungsentscheidung geschaffene Vertrauenslage in einem solchen Fall nicht geändert hat (vgl. BVerfG StraFo 2006, 108; OLG Karlsruhe, wistra 2005, 316; KK-Graf, StPO, 6. Aufl., § 116 Rdnr. 34).

    Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt (vgl. Beschlüsse vom 15. August 2007 - 2 BvR 1485/07 - in StV 2008, 29, vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - in StV 2007, 84 = StraFo 2007, 19 und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 - in StV 2006, 139 = StraFo 2006, 108) ausgeführt, dass ein nach einer Haftverschonung ergangenes Urteil im Einzelfall zwar geeignet sein könne, den Widerruf einer Haftverschonung bzw. die Invollzugsetzung eines Haftbefehls nach § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO zu rechtfertigen.

  • OLG Rostock, 17.09.2009 - I Ws 269/09

    Untersuchungshaft: Beachtlichkeit der Gründe für eine erneute Invollzugsetzung

    Gleichwohl kommt der eng auszulegenden Ausnahmeregelung des § 116 Abs. 4 StPO (vgl. auch BVerfG, StV 2006, 139: § 116 Abs. 4 StPO hat "Ausschließlichkeitscharakter") auch im vorliegenden Beschwerdeverfahren Bedeutung zu, denn auch darin geht es faktisch um die Frage, ob der gegen den bereits seit dem 19.08.2009 von der weiteren Untersuchungshaft verschonten Angeklagten bestehende Haftbefehl jetzt wieder in Vollzug zu setzen ist.

    Eine lediglich andere Beurteilung bei im Übrigen gleich bleibenden Umständen kann einen Widerruf hingegen nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2007, 379 = StV 2008, 25 sowie Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; L-R Hilger a.a.O.; Münchhalffen/Gatzweiler, Das Recht der Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2009, Rdz. 333).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 , 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - und vom 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07, NStZ-RR 2007, 379 = StV 2008, 25).

  • OLG Bremen, 01.03.2013 - Ws 5/13

    Die Anordnung der Untersuchungshaft bei einem Jugendlichen

  • OLG Celle, 08.04.2019 - 3 Ws 102/19

    Voraussetzungen bei Fluchtgefahr wie bei dringendem Tatverdacht

  • OLG Hamm, 21.09.2023 - 5 Ws 199/23

    Haftbefehl; Außervollzugsetzung

  • VerfGH Sachsen, 01.06.2006 - 47-IV-06
  • OLG Stuttgart, 25.08.2008 - 1 Ws 254/08

    Untersuchungshaftbefehl: Voraussetzungen der sofortigen Wiederinvollzugsetzung

  • OLG Frankfurt, 07.05.2010 - 1 HEs 30/10

    Untersuchungshaftbefehl: Haftgründe der Verdunkelungsgefahr und der

  • OLG Karlsruhe, 26.06.2009 - 2 Ws 229/09

    Voraussetzungen eines Haftbefehls nach Verurteilung in zweiter Instanz

  • OLG Hamm, 08.05.2007 - 4 Ws 201/07

    Haftbefehl; Außervollzugsetzung; Invollzugsetzung; neue Umstände; Verurteilung;

  • OLG Nürnberg, 06.03.2019 - 2 Ws 124/19

    Erneute Invollzugsetzung eines Haftbefehls gemäß § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO

  • OLG Dresden, 03.03.2009 - 2 Ws 84/09

    Untersuchungshaft; Haftverschonung; Fluchtgefahr

  • OLG Köln, 14.11.2019 - 2 Ws 581/19

    Invollzugsetzung eines Haftbefehls nur unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 4

  • OLG Zweibrücken, 23.08.2006 - 1 Ws 321/06

    Haftverschonungsbeschluss: Voraussetzungen für die Wiederinvollzugsetzung des

  • OLG Bremen, 01.03.2013 - 1 Ws 5/13

    Untersuchungshaft bei heranwachsenden Beschuldigten

  • KG, 22.02.2019 - 4 HEs 4/19

    Haftverschonung; Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses;

  • OLG Nürnberg, 08.04.2011 - 2 Ws 148/11

    Untersuchungshaftbefehl: Wiederinvollzugsetzung bei Realisierung der

  • OLG Frankfurt, 24.03.2010 - 1 Ws 38/10

    Untersuchungshaftbefehl: Widerruf der Aussetzungsentscheidung wegen "neu

  • OLG Oldenburg, 24.09.2008 - 1 Ws 584/08

    Verurteilung zu einer hohen Freiheitsstrafe als Rechtfertigung für die

  • OLG Düsseldorf, 06.12.2013 - 2 Ws 584/13

    Kein Widerruf der Haftverschonung wegen der Verhängung einer hohen

  • OLG Braunschweig, 26.09.2016 - 1 Ws 246/16

    Untersuchungshaft - Neuerlass Haftbefehl nach Aufhebung

  • OLG Naumburg, 08.08.2013 - 1 Ws 478/13

    Erneuter Haftbefehl nach Verurteilung zur Freiheitsstrafe: Fluchtgefahr nach

  • OLG München, 07.09.2009 - 3 Ws 745/09

    Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten als ein erheblicher Fluchtanreiz

  • KG, 05.01.2007 - 1 AR 1561/06

    Anfechtbarkeit einer prozessual überholten Haftentscheidung; Voraussetzungen der

  • KG, 05.01.2007 - 4 Ws 228/06

    Untersuchungshaftbefehl: Herleitung eines Haftgrundes aus den Bekundungen einer

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