Arzneimittelgesetz
Fünfzehnter Abschnitt - Bestimmung der zuständigen Bundesoberbehörden und sonstige Bestimmungen (§§ 77 - 83b) |
(1) Das Bundesministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen von den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen zuzulassen, wenn die notwendige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sonst ernstlich gefährdet wäre und eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Menschen durch Arzneimittel nicht zu befürchten ist; insbesondere können Regelungen getroffen werden, um einer Verbreitung von Gefahren zu begegnen, die als Reaktion auf die vermutete oder bestätigte Verbreitung von krankheitserregenden Substanzen, Toxinen, Chemikalien oder eine Aussetzung ionisierender Strahlung auftreten können.
(3) Die Rechtsverordnungen nach Absatz 1 ergehen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, soweit es sich um radioaktive Arzneimittel und um Arzneimittel, bei deren Herstellung ionisierende Strahlen verwendet werden, oder um Regelungen zur Abwehr von Gefahren durch ionisierende Strahlung handelt.
(4) Die Geltungsdauer der Rechtsverordnung nach Absatz 1 ist auf sechs Monate zu befristen.
(4a) 1Wenn im Fall einer bestehenden oder drohenden bedrohlichen übertragbaren Krankheit die notwendige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sonst ernstlich gefährdet wäre, kann das Bundesministerium unbeschadet der Aufgaben anderer zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung Arzneimittel sowie Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe sowie Packmittel von Arzneimitteln selbst oder durch beauftragte Stellen herstellen, beschaffen, lagern und in Verkehr bringen. 2Von den Abnehmern der Arzneimittel, Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe und Packmittel von Arzneimitteln soll ein angemessener Ersatz der Aufwendungen verlangt werden. 3Durch die Regelung bleiben haushaltsrechtliche Vorgaben unberührt.
(4b) 1Das Bundesministerium kann unbeschadet der Aufgaben anderer bis zum 31. Dezember 2027 COVID-19-Impfstoffe selbst oder durch beauftragte Stellen beschaffen, lagern und in Verkehr bringen. 2§ 3 der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung vom 25. Mai 2020 (BAnz AT 26.05.2020 V1), die zuletzt durch Artikel 8b des Gesetzes vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) geändert worden ist, findet entsprechende Anwendung. 3Soweit gemäß § 3 Absatz 4 Satz 1 und 2 der Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung in Verbindung mit Satz 2 die Haftung ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, gilt dies nicht für die Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz. 4§ 15 Absatz 1 des Produkthaftungsgesetzes ist insoweit nicht anzuwenden.
(5) 1Im Falle eines Versorgungsmangels der Bevölkerung mit Arzneimitteln, die zur Vorbeugung oder Behandlung lebensbedrohlicher Erkrankungen benötigt werden, oder im Fall einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit, deren Ausbreitung eine sofortige und das übliche Maß erheblich überschreitende Bereitstellung von spezifischen Arzneimitteln erforderlich macht, können die zuständigen Behörden im Einzelfall gestatten, dass Arzneimittel, die nicht zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes zugelassen oder registriert sind,
1. | befristet in Verkehr gebracht werden sowie | |
2. | abweichend von § 73 Absatz 1 in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden. |
2Satz 1 gilt, wenn die Arzneimittel in dem Staat rechtmäßig in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden oder wenn die zuständige Bundesoberbehörde festgestellt hat, dass die Qualität der Arzneimittel gewährleistet ist und ihre Anwendung nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zur Vorbeugung oder Behandlung der jeweiligen Erkrankung erwarten lässt. 3Die Gestattung durch die zuständige Behörde gilt zugleich als Bescheinigung nach § 72a Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 oder nach § 72b Absatz 2 Satz 1 Nummer 3, dass die Einfuhr im öffentlichen Interesse liegt. 4Im Falle eines Versorgungsmangels oder einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit im Sinne des Satzes 1 können die zuständigen Behörden im Einzelfall auch ein befristetes Abweichen von Erlaubnis- oder Genehmigungserfordernissen oder von anderen Verboten nach diesem Gesetz gestatten. 5Vom Bundesministerium wird festgestellt, dass ein Versorgungsmangel oder eine bedrohliche übertragbare Krankheit im Sinne des Satzes 1 vorliegt oder nicht mehr vorliegt. 6Die Feststellung erfolgt durch eine Bekanntmachung, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. 7Die Bekanntmachung ergeht im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, soweit es sich um radioaktive Arzneimittel und um Arzneimittel handelt, bei deren Herstellung ionisierende Strahlen verwendet werden.
(6) 1Maßnahmen der zuständigen Behörden nach Absatz 5 sind auf das erforderliche Maß zu begrenzen und müssen angemessen sein, um den Gesundheitsgefahren zu begegnen, die durch den Versorgungsmangel oder die bedrohliche übertragbare Krankheit hervorgerufen werden. 2Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen nach Absatz 5 haben keine aufschiebende Wirkung.
Fassung aufgrund des Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz) vom 19.07.2023
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
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27.07.2023 | Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz) | 19.07.2023 | |
28.01.2022 | Gesetz zum Erlass eines Tierarzneimittelgesetzes und zur Anpassung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften | 27.09.2021 | |
19.11.2020 | Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite | 18.11.2020 | |
27.06.2020 | Elfte Zuständigkeitsanpassungsverordnung | 19.06.2020 | |
08.09.2015 | Zehnte Zuständigkeitsanpassungsverordnung | 31.08.2015 | |
13.08.2013 | Drittes Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften | 07.08.2013 | |
29.03.2013 | Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005) und zur Änderung weiterer Gesetze | 21.03.2013 | |
23.07.2009 | Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften | 17.07.2009 |
ermächtigungen für Krisenzeiten § 80Ermächtigung für Verfahrens- und Härtefallregelungen § 81Verhältnis zu anderen Gesetzen § 82Allgemeine Verwaltungs-
vorschriften § 83Angleichung an das Recht der Europäischen Union § 83aRechtsverordnungen in bestimmten Fällen § 83b(weggefallen)
Rechtsprechung zu § 79 AMG
4 Entscheidungen zu § 79 AMG in unserer Datenbank:
- OVG Berlin-Brandenburg, 16.06.2014 - 10 A 8.10
Brandenburger Verordnung über den Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg ...
- VK Bund, 12.01.2015 - VK 1-104/14
Nachprüfungsverfahren: Abschluss von wirkstoffbezogenen Vereinbarungen
- VG Regensburg, 28.05.2020 - RN 5 K 18.756
Rechtmäßigkeit der vorläufigen Sicherstellung von Arzneimittelchargen
- BayObLG, 17.03.1981 - 3 ObOWi 34/81
Querverweise
Auf § 79 AMG verweisen folgende Vorschriften:
- Arzneimittelgesetz (AMG)
- Sondervorschriften für Bundeswehr, Bundespolizei, Bereitschaftspolizei, Zivilschutz
- § 71 (Ausnahmen)