Gerichtsverfassungsgesetz
17. Titel - Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (§§ 198 - 201) |
(1) 1Wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet, wird angemessen entschädigt. 2Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.
(2) 1Ein Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, wird vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat. 2Hierfür kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalles Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß Absatz 4 ausreichend ist. 3Die Entschädigung gemäß Satz 2 beträgt 1 200 Euro für jedes Jahr der Verzögerung. 4Ist der Betrag gemäß Satz 3 nach den Umständen des Einzelfalles unbillig, kann das Gericht einen höheren oder niedrigeren Betrag festsetzen.
(3) 1Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (Verzögerungsrüge). 2Die Verzögerungsrüge kann erst erhoben werden, wenn Anlass zur Besorgnis besteht, dass das Verfahren nicht in einer angemessenen Zeit abgeschlossen wird; eine Wiederholung der Verzögerungsrüge ist frühestens nach sechs Monaten möglich, außer wenn ausnahmsweise eine kürzere Frist geboten ist. 3Kommt es für die Verfahrensförderung auf Umstände an, die noch nicht in das Verfahren eingeführt worden sind, muss die Rüge hierauf hinweisen. 4Anderenfalls werden sie von dem Gericht, das über die Entschädigung zu entscheiden hat (Entschädigungsgericht), bei der Bestimmung der angemessenen Verfahrensdauer nicht berücksichtigt. 5Verzögert sich das Verfahren bei einem anderen Gericht weiter, bedarf es einer erneuten Verzögerungsrüge.
(4) 1Wiedergutmachung auf andere Weise ist insbesondere möglich durch die Feststellung des Entschädigungsgerichts, dass die Verfahrensdauer unangemessen war. 2Die Feststellung setzt keinen Antrag voraus. 3Sie kann in schwerwiegenden Fällen neben der Entschädigung ausgesprochen werden; ebenso kann sie ausgesprochen werden, wenn eine oder mehrere Voraussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind.
(5) 1Eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach Absatz 1 kann frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden. 2Die Klage muss spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden. 3Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage ist der Anspruch nicht übertragbar.
(6) Im Sinne dieser Vorschrift ist
Fassung aufgrund des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24.11.2011
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
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03.12.2011 | Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren | 24.11.2011 |
Rechtsprechung zu § 198 GVG
1.661 Entscheidungen zu § 198 GVG in unserer Datenbank:
- OVG Nordrhein-Westfalen, 06.02.2024 - 13 D 324/21
- OVG Nordrhein-Westfalen, 06.02.2024 - 13 D 133/22
- BGH, 30.11.2023 - 3 StR 192/18
Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang aus grobem ...
- OVG Nordrhein-Westfalen, 06.02.2024 - 13 D 8/20
- BGH, 15.12.2022 - III ZR 192/21
A) Die Verfahrensführung des Richters wird im Entschädigungsprozess nach § 198 ...
Zum selben Verfahren:
- OLG Braunschweig, 05.11.2021 - 4 EK 23/20
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- OLG Braunschweig, 05.11.2021 - 4 EK 23/20
- BGH, 09.03.2023 - III ZR 80/22
Gesonderter Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG ; Entschädigungspflichtige ...
Zum selben Verfahren:
- OLG Braunschweig, 12.04.2022 - 4 EK 1/20
Pilotverfahren zu Kapitalanlageverfahren; Entschädigungspflichtige Verzögerung in ...
- OLG Braunschweig, 12.04.2022 - 4 EK 1/20
- VGH Bayern, 30.01.2024 - 98 F 23.597
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- BVerfG, 12.12.2023 - 1 BvR 75/22
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§ 198 GVG in Nachschlagewerken
- § 198 GVG wird im Betreuungsrecht-Lexikon unter folgenden Stichworten zitiert:
- Vergütungspauschale
Querverweise
Auf § 198 GVG verweisen folgende Vorschriften:
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
- Verfahren
- Verwaltungssachen
- Gemeinsame Bestimmungen für Rechtsbehelfsverfahren
- § 72 (Geltung von Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung)
- Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
- Verfahren in Familiensachen
- Verfahren in Kindschaftssachen
- § 155b (Beschleunigungsrüge)
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
- Verfahren
- Allgemeine Verfahrensvorschriften
- § 55 [Ordnungsvorschriften]