(1) Zur Sicherung der Schutzfunktion, Verteilungsfunktion, Befriedungsfunktion sowie Ordnungsfunktion von Rechtsnormen des Tarifvertrags werden Tarifkollisionen im Betrieb vermieden.
(2) 1Der Arbeitgeber kann nach § 3 an mehrere Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften gebunden sein. 2Soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarifverträge), sind im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrags im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder hat (Mehrheitstarifvertrag); wurden beim Zustandekommen des Mehrheitstarifvertrags die Interessen von Arbeitnehmergruppen, die auch von dem nach dem ersten Halbsatz nicht anzuwendenden Tarifvertrag erfasst werden, nicht ernsthaft und wirksam berücksichtigt, sind auch die Rechtsnormen dieses Tarifvertrags anwendbar. 3Kollidieren die Tarifverträge erst zu einem späteren Zeitpunkt, ist dieser für die Mehrheitsfeststellung maßgeblich. 4Als Betriebe gelten auch ein Betrieb nach § 1 Absatz 1 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes und ein durch Tarifvertrag nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Betriebsverfassungsgesetzes errichteter Betrieb, es sei denn, dies steht den Zielen des Absatzes 1 offensichtlich entgegen. 5Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Betriebe von Tarifvertragsparteien unterschiedlichen Wirtschaftszweigen oder deren Wertschöpfungsketten zugeordnet worden sind.
(3) Für Rechtsnormen eines Tarifvertrags über eine betriebsverfassungsrechtliche Frage nach § 3 Absatz 1 und § 117 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes gilt Absatz 2 Satz 2 nur, wenn diese betriebsverfassungsrechtliche Frage bereits durch Tarifvertrag einer anderen Gewerkschaft geregelt ist.
(4) 1Eine Gewerkschaft kann vom Arbeitgeber oder von der Vereinigung der Arbeitgeber die Nachzeichnung der Rechtsnormen eines mit ihrem Tarifvertrag kollidierenden Tarifvertrags verlangen. 2Der Anspruch auf Nachzeichnung beinhaltet den Abschluss eines die Rechtsnormen des kollidierenden Tarifvertrags enthaltenden Tarifvertrags, soweit sich die Geltungsbereiche und Rechtsnormen der Tarifverträge überschneiden. 3Die Rechtsnormen eines nach Satz 1 nachgezeichneten Tarifvertrags gelten unmittelbar und zwingend, soweit der Tarifvertrag der nachzeichnenden Gewerkschaft nach Absatz 2 Satz 2 nicht zur Anwendung kommt.
(5) 1Nimmt ein Arbeitgeber oder eine Vereinigung von Arbeitgebern mit einer Gewerkschaft Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrags auf, ist der Arbeitgeber oder die Vereinigung von Arbeitgebern verpflichtet, dies rechtzeitig und in geeigneter Weise bekanntzugeben. 2Eine andere Gewerkschaft, zu deren satzungsgemäßen Aufgaben der Abschluss eines Tarifvertrags nach Satz 1 gehört, ist berechtigt, dem Arbeitgeber oder der Vereinigung von Arbeitgebern ihre Vorstellungen und Forderungen mündlich vorzutragen.
Fassung aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) vom 18.12.2018
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
---|---|---|---|
01.01.2019 | Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung (Qualifizierungschancengesetz) | 18.12.2018 | |
10.07.2015 | Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) | 03.07.2015 |
Rechtsprechung zu § 4a TVG
106 Entscheidungen zu § 4a TVG in unserer Datenbank:
- BAG, 25.01.2023 - 4 ABR 4/22
Tarifpluraler Betrieb - Regelungssperre - Tarifvorbehalt
Zum selben Verfahren:
- ArbG München, 21.07.2020 - 25 BV 408/19
Arbeitnehmer, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag, Arbeitszeit, Arbeitgeber, ...
- LAG München, 28.04.2021 - 10 TaBV 51/20
Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft bei tarifwidriger Betriebsvereinbarung
- ArbG München, 21.07.2020 - 25 BV 408/19
- EGMR, 05.07.2022 - 815/18
Tarifeinheitsgesetz verstößt nicht gegen die EMRK
Zum selben Verfahren:
- BVerfG, 06.10.2015 - 1 BvR 1571/15
Anträge auf einstweilige Anordnung gegen das Tarifeinheitsgesetz erfolglos
- BVerfG, 11.07.2017 - 1 BvR 1571/15
Das Tarifeinheitsgesetz ist weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar
- BVerfG, 06.10.2015 - 1 BvR 1571/15
- LAG Berlin-Brandenburg, 15.01.2024 - 10 Sa 1018/23
Anwendung der Sozialkassentarifverträge auf landeseigene Wohnungsunternehmen bzw. ...
- LAG Sachsen, 02.11.2023 - 4 Sa 96/22
- BVerfG, 16.06.2016 - 1 BvR 1707/15
Zwei Verfassungsbeschwerden gegen das Tarifeinheitsgesetz unzulässig
- BVerfG, 19.05.2020 - 1 BvR 672/19
Verfassungsbeschwerden gegen Neuregelung zur Tarifkollision in § 4a Abs. 2 Satz 2 ...
Bekanntmachungen im Bundesgesetzblatt mit Bezug auf § 4a TVG
19.07.2017 | Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (zu § 4a des Tarifvertragsgesetzes und zum Gesetz zur Tarifeinheit) | BGBl. I S. 2663 |
Querverweise
Auf § 4a TVG verweisen folgende Vorschriften:
- Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
- Allgemeine Vorschriften
- § 2a (Zuständigkeit im Beschlußverfahren)
- Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen
- Beschlußverfahren
- Beschlußverfahren in besonderen Fällen
- § 99 (Entscheidung über den nach § 4a Absatz 2 Satz 2 des Tarifvertragsgesetzes im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag)