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   BVerfG, 01.12.2020 - 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12   

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https://dejure.org/2020,46547
BVerfG, 01.12.2020 - 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 (https://dejure.org/2020,46547)
BVerfG, Entscheidung vom 01.12.2020 - 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 (https://dejure.org/2020,46547)
BVerfG, Entscheidung vom 01. Dezember 2020 - 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 (https://dejure.org/2020,46547)
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Volltextveröffentlichungen (10)

  • HRR Strafrecht

    Art. 1 Abs. 1 GG; Art. 2 Abs. 1 GG; ... Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG; Art. 11 GG; Art. 12 Abs. 1 GG; Art. 13 Abs. 1 GG; Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG; Art. 20 Abs. 3 GG; Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG; Art. 103 Abs. 2 GG; Art. 7 Abs. 1 Satz 1 EMR
    Verfassungsmäßigkeit der Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (elektronische Fußfessel; anlassbezogene automatisierte Feststellung des Aufenthaltsortes entlassener Straftäter; Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht; Gesetzgebungskompetenz des Bundes; ...

  • Bundesverfassungsgericht

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung ("elektronische Fußfessel")

  • rechtsprechung-im-internet.de

    Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 74 Abs 1 Nr 1 GG
    Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (§ 68b Abs 1 S 1 Nr 12, S 3 StGB iVm § 463a Abs 4 StPO; "elektronische Fußfessel") verfassungsgemäß

  • rewis.io

    Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (§ 68b Abs 1 S 1 Nr 12, S 3 StGB iVm § 463a Abs 4 StPO; "elektronische Fußfessel") verfassungsgemäß

  • debier datenbank(Leitsatz frei, Volltext 2,50 €)

    Elektronische Fussfessel

    Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, 20 Abs. 3 74 Abs. 1 Nr. 1 GG

  • doev.de PDF

    Anordnung einer Führungsaufsichtsweisung zur sog. elektronischen Fußfessel

  • tp-presseagentur.de PDF
  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    Verfassungsmäßigkeit der Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ("elektronische Fußfessel"); Unterfallen der Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung als Maßnahme der Führungsaufsicht der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für das ...

  • datenbank.nwb.de

    Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (§ 68b Abs 1 S 1 Nr 12, S 3 StGB iVm § 463a Abs 4 StPO; "elektronische Fußfessel") verfassungsgemäß

  • juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)

Kurzfassungen/Presse (6)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung (elektronische Fußfessel)

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    Karlsruhe und die elektronische Fußfessel

  • Wolters Kluwer (Kurzinformation)

    Verfassungsmäßigkeit der Regelungen über die "elektronische Fußfessel"

  • tp-presseagentur.de (Kurzinformation)

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung

  • juraforum.de (Kurzinformation)

    Elektronische Fußfessel ist verfassungsgemäß

  • kostenlose-urteile.de (Kurzmitteilung)

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung - Regelungen zur Elektronischen Fußfessel verfassungsgemäß

Besprechungen u.ä. (4)

  • verfassungsblog.de (Entscheidungsbesprechung)

    Auf Schritt und Tritt - Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung

  • lto.de (Entscheidungsbesprechung)

    Elektronischen Fußfessel: Gesetzgeber zur Evaluierung verpflichtet

  • jurafuchs.de (Fallmäßige Aufbereitung - für Studienzwecke)

    Verfassungsmäßigkeit der elektronischen Fußfessel

  • verlag-rolf-schmidt.de (Fallbesprechung - aus Ausbildungssicht)

    Verfassungskonformität der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ("elektronische Fußfessel")

Sonstiges

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Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • BVerfGE 156, 63
  • NStZ 2021, 348
 
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Wird zitiert von ... (83)Neu Zitiert selbst (151)

  • BVerfG, 20.04.2016 - 1 BvR 966/09

    Bundeskriminalamtsgesetz - Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen

    Auszug aus BVerfG, 01.12.2020 - 2 BvR 916/11
    (a) (aa) Staatliche Überwachungs- und Ermittlungsbefugnisse können sowohl im Bereich der Strafverfolgung als auch im Bereich der Gefahrenabwehr tief in die Privatsphäre eingreifen (vgl. BVerfGE 141, 220 ) und sind daher in jedem Einzelfall rechtfertigungsbedürftig.

    Die Verfassungsmäßigkeit der den Behörden eingeräumten Befugnisse hängt von den sich aus den betroffenen Grundrechten jeweils ergebenden Grenzen und den je einzeln zu ermittelnden Verhältnismäßigkeitsanforderungen ab (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 2618/13 -, Rn. 123; stRspr).

    Zudem sind alle Befugnisse am Grundsatz der Normenklarheit zu messen, der im Falle heimlicher Datenerhebung und -verarbeitung besonders strenge Anforderungen zur Folge hat (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 2618/13 -, Rn. 123, 129 m.w.N.).

    Dabei ist es Aufgabe des Gesetzgebers, einen Ausgleich zwischen der Schwere der Eingriffe in die Grundrechte potentiell Betroffener und der Pflicht des Staates zum Schutz der Grundrechte Dritter zu schaffen (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 120, 274 ; 141, 220 ).

    Der Staat ist deshalb verpflichtet, das Leben, die körperliche Unversehrtheit und die Freiheit des Einzelnen zu schützen, das heißt vor allem, auch vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen von Seiten anderer zu bewahren (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 141, 220 ).

    Zu beachten ist bei der gebotenen Abwägung auch, ob es sich um Bestimmungen mit großer Streubreite handelt oder ob die Sicherheitsorgane einzelfallbezogen in den Stand gesetzt werden sollen, schwerwiegende Gefahren für Rechtsgüter von Verfassungsrang abzuwehren (vgl. BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 2618/13 -, Rn. 75, 129 m.w.N.).

    Je tiefer die Überwachungsmaßnahmen in das Privatleben hineinreichen, umso strenger sind die Anforderungen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Der Schutz von Sachwerten ist demgegenüber für solche Maßnahmen nicht hinreichend gewichtig (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens, das zu einer zurechenbaren Schutzgutverletzung führt, tragen (vgl. BVerfGE 110, 33 ; 113, 348 ; 141, 220 ).

    Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, sofern bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Eine gesetzliche Ermächtigung zu einer Überwachungsmaßnahme, die den Kernbereich privater Lebensgestaltung berühren kann, muss daher - unter Beachtung des Grundsatzes der Normenklarheit - besondere gesetzliche Vorkehrungen zum wirksamen Schutz dieses Kernbereichs enthalten (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Bei verletzungsgeneigten Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Erfassung von kernbereichsrelevanten Situationen oder Gesprächen jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als sich diese mit praktisch zu bewältigendem Aufwand im Vorfeld vermeiden lässt (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 113, 348 ; 120, 274 ; 141, 220 ).

    Außerdem ist die Löschung in einer Weise zu protokollieren, die eine spätere Kontrolle ermöglicht (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Mit der Menschenwürde ist es unvereinbar, wenn diese sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und derart umfassend sind, dass nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert werden und zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 112, 304 ; 141, 220 ).

    Beim Einsatz moderner Informationstechnologien müssen die Sicherheitsbehörden auf das "additiven Grundrechtseingriffen' innewohnende Gefährdungspotential Rücksicht nehmen und darauf achten, dass das Ausmaß der Überwachung insgesamt beschränkt bleibt (vgl. BVerfGE 112, 304 ; 141, 220 ).

    (bb) Die Anforderungen an die weitere Nutzung und Übermittlung staatlich erhobener Daten richten sich sodann nach den Grundsätzen der Zweckbindung und Zweckänderung (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 100, 313 ; 109, 279 ; 110, 33 ; 120, 351 ; 125, 260 ; 130, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 2618/13 -, Rn. 130 m.w.N.).

    Erlaubt der Gesetzgeber die Nutzung von Daten über den konkreten Anlass und rechtfertigenden Grund einer Datenerhebung hinaus, muss er hierfür eine eigene Rechtsgrundlage schaffen (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 120, 351 ; 130, 1 ; 141, 220 ; stRspr).

    Er kann zum anderen aber auch eine Zweckänderung erlauben; die Ermächtigung zu einer Datennutzung für neue Zwecke unterliegt allerdings spezifischen verfassungsrechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Soweit der Gesetzgeber eine Datennutzung über das für die Datenerhebung maßgebende Verfahren hinaus als weitere Nutzung im Rahmen der ursprünglichen Zwecke dieser Daten erlaubt (Zweckbindung), kann er sich auf die der Datenerhebung zugrundeliegenden Rechtfertigungsgründe stützen und unterliegt damit nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Zweckänderung (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Eine weitere Nutzung der Daten innerhalb der ursprünglichen Zwecksetzung kommt nur im Rahmen derselben Aufgabe und für den Schutz derselben Rechtsgüter und ohne Übermittlungsermächtigung auch nur seitens derselben Behörde in Betracht (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Er hat dann allerdings sicherzustellen, dass dem Eingriffsgewicht der Datenerhebung auch hinsichtlich der neuen Nutzung Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 109, 279 ; 120, 351 ; 130, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 ).

    Die Ermächtigung zu einer Nutzung von Daten zu neuen Zwecken begründet einen neuen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 109, 279 ; 110, 33 ; 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ) und ist daher eigenständig an den Grundsätzen der Normenklarheit und Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 141, 220 ) zu messen.

    Nach den dabei anzuwendenden Kriterien der hypothetischen Datenneuerhebung kommt es hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Zweckänderung bei eingriffsintensiven Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen darauf an, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln neu erhoben werden dürften (vgl. BVerfGE 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ).

    Das Kriterium der Datenneuerhebung gilt allerdings nicht schematisch und schließt die Berücksichtigung weiterer Gesichtspunkte nicht aus (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 ).

    Die Voraussetzungen einer Zweckänderung sind hinsichtlich des erforderlichen Konkretisierungsgrades der Gefahrenlage oder des Tatverdachts nicht in jedem Fall identisch mit denen einer Datenerhebung (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Bei Informationen aus Wohnraumüberwachungen oder dem Zugriff auf informationstechnische Systeme muss jede neue Nutzung der Daten aber - wie bei der Datenerhebung selbst - durch eine dringende oder eine hinreichend konkretisierte Gefahr gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ).

    Der Begriff der dringenden Gefahr nimmt dabei nicht nur auf das Ausmaß, sondern auch auf die Wahrscheinlichkeit eines Schadens Bezug (vgl. BVerfGE 130, 1 ; 141, 220 ).

    Demgemäß ist die mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung verbundene Kontrolldichte nicht derart umfassend, dass sie nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen erfasst und die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils ermöglicht (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 112, 304 ; 141, 220 ).

    (bb) Demgemäß ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung mit der Verfassung nur vereinbar, wenn sie dem Schutz oder der Bewehrung hinreichend gewichtiger Rechtsgüter dient, für deren Gefährdung oder Verletzung im Einzelfall belastbare tatsächliche Anhaltspunkte bestehen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Dabei handelt es sich um höchstrangige Verfassungswerte (vgl. auch BVerfGE 115, 320 ; 141, 220 ).

    Es handelt sich also um einen eng begrenzten Personenkreis (vgl. zu diesem Abwägungskriterium: BVerfGE 141, 220 ), der sich durch die Begehung schwerer Straftaten und die Gefahr einschlägiger Rückfälligkeit auszeichnet (vgl. BTDrucks 17/3403, S. 19).

    (?) Die Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung trägt auch dem Erfordernis Rechnung, dass Maßnahmen hoher Eingriffsintensität nur verhältnismäßig sind, wenn eine Gefährdung der geschützten Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar ist (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 125, 260 ; 141, 220 ).

    Auch wenn es sich dabei um eine Zweckänderung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. dazu BVerfGE 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ) handeln dürfte, steht dies der Verfassungsmäßigkeit der Regelung nach dem Grundsatz der hypothetischen Neuerhebung nicht entgegen.

  • BVerfG, 03.03.2004 - 1 BvR 2378/98

    Großer Lauschangriff: Erheblicher Teil der StPO-Regeln zur akustischen

    Auszug aus BVerfG, 01.12.2020 - 2 BvR 916/11
    aa) Mit der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) als oberstem Wert des Grundgesetzes und tragendem Konstitutionsprinzip ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch des Menschen verbunden, der es verbietet, ihn zum bloßen Objekt des Staates zu machen oder ihn einer Behandlung auszusetzen, die seine Subjektqualität prinzipiell infrage stellt (vgl. BVerfGE 27, 1 ; 30, 1 ; 45, 187 ; 96, 375 ; 109, 279 ; 117, 71 ).

    Das ist der Fall, wenn die Behandlung durch die öffentliche Gewalt im Strafverfahren die Achtung des Wertes vermissen lässt, der jedem Menschen um seiner selbst willen zukommt (vgl. BVerfGE 109, 279 ).

    Darüber hinaus umfasst die Menschenwürde einen absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung, der staatlicher Beobachtung schlechthin entzogen ist (vgl. BVerfGE 80, 367 ; 109, 279 ) und dessen Gehalt durch die Rechtsprechung zum informationellen Selbstbestimmungsrecht (vgl. nachfolgend C. I. 2. b) bb) (2) (b), (c) Rn. 206 ff.) näher konturiert worden ist.

    Dabei ist es Aufgabe des Gesetzgebers, einen Ausgleich zwischen der Schwere der Eingriffe in die Grundrechte potentiell Betroffener und der Pflicht des Staates zum Schutz der Grundrechte Dritter zu schaffen (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 120, 274 ; 141, 220 ).

    Überwachungsmaßnahmen staatlicher Stellen haben diesen Kernbereich zu wahren (vgl. BVerfGE 6, 32 ; 27, 1 ; 32, 373 ; 34, 238 ; 80, 367 ; 109, 279 ; 120, 274 ).

    Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGE 34, 238 ; 109, 279 ; 120, 274 ).

    Für eine Abwägung etwa mit Strafverfolgungsinteressen nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist insoweit kein Raum (vgl. BVerfGE 109, 279 ; BVerfGK 11, 164 ).

    Bei verletzungsgeneigten Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Erfassung von kernbereichsrelevanten Situationen oder Gesprächen jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als sich diese mit praktisch zu bewältigendem Aufwand im Vorfeld vermeiden lässt (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 113, 348 ; 120, 274 ; 141, 220 ).

    Eine Weitergabe oder sonstige Verwendung ist auszuschließen (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 113, 348 ; 120, 274 ; 129, 208 ).

    Mit der Menschenwürde ist es unvereinbar, wenn diese sich über einen längeren Zeitraum erstrecken und derart umfassend sind, dass nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen des Betroffenen registriert werden und zur Grundlage für ein Persönlichkeitsprofil werden können (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 112, 304 ; 141, 220 ).

    (bb) Die Anforderungen an die weitere Nutzung und Übermittlung staatlich erhobener Daten richten sich sodann nach den Grundsätzen der Zweckbindung und Zweckänderung (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 100, 313 ; 109, 279 ; 110, 33 ; 120, 351 ; 125, 260 ; 130, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Mai 2020 - 1 BvR 1873/13 und 2618/13 -, Rn. 130 m.w.N.).

    Erlaubt der Gesetzgeber die Nutzung von Daten über den konkreten Anlass und rechtfertigenden Grund einer Datenerhebung hinaus, muss er hierfür eine eigene Rechtsgrundlage schaffen (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 120, 351 ; 130, 1 ; 141, 220 ; stRspr).

    Er hat dann allerdings sicherzustellen, dass dem Eingriffsgewicht der Datenerhebung auch hinsichtlich der neuen Nutzung Rechnung getragen wird (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 109, 279 ; 120, 351 ; 130, 1 ; 133, 277 ; 141, 220 ).

    Die Ermächtigung zu einer Nutzung von Daten zu neuen Zwecken begründet einen neuen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 100, 313 ; 109, 279 ; 110, 33 ; 125, 260 ; 133, 277 ; 141, 220 ) und ist daher eigenständig an den Grundsätzen der Normenklarheit und Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 141, 220 ) zu messen.

    Bei Informationen aus Wohnraumüberwachungen oder dem Zugriff auf informationstechnische Systeme muss jede neue Nutzung der Daten aber - wie bei der Datenerhebung selbst - durch eine dringende oder eine hinreichend konkretisierte Gefahr gerechtfertigt sein (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 141, 220 ).

    Dem Einzelnen soll das Recht, "in Ruhe gelassen zu werden', gerade in seinen Wohnräumen gesichert sein (vgl. BVerfGE 51, 97 ; 75, 318 ; 109, 279 ).

    Für diese benötigt jeder Mensch ein räumliches Substrat, in dem er für sich sein und sich nach selbstgesetzten Maßstäben frei entfalten, also die Wohnung bei Bedarf als "letztes Refugium' zur Wahrung seiner Menschenwürde nutzen kann (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 113, 348 ).

    Gesetzliche Regelungen des Einsatzes technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung müssen hinreichende Vorkehrungen dafür treffen, dass Eingriffe in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung unterbleiben und damit die Menschenwürde gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 109, 279 ).

    Darüber hinaus setzen sie - soweit der Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht betroffen ist - die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraus, der in Art. 13 Abs. 3 bis 5 GG näher spezifiziert worden ist (vgl. BVerfGE 109, 279 ).

    Demgemäß ist die mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung verbundene Kontrolldichte nicht derart umfassend, dass sie nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen erfasst und die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils ermöglicht (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 112, 304 ; 141, 220 ).

    Mit dieser bloßen Präsenzkontrolle trägt die gesetzliche Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Wohnung als räumlich-gegenständlichen Bereich der Privatsphäre zu schützen, in dem der Einzelne für sich sein und sich nach selbstgesetzten Maßstäben frei entfalten kann (vgl. BVerfGE 51, 97 ; 109, 279 ; 113, 348 ), hinreichend Rechnung.

  • BVerfG, 27.02.2008 - 1 BvR 370/07

    Grundrecht auf Computerschutz

    Auszug aus BVerfG, 01.12.2020 - 2 BvR 916/11
    Dabei ist es Aufgabe des Gesetzgebers, einen Ausgleich zwischen der Schwere der Eingriffe in die Grundrechte potentiell Betroffener und der Pflicht des Staates zum Schutz der Grundrechte Dritter zu schaffen (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 120, 274 ; 141, 220 ).

    Dabei gehören Leib, Leben und Freiheit zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern, zu deren Schutz auch heimliche Überwachungsmaßnahmen zulässig sein können (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 125, 260 ).

    Überwachungsmaßnahmen staatlicher Stellen haben diesen Kernbereich zu wahren (vgl. BVerfGE 6, 32 ; 27, 1 ; 32, 373 ; 34, 238 ; 80, 367 ; 109, 279 ; 120, 274 ).

    Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGE 34, 238 ; 109, 279 ; 120, 274 ).

    Dabei ist so weitgehend wie möglich sicherzustellen, dass Daten mit Kernbereichsbezug nicht erhoben werden (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 129, 208 ).

    Bei verletzungsgeneigten Maßnahmen ist sicherzustellen, dass die Erfassung von kernbereichsrelevanten Situationen oder Gesprächen jedenfalls insoweit ausgeschlossen ist, als sich diese mit praktisch zu bewältigendem Aufwand im Vorfeld vermeiden lässt (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 113, 348 ; 120, 274 ; 141, 220 ).

    Soweit es praktisch unvermeidbar ist, dass staatliche Stellen (unbeabsichtigt) Informationen zur Kenntnis nehmen, bevor sie deren Kernbereichsbezug erkennen, ist es verfassungsrechtlich nicht gefordert, den Eingriff wegen des Risikos einer Kernbereichsverletzung auf der Erhebungsebene von vornherein zu unterlassen (vgl. BVerfGE 80, 367 ; 120, 274 ; 129, 208 ).

    Der Gesetzgeber hat durch geeignete Verfahrensvorschriften sicherzustellen, dass dann, wenn Daten mit Bezug zum Kernbereich privater Lebensgestaltung erhoben worden sind, die Intensität der Kernbereichsverletzung und ihre Auswirkungen für die Persönlichkeit und Entfaltung des Betroffenen so gering wie möglich bleiben (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 129, 208 ).

    Eine Weitergabe oder sonstige Verwendung ist auszuschließen (vgl. BVerfGE 109, 279 ; 113, 348 ; 120, 274 ; 129, 208 ).

    Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, dass es verfassungsrechtlich nicht gefordert werden kann, einen (im Übrigen zulässigen) Zugriff zu unterlassen, wenn es dabei praktisch unvermeidbar ist, dass die Ermittlungsbehörden Informationen zur Kenntnis nehmen, bevor sie deren Kernbereichsbezug erkennen (vgl. BVerfGE 80, 367 ; 120, 274 ; 129, 208 ).

    (c) Darüber hinaus hat der Gesetzgeber für den Fall einer über den Umstand der Anwesenheit in der Wohnung hinausgehenden Erhebung von Daten hinreichende Vorkehrungen getroffen, um die Auswirkungen für den Betroffenen so gering wie möglich zu halten (vgl. dazu BVerfGE 120, 274 ; 129, 208 ).

    (d) Die Verfassungsmäßigkeit von § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 12, Satz 3 StGB setzt schließlich voraus, dass die Intensität der Freiheitsbeeinträchtigung des Weisungsbetroffenen nicht außer Verhältnis steht zu dem Gewicht der Rechtsgüter, deren Schutz die elektronische Aufenthaltsüberwachung bezweckt (vgl. zur Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn BVerfGE 50, 217 ; 80, 103 ; 99, 202 ; 115, 320 ; 120, 274 ; stRspr).

    (?) Die Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung trägt auch dem Erfordernis Rechnung, dass Maßnahmen hoher Eingriffsintensität nur verhältnismäßig sind, wenn eine Gefährdung der geschützten Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar ist (vgl. BVerfGE 120, 274 ; 125, 260 ; 141, 220 ).

  • BVerfG, 20.06.2023 - 2 BvR 1167/20

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde wegen fehlender Rohmessdaten bei

    Dabei enthält das Recht auf ein faires Verfahren keine in allen Einzelheiten bestimmten Ge- oder Verbote; vielmehr bedarf es der Konkretisierung je nach den sachlichen Gegebenheiten (vgl. BVerfGE 57, 250 ; 63, 45 ; 64, 135 ; 70, 297 ; 86, 288 ; 122, 248 ; 130, 1 ; 156, 63 ).
  • BVerfG, 19.11.2021 - 1 BvR 781/21

    Verfassungsbeschwerden betreffend Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen im Vierten

    (a) (aa) Verfassungsrechtlich genügt für die Eignung bereits die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen (vgl. BVerfGE 152, 68 ; 155, 238 ; 156, 63 ; stRspr).

    Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen (vgl. BVerfGE 109, 279 m.w.N.; 152, 68 ; siehe auch BVerfGE 156, 63 ).

    Für Letzteres können auch das vom Eingriff betroffene Recht (vgl. BVerfGE 152, 68 ) und das Eingriffsgewicht eine Rolle spielen (vgl. BVerfGE 156, 63 ).

    Die Eignung setzt also nicht voraus, dass es zweifelsfreie empirische Nachweise der Wirkung oder Wirksamkeit der Maßnahmen gibt (vgl. BVerfGE 156, 63 ).

    aa) Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG schützt die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen (vgl. BVerfGE 149, 293 m.w.N.; 156, 63 ).

    Das Grundrecht gewährleistet allerdings von vornherein nicht die Befugnis, sich unbegrenzt und überall hin bewegen zu können (vgl. BVerfGE 94, 166 ; 156, 63 ; stRspr).

    Wie sich aus der Bezeichnung des Rechts als "unverletzlich" und aus seinen Schranken in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 sowie Art. 104 Abs. 1 GG und den Verfahrensgarantien des Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG ergibt, handelt es sich um ein Grundrecht von hohem Rang (vgl. BVerfGE 156, 63 m.w.N.), in das lediglich aus wichtigen Gründen eingegriffen werden darf (vgl. BVerfGE 149, 293 m.w.N.).

    (1) Da der Schutzbereich auf die im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit begrenzt ist, liegt ein Eingriff erst dann vor, wenn die betroffene Person durch die öffentliche Gewalt gegen ihren Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum, der ihr an sich tatsächlich und rechtlich zugänglich ist, aufzusuchen, sich dort aufzuhalten oder diesen zu verlassen (vgl. BVerfGE 149, 293 ; 156, 63 ).

    Bei der Anordnung von Aufenthaltsgeboten nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB beziehungsweise Aufenthaltsverboten nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB als Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht handelt es sich ebenfalls um Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG (vgl. BVerfGE 156, 63 ).

    Für einen Eingriff können staatlich angeordnete Verbote genügen, einen bestimmten Ort oder Bereich nicht ohne Erlaubnis zu verlassen (vgl. BVerfGE 156, 63 ).

  • BVerfG, 10.02.2021 - 2 BvL 8/19

    Rückwirkende strafrechtliche Vermögensabschöpfung verfassungsgemäß

    Daher fallen rein präventive Maßnahmen nicht unter Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 109, 133 ; 134, 33 ; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 -, Rn. 232).

    Demgegenüber ist von einer "unechten' Rückwirkung in Form einer tatbestandlichen Rückanknüpfung auszugehen, wenn die Rechtsfolgen eines Gesetzes erst nach Verkündung der Norm eintreten, deren Tatbestand aber Sachverhalte erfasst, die bereits vor Verkündung "ins Werk gesetzt' worden sind (vgl. BVerfGE 30, 392 ; 39, 128 ; 72, 200 ; 95, 64 ; 97, 67 ; 101, 239 ; 105, 17 ; 109, 133 ; 114, 258 ; 122, 374 ; 123, 186 ; 127, 1 ; 128, 90 ; 131, 20 ; 132, 302 ; 135, 1 ; 148, 217 ; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12 -, Rn. 235 f.).

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