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   BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16, 2 BvE 3/16, 2 BvR 1823/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1444/16   

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https://dejure.org/2022,4971
BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16, 2 BvE 3/16, 2 BvR 1823/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1444/16 (https://dejure.org/2022,4971)
BVerfG, Entscheidung vom 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16, 2 BvE 3/16, 2 BvR 1823/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1444/16 (https://dejure.org/2022,4971)
BVerfG, Entscheidung vom 09. Februar 2022 - 2 BvR 1368/16, 2 BvE 3/16, 2 BvR 1823/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1444/16 (https://dejure.org/2022,4971)
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Volltextveröffentlichungen (8)

  • Bundesverfassungsgericht

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen die vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens CETA erfolglos

  • rechtsprechung-im-internet.de

    Art 20 Abs 1 GG, Art 20 Abs 2 GG, Art 23 Abs 1 GG, Art 38 Abs 1 S 1 GG, Art 79 Abs 3 GG
    Vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der EU und ihren Mitgliedstaaten andererseits (CETA ) verfassungsrechtlich unbedenklich - Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA (juris: EUBes ...

  • Wolters Kluwer

    Verfassungsbeschwerde und Organstreitverfahren gegen die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland durch das zuständige Regierungsmitglied zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (hier: CETA); Zustimmung des deutschen Vertreters zu dem ...

  • rewis.io

    Vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der EU und ihren Mitgliedstaaten andererseits (CETA ) verfassungsrechtlich unbedenklich - Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA (juris: EUBes ...

  • doev.de PDF

    Vorläufige Anwendung des CETA-Freihandelsabkommens

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    Verfassungsbeschwerde und Organstreitverfahren gegen die Zustimmung der Bundesrepublik Deutschland durch das zuständige Regierungsmitglied zum Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada (hier: CETA); Zustimmung des deutschen Vertreters zu dem ...

  • datenbank.nwb.de

    Vorläufige Anwendung des umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen Kanada einerseits und der EU und ihren Mitgliedstaaten andererseits (CETA ) verfassungsrechtlich unbedenklich - Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA (juris: EUBes ...

  • WM (via Owlit)(Abodienst, Leitsatz frei)

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen die vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens CETA erfolglos

Kurzfassungen/Presse (3)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen die vorläufige Anwendung des Freihandelsabkommens CETA erfolglos

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    CETA - und der vorläufige Freihandel mit Kanada

  • lto.de (Kurzinformation)

    Verfassungsbeschwerden und Organklage abgewiesen: CETA durchgewunken

Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • BVerfGE 160, 208
  • WM 2022, 593
 
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Wird zitiert von ... (7)Neu Zitiert selbst (46)

  • BVerfG, 13.10.2016 - 2 BvR 1368/16

    Eilanträge in Sachen CETA erfolglos

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Mit Urteil vom 13. Oktober 2016 hat der Senat in den vorliegenden Verfassungsbeschwerde- und Organstreitverfahren Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, die darauf gezielt haben, dem deutschen Vertreter im Rat der Europäischen Union die Zustimmung zu Beschlüssen zur Unterzeichnung, zur vorläufigen Anwendung und zum Abschluss von CETA zu untersagen, nach Maßgabe der Gründe abgelehnt (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Soweit sich die Anträge gegen die Unterzeichnung und den Abschluss von CETA gerichtet haben, hat er ihnen den Erfolg versagt, weil weder die Unterzeichnung noch der erst nach Befassung des Europäischen Parlaments und Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten anstehende Abschluss von CETA im Zeitpunkt der Entscheidung unmittelbare Rechtswirkungen für die Antragsteller zeitigten (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Er hat ausgeführt, der Europäischen Union dürfte es unter anderem an einer Vertragsschlusskompetenz für Portfolioinvestitionen, den Investitionsschutz, den internationalen Seeverkehr, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und den Arbeitsschutz fehlen (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Nicht auszuschließen sei darüber hinaus, dass sich der Beschluss des Rates auch insoweit als Ultra-vires-Akt darstellen könne, als mit dem Abkommen Hoheitsrechte auf das Gerichts- und das Ausschusssystem weiterübertragen werden sollten (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Auch eine Berührung der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Verfassungsidentität hat der Senat für nicht völlig ausgeschlossen gehalten, weil die Ausgestaltung des Ausschusssystems in CETA die Grundsätze des Demokratieprinzips, die Teil der Verfassungsidentität des Grundgesetzes sind, verletzen könne (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Dem Risiko eines Ultra-vires-Akts könne dadurch begegnet werden, dass die nicht in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union fallenden Bereiche von CETA von der vorläufigen Anwendung ausgenommen würden (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Einer etwaigen Berührung der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG) durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems könne - jedenfalls im Rahmen der vorläufigen Anwendung - zum Beispiel durch eine interinstitutionelle Vereinbarung, nach der Beschlüsse gemäß Art. 30.2 Abs. 2 CETA nur aufgrund eines einstimmig angenommenen gemeinsamen Standpunktes nach Art. 218 Abs. 9 AEUV gefasst werden, oder andere Vorkehrungen begegnet werden (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Zudem müsse sichergestellt werden, dass Deutschland die vorläufige Anwendung von CETA auch einseitig beenden könne, wenn die Bundesregierung die von ihr angekündigten Handlungsoptionen zur Vermeidung eines möglichen Ultra-vires-Akts oder einer Verletzung der Verfassungsidentität nicht realisieren könne (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland die vorläufige Anwendung nach Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA beenden könnte (vgl. BVerfGE 143, 65 ; 144, 1 ), werden mit diesem Beschluss völkerrechtliche Verpflichtungen der Europäischen Union und damit mittelbar auch der Bundesrepublik Deutschland begründet.

    Soweit sich die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV. gegen die Unterzeichnung von CETA richten, sind sie unzulässig, weil von der Unterzeichnung keine unmittelbaren Rechtswirkungen für die Beschwerdeführer ausgehen (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Ebenfalls unzulässig sind die Verfassungsbeschwerden der Beschwerdeführer zu I. bis IV., soweit sie sich gegen den noch ausstehenden Beschluss des Rates zum Abschluss von CETA richten, weil dieser Beschluss erst nach Ratifizierung durch sämtliche Mitgliedstaaten gefasst werden soll und zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine unmittelbaren Rechtswirkungen zeitigen kann (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Das hat der Senat für den Antrag auf einstweilige Anordnung bereits im Urteil vom 13. Oktober 2016 ausgeführt (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Soweit die Vertragsschlusskompetenz für Portfolioinvestitionen, den Investitionsschutz, den internationalen Seeverkehr, die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen und den Arbeitsschutz umstritten ist (vgl. BVerfGE 143, 65 ), ist die vorläufige Anwendung beschränkt.

    (1) Die Bestimmungen betreffend Portfolioinvestitionen, deren Hauptzweck in der Gewinnerzielung liegt, ohne dass der Investor einen direkten Einfluss auf das Unternehmen besäße (vgl. BVerfGE 143, 65 ), sind von der vorläufigen Anwendung des Abkommens ausgenommen (vgl. auch BVerfGE 144, 1 ).

    (3) Mit Blick auf die Vorschriften zu Feeder-Dienstleistungen (Transport zwischen Häfen und Schiffen) und maritimen Hilfsdiensten, die gemäß Art. 207 Abs. 5 AEUV explizit aus dem Anwendungsbereich der Gemeinsamen Handelspolitik ausgenommen sind (vgl. BVerfGE 143, 65 ), enthält das Ratsprotokoll unter Nr. 3 eine Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung von Bestimmungen über Verkehr und Verkehrsdienstleistungen.

    (4) Mit Blick auf Kapitel 11 CETA (Gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen), dessen kompetenzielle Absicherung im Integrationsprogramm ebenfalls zweifelhaft ist (vgl. BVerfGE 143, 65 ), wird durch die Erklärung Nr. 16 im Ratsprotokoll (Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung der gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen) bestimmt, dass der Beschluss über die vorläufige Anwendung von CETA, soweit er Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen betrifft und soweit dieses Gebiet in die geteilte Zuständigkeit fällt, die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet nicht berührt und die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, ihre Zuständigkeiten gegenüber Kanada oder einem anderen Drittland in nicht von diesem Abkommen erfassten Angelegenheiten auszuüben.

    (5) Zweifeln an der Zuständigkeit der Europäischen Union für die Vereinbarungen in dem Handel und Arbeit betreffenden Kapitel 23 (vgl. BVerfGE 143, 65 ) begegnet der Beschluss durch die nahezu gleichlautende Erklärung für das Ratsprotokoll Nr. 4 (Erklärung des Rates zur vorläufigen Anwendung der Kapitel 22, 23 und 24).

    (6) Soweit sich der Beschluss des Rates zur vorläufigen Anwendung von CETA als Ultra-vires-Akt darstellen könnte, weil mit CETA möglicherweise Hoheitsrechte auf das Gerichts- und das Ausschusssystem weiterübertragen werden (Kapitel 8 Abschnitt F und Kapitel 26 CETA) und darüber hinaus zweifelhaft ist, ob ein solcher Schritt noch von Art. 23 Abs. 1 GG gedeckt wäre, weil es jedenfalls denkbar erscheint, dass die Beanspruchung einer umfassenden unionalen Vertragsschlusskompetenz im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik eine entsprechende Mediatisierung der Mitgliedstaaten bedeutete und mit einem weitreichenden Eingriff in deren (Völker-)Rechtssubjektivität einherginge (vgl. BVerfGE 143, 65 ), wird ein solches Risiko durch die nur eingeschränkte Anwendbarkeit von Kapitel 8 CETA (vgl. Rn. 180) und die Erklärungen Nr. 18 und Nr. 19 zum Ratsprotokoll betreffend den Gemischten CETA-Ausschuss ausgeschlossen.

    bb) Eine Berührung der Verfassungsidentität des Grundgesetzes und insbesondere der Grundsätze der Demokratie und der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG) durch den Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung von CETA (vgl. BVerfGE 143, 65 ) scheidet ebenfalls aus.

    Der Gemischte CETA-Ausschuss kann ferner durch Beschluss weitere Kategorien von geistigem Eigentum in die Begriffsbestimmung "Rechte des geistigen Eigentums" aufnehmen (Art. 8.1 Abs. "Rechte des geistigen Eigentums" Satz 2 CETA; vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    In Anbetracht der unklaren Regelung des Art. 30.2 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 CETA kann nicht ausgeschlossen werden, dass solche Beschlüsse des Gemischten Ausschusses keiner Zustimmung durch die Vertragsparteien bedürfen (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Auch wenn der Gemischte Ausschuss seine Beschlüsse einvernehmlich trifft (Art. 26.3 Abs. 3 CETA), er daher Beschlüsse nicht gegen die Stimme der Europäischen Union fassen kann, gibt es insoweit doch keine gesicherte Einflussmöglichkeit der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Es erscheint daher denkbar, dass deutsche Stellen jedenfalls von unmittelbaren Einflussmöglichkeiten insoweit gänzlich ausgeschlossen werden, so dass eine personelle und sachliche Legitimation der Ausschusstätigkeit durch die Mitwirkung deutscher Hoheitsträger ebenso unmöglich wäre wie ihre Verantwortlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Das könnte handelspolitische Schutzmaßnahmen (Kapitel 3) ebenso betreffen wie technische Handelshemmnisse (Kapitel 4), gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen (Kapitel 5), Zoll- und Handelserleichterungen (Kapitel 6), Subventionen (Kapitel 7), Investitionen (Kapitel 8), den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel (Kapitel 9), die vorübergehende Einreise und den vorübergehenden Aufenthalt natürlicher Personen zu geschäftlichen Zwecken (Kapitel 10), die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen (Kapitel 11), Zulassungs- und Qualifikationserfordernisse (Kapitel 12), Finanzdienstleistungen (Kapitel 13), Dienstleistungen im internationalen Seeverkehr (Kapitel 14), die Telekommunikation (Kapitel 15), den elektronischen Geschäftsverkehr (Kapitel 16), die Wettbewerbspolitik (Kapitel 17), Staatsunternehmen, Monopole und Unternehmen mit besonderen Rechten oder Vorrechten (Kapitel 18), das öffentliche Beschaffungswesen (Kapitel 19) und das in Kapitel 20 geregelte geistige Eigentum (vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    In der Regel dürfte Art. 218 Abs. 9 AEUV Anwendung finden, wenn der Gemischte CETA-Ausschuss beschließt, die Protokolle und Anhänge von CETA zu ändern (Art. 30.2 Abs. 2 Satz 1 CETA), oder wenn er verbindliche Auslegungen von CETA vornimmt (Art. 8.31 Abs. 3 Satz 2, Art. 26.1 Abs. 5 Buchstabe e CETA; vgl. BVerfGE 143, 65 ).

    Die demokratische Legitimation und Kontrolle derartiger Beschlüsse erscheint mit Blick auf Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG zweifelhaft (vgl. BVerfGE 143, 65 ; 151, 202 ).

    Sollte dies nicht erfolgreich sein, verbleibt der Bundesregierung in letzter Konsequenz die Möglichkeit, die vorläufige Anwendung des Abkommens nach Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA zu beenden (vgl. BVerfGE 143, 65 ; 144, 1 ).

  • BVerfG, 21.06.2016 - 2 BvR 2728/13

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen das OMT-Programm der

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Insoweit unterliegt ihr Handeln verfassungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    (1) Als grundrechtsgleiches Recht gewährleistet das durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag die politische Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und garantiert ihnen eine freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über die Sicherung des durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich nicht allein ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. zur Ultra-vires-Rüge BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Der demokratische Gehalt des Wahlrechts kann ferner dadurch verletzt werden, dass die Rechte des Deutschen Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit dessen Gestaltungsmacht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

    Sie setzen sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben und deren Bedeutung für den vorliegenden Fall auseinander und erfüllen dadurch auch die besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ultra-vires-Rüge (vgl. dazu BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    a) Die Antragstellerin zu V. ist als Fraktion des Deutschen Bundestages im Organstreitverfahren gemäß § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG parteifähig und berechtigt, dessen Rechte im Wege der Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen (vgl. BVerfGE 1, 351 ; 142, 123 ; 152, 8 ).

    In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass die in Art. 23 GG verankerte Integrationsverantwortung den Bundestag berechtigt und verpflichtet, solchen Beeinträchtigungen entgegenzutreten, und dass dieses Recht von den Fraktionen auch im Wege der Prozessstandschaft (§ 64 Abs. 1 BVerfGG) geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 157, 1 ).

    Art. 23 Abs. 1 GG enthält insoweit auch ein Wirksamkeits- und Durchsetzungsversprechen für das Unionsrecht (vgl. BVerfGE 126, 286 ; 140, 317 ; 142, 123 ; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 23. Juni 2021 - 2 BvR 2216/20 u.a. -, Rn. 73).

    Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union kommt daher nur insoweit ein Anwendungsvorrang zu, als das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen (vgl. BVerfGE 37, 271 ; 58, 1 ; 73, 339 ; 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 78 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Nur in diesem Umfang ist die Anwendung von Unionsrecht in Deutschland demokratisch legitimiert (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Deutsche Staatsorgane dürfen sich am Zustandekommen von Maßnahmen der Europäischen Union, die als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren sind oder die durch Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen geschützte Verfassungsidentität berühren, nicht beteiligen und an ihrer Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Die Verfassungsorgane sind aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwortung (Art. 23 GG; vgl. BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 2. März 2021 - 2 BvE 4/16 -, Rn. 69 ff.) darüber hinaus verpflichtet, mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Einhaltung des Integrationsprogramms hinzuwirken (vgl. BVerfGE 142, 123 ).

    Aus dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf demokratische Selbstbestimmung folgt vielmehr ein entsprechender Anspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sie in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung, vor offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen und/oder Berührungen der grundgesetzlichen Verfassungsidentität durch Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union zu schützen (vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83, 188 Rn. 121, 198 ff. Rn. 143 ff.>; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

  • BVerfG, 07.12.2016 - 2 BvR 1444/16

    Weitere Eilanträge in Sachen CETA erfolglos

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    a) Die Verfassungsbeschwerden seien unzulässig, weil die Zustimmung des deutschen Vertreters zu den Beschlüssen des Rates der Europäischen Union zur Unterzeichnung, zum Abschluss und zur vorläufigen Anwendung von CETA bereits erfolgt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 7. Dezember 2016 (BVerfGE 144, 1) festgestellt habe.

    Mit Beschluss vom 7. Dezember 2016 hat der Senat in den Verfahren 2 BvR 1444/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvR 1823/16 und 2 BvE 3/16 erneute Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (vgl. BVerfGE 144, 1 ), mit denen die Antragsteller erreichen wollten, dass die nach ihrer Auffassung nicht beachteten Maßgaben aus dem Urteil vom 13. Oktober 2016 eingehalten werden.

    Der Senat hat festgestellt, die Bundesregierung habe die im Urteil vom 13. Oktober 2016 formulierten Maßgaben vor ihrer Zustimmung zu den Beschlüssen über die Unterzeichnung und die vorläufige Anwendung von CETA umgesetzt (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Eine etwaige Berührung der Verfassungsidentität durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems sei ebenfalls nicht zu befürchten, da die Erklärung Nr. 19 des Rates und der Mitgliedstaaten dahingehend auszulegen sei, dass bei einer etwaigen Beschlussfassung des Gemischten Ausschusses im Rahmen der vorläufigen Anwendung des Abkommens alle mitgliedstaatlichen Belange berücksichtigt würden (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Schließlich hätten Deutschland und Österreich in der Erklärung Nr. 21 festgestellt, dass sie als Vertragsparteien von CETA ihre Rechte aufgrund Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA ausüben könnten, so dass das Recht zur einseitigen Beendigung der vorläufigen Anwendung gewährleistet sei (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland die vorläufige Anwendung nach Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA beenden könnte (vgl. BVerfGE 143, 65 ; 144, 1 ), werden mit diesem Beschluss völkerrechtliche Verpflichtungen der Europäischen Union und damit mittelbar auch der Bundesrepublik Deutschland begründet.

    Es scheitert auch nicht daran, dass die vorläufige Anwendung des Abkommens in einer Weise eingeschränkt worden ist, die den Bedenken der Antragstellerin zu V. jedenfalls teilweise Rechnung trägt (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Entsprechend hat die Antragstellerin zu V. - wie auch die Beschwerdeführer zu II. bis IV. - mit einem erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erreichen wollen, dass die nach ihrer Auffassung nicht beachteten Maßgaben aus dem Urteil des Senats vom 13. Oktober 2016 eingehalten werden (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Dazu hat der Senat im Beschluss vom 7. Dezember 2016 - wie schon in seinem Urteil vom 13. Oktober 2016 - bislang nur auf der Grundlage der nach § 32 BVerfGG gebotenen Abwägung Stellung genommen (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    (1) Die Bestimmungen betreffend Portfolioinvestitionen, deren Hauptzweck in der Gewinnerzielung liegt, ohne dass der Investor einen direkten Einfluss auf das Unternehmen besäße (vgl. BVerfGE 143, 65 ), sind von der vorläufigen Anwendung des Abkommens ausgenommen (vgl. auch BVerfGE 144, 1 ).

    Da CETA kein Kapitel zu Verkehr und Verkehrsdienstleistungen im Allgemeinen enthält, ist davon auszugehen, dass von der diesbezüglichen Erklärung des Rates alle in CETA enthaltenen Bestimmungen zu verschiedenen Verkehrsarten und Verkehrsdienstleistungen erfasst sind, insbesondere auch diejenigen, die den internationalen Seeverkehr im Sinne von Kapitel 14 CETA betreffen (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Jedenfalls ist durch die Einschränkungen, die der Beschluss des Rates über die vorläufige Anwendung vom 28. Oktober 2016 erfahren hat, und die in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärungen ein offensichtlicher und strukturell bedeutsamer Übergriff in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Das setzt eine Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der Europäischen Union voraus, so dass eine etwaige Berührung der Verfassungsidentität (Art. 79 Abs. 3 GG) durch Kompetenzausstattung und Verfahren des Ausschusssystems während der vorläufigen Anwendung von CETA nicht zu besorgen ist (vgl. BVerfGE 144, 1 ).

    Sollte dies nicht erfolgreich sein, verbleibt der Bundesregierung in letzter Konsequenz die Möglichkeit, die vorläufige Anwendung des Abkommens nach Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA zu beenden (vgl. BVerfGE 143, 65 ; 144, 1 ).

  • BVerfG, 30.07.2019 - 2 BvR 1685/14

    Regelungen zur Europäischen Bankenunion bei strikter Auslegung nicht

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Es handelt sich dabei um einen Akt deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BVerfGE 151, 202 ).

    (1) Als grundrechtsgleiches Recht gewährleistet das durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag die politische Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und garantiert ihnen eine freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ).

    Das Wahlrecht erschöpft sich nicht in einer formalen Legitimation der (Bundes-)Staatsgewalt, sondern vermittelt dem Einzelnen einen Anspruch darauf, mit seiner Wahlentscheidung Einfluss auf die politische Willensbildung nehmen und etwas bewirken zu können (vgl. BVerfGE 151, 202 ).

    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über die Sicherung des durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich nicht allein ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Darüber hinaus gewährt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG den Wahlberechtigten gegenüber Bundesregierung, Bundestag und gegebenenfalls dem Bundesrat einen Anspruch darauf, dass diese in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung über die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union wachen, am Zustandekommen und an der Umsetzung von Maßnahmen, die die Grenzen des Integrationsprogramms überschreiten, nicht mitwirken und bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen aktiv auf seine Befolgung und die Beachtung seiner Grenzen hinwirken (vgl. BVerfGE 151, 202 ; 153, 74 ).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. zur Ultra-vires-Rüge BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

    Sie setzen sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben und deren Bedeutung für den vorliegenden Fall auseinander und erfüllen dadurch auch die besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ultra-vires-Rüge (vgl. dazu BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Bei seinem Verhandlungs- und Abstimmungsverhalten unterliegt der deutsche Vertreter im Rat grundgesetzlichen Bindungen (vgl. BVerfGE 92, 203 ; 135, 317 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Aus dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf demokratische Selbstbestimmung folgt vielmehr ein entsprechender Anspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sie in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung, vor offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen und/oder Berührungen der grundgesetzlichen Verfassungsidentität durch Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union zu schützen (vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83, 188 Rn. 121, 198 ff. Rn. 143 ff.>; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Die demokratische Legitimation und Kontrolle derartiger Beschlüsse erscheint mit Blick auf Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG zweifelhaft (vgl. BVerfGE 143, 65 ; 151, 202 ).

  • BVerfG, 13.02.2020 - 2 BvR 739/17

    Gesetz zum Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht nichtig

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich nicht allein ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Darüber hinaus gewährt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG den Wahlberechtigten gegenüber Bundesregierung, Bundestag und gegebenenfalls dem Bundesrat einen Anspruch darauf, dass diese in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung über die Einhaltung des Integrationsprogramms durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union wachen, am Zustandekommen und an der Umsetzung von Maßnahmen, die die Grenzen des Integrationsprogramms überschreiten, nicht mitwirken und bei offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen aktiv auf seine Befolgung und die Beachtung seiner Grenzen hinwirken (vgl. BVerfGE 151, 202 ; 153, 74 ).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. zur Ultra-vires-Rüge BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

    bb) Soweit die Beschwerdeführer zu I. bis IV. eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), die Beschwerdeführer zu II. eine Verletzung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG, die Beschwerdeführer zu II. und III. eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) sowie die Beschwerdeführer zu III. eine Rechtsmissbräuchlichkeit der vorläufigen Anwendung rügen, sind sie nicht beschwerdebefugt, da sie den notwendigen Zusammenhang zu dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar rügefähigen Demokratieprinzip nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt haben (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfGE 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 3, 58 ; 89, 155 ; 153, 74 ; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29. April 2021 - 2 BvR 1651/15 u.a. -, Rn. 88).

    Die zu überprüfende Norm muss jedoch erlassen - wenn auch nicht notwendigerweise schon in Kraft getreten - sein (vgl. BVerfGE 10, 20 ; 104, 23 ; 123, 267 ; 153, 74 ).

    Dies setzt voraus, dass sich Bundestag und Bundesrat abschließend mit dem Gesetz befasst haben, das Gesetz also nur noch der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung bedarf (vgl. BVerfGE 1, 396 ; 153, 74 ).

    Ein Zustimmungsgesetz kann mit der Verfassungsbeschwerde daher erst ab dem Zeitpunkt seiner Verabschiedung angegriffen werden (vgl. BVerfGE 24, 33 ; 123, 267 ; 153, 74 ).

    Aus dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf demokratische Selbstbestimmung folgt vielmehr ein entsprechender Anspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sie in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung, vor offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen und/oder Berührungen der grundgesetzlichen Verfassungsidentität durch Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union zu schützen (vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83, 188 Rn. 121, 198 ff. Rn. 143 ff.>; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

  • BVerfG, 30.06.2009 - 2 BvE 2/08

    Zustimmungsgesetz zum Vertrag von Lissabon mit Grundgesetz vereinbar;

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Im Übrigen sei eine Tendenz zur wirksamen Kompetenzauslegung im Sinne der implied powers-Doktrin grundsätzlich hinzunehmen und auch unter demokratischen Gesichtspunkten zulässig (unter Verweis auf BVerfGE 123, 267 ).

    (1) Als grundrechtsgleiches Recht gewährleistet das durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag die politische Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und garantiert ihnen eine freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Der demokratische Gehalt des Wahlrechts kann ferner dadurch verletzt werden, dass die Rechte des Deutschen Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit dessen Gestaltungsmacht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Die Wahlberechtigten können deshalb auch verfassungsrechtlich relevante Defizite der demokratischen Legitimation der Europäischen Union rügen (vgl. BVerfGE 123, 267 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

    bb) Soweit die Beschwerdeführer zu I. bis IV. eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), die Beschwerdeführer zu II. eine Verletzung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG, die Beschwerdeführer zu II. und III. eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) sowie die Beschwerdeführer zu III. eine Rechtsmissbräuchlichkeit der vorläufigen Anwendung rügen, sind sie nicht beschwerdebefugt, da sie den notwendigen Zusammenhang zu dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar rügefähigen Demokratieprinzip nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt haben (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfGE 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 3, 58 ; 89, 155 ; 153, 74 ; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29. April 2021 - 2 BvR 1651/15 u.a. -, Rn. 88).

    Die zu überprüfende Norm muss jedoch erlassen - wenn auch nicht notwendigerweise schon in Kraft getreten - sein (vgl. BVerfGE 10, 20 ; 104, 23 ; 123, 267 ; 153, 74 ).

    Ein Zustimmungsgesetz kann mit der Verfassungsbeschwerde daher erst ab dem Zeitpunkt seiner Verabschiedung angegriffen werden (vgl. BVerfGE 24, 33 ; 123, 267 ; 153, 74 ).

    Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union kommt daher nur insoweit ein Anwendungsvorrang zu, als das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen (vgl. BVerfGE 37, 271 ; 58, 1 ; 73, 339 ; 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 78 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

  • BVerfG, 05.05.2020 - 2 BvR 859/15

    Beschlüsse der EZB zum Staatsanleihekaufprogramm kompetenzwidrig

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über die Sicherung des durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Dies prüft das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Ultra-vires-Kontrolle (vgl. zur Ultra-vires-Rüge BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

    Der demokratische Gehalt des Wahlrechts kann ferner dadurch verletzt werden, dass die Rechte des Deutschen Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit dessen Gestaltungsmacht beeinträchtigt wird (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

    Sie setzen sich unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Senats mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben und deren Bedeutung für den vorliegenden Fall auseinander und erfüllen dadurch auch die besonderen Anforderungen an die Zulässigkeit einer Ultra-vires-Rüge (vgl. dazu BVerfGE 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union kommt daher nur insoweit ein Anwendungsvorrang zu, als das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen (vgl. BVerfGE 37, 271 ; 58, 1 ; 73, 339 ; 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 78 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Deutsche Staatsorgane dürfen sich am Zustandekommen von Maßnahmen der Europäischen Union, die als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren sind oder die durch Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen geschützte Verfassungsidentität berühren, nicht beteiligen und an ihrer Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Bei seinem Verhandlungs- und Abstimmungsverhalten unterliegt der deutsche Vertreter im Rat grundgesetzlichen Bindungen (vgl. BVerfGE 92, 203 ; 135, 317 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Aus dem in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf demokratische Selbstbestimmung folgt vielmehr ein entsprechender Anspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sie in Wahrnehmung ihrer Integrationsverantwortung, vor offensichtlichen und strukturell bedeutsamen Kompetenzüberschreitungen und/oder Berührungen der grundgesetzlichen Verfassungsidentität durch Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union zu schützen (vgl. BVerfGE 142, 123 <174 f. Rn. 83, 188 Rn. 121, 198 ff. Rn. 143 ff.>; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ).

  • BVerfG, 14.01.2014 - 2 BvR 2728/13

    Hauptsacheverfahren ESM/EZB: Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt dagegen keinen Anspruch auf eine über die Sicherung des durch Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Anspruchs auf demokratische Selbstbestimmung hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle demokratischer Mehrheitsentscheidungen (vgl. BVerfGE 129, 124 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 151, 202 ; 154, 17 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich nicht allein ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist anerkannt, dass die in Art. 23 GG verankerte Integrationsverantwortung den Bundestag berechtigt und verpflichtet, solchen Beeinträchtigungen entgegenzutreten, und dass dieses Recht von den Fraktionen auch im Wege der Prozessstandschaft (§ 64 Abs. 1 BVerfGG) geltend gemacht werden kann (vgl. BVerfGE 132, 195 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 157, 1 ).

    Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union kommt daher nur insoweit ein Anwendungsvorrang zu, als das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen (vgl. BVerfGE 37, 271 ; 58, 1 ; 73, 339 ; 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 78 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Deutsche Staatsorgane dürfen sich am Zustandekommen von Maßnahmen der Europäischen Union, die als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren sind oder die durch Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen geschützte Verfassungsidentität berühren, nicht beteiligen und an ihrer Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

  • BVerfG, 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92

    Maastricht

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

    bb) Soweit die Beschwerdeführer zu I. bis IV. eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG), die Beschwerdeführer zu II. eine Verletzung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen nach Art. 20a GG, die Beschwerdeführer zu II. und III. eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) und des Kernbereichs kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) sowie die Beschwerdeführer zu III. eine Rechtsmissbräuchlichkeit der vorläufigen Anwendung rügen, sind sie nicht beschwerdebefugt, da sie den notwendigen Zusammenhang zu dem über Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG unmittelbar rügefähigen Demokratieprinzip nicht hinreichend substantiiert aufgezeigt haben (vgl. zu dieser Voraussetzung BVerfGE 123, 267 ; vgl. auch BVerfGE 3, 58 ; 89, 155 ; 153, 74 ; BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 29. April 2021 - 2 BvR 1651/15 u.a. -, Rn. 88).

    Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union kommt daher nur insoweit ein Anwendungsvorrang zu, als das Grundgesetz und das Zustimmungsgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten erlauben oder vorsehen (vgl. BVerfGE 37, 271 ; 58, 1 ; 73, 339 ; 75, 223 ; 89, 155 ; 123, 267 ; 126, 286 ; 129, 78 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

    Deutsche Staatsorgane dürfen sich am Zustandekommen von Maßnahmen der Europäischen Union, die als Ultra-vires-Akt zu qualifizieren sind oder die durch Art. 79 Abs. 3 GG in Verbindung mit den in Art. 1 und Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen geschützte Verfassungsidentität berühren, nicht beteiligen und an ihrer Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ).

  • BVerfG, 18.07.2017 - 2 BvR 859/15

    Verfahren zum Anleihenkaufprogramm der EZB ausgesetzt und dem Gerichtshof der

    Auszug aus BVerfG, 09.02.2022 - 2 BvR 1368/16
    (1) Als grundrechtsgleiches Recht gewährleistet das durch Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte Wahlrecht zum Deutschen Bundestag die politische Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger und garantiert ihnen eine freie und gleiche Teilhabe an der Legitimation der in Deutschland ausgeübten Staatsgewalt (vgl. BVerfGE 123, 267 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ).

    Im Anwendungsbereich von Art. 23 GG schützt er Bürgerinnen und Bürger davor, dass die durch die Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt und die Einflussnahme auf deren Ausübung durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Deutschen Bundestages auf die europäische Ebene so entleert wird, dass das Demokratieprinzip verletzt wird (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeit im Prozess der europäischen Integration vermittelt Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG den Bürgerinnen und Bürgern grundsätzlich nicht allein ein Recht darauf, dass eine Verlagerung von Hoheitsrechten nur in den dafür vorgesehenen Formen von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (vgl. BVerfGE 134, 366 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ).

    Diese Rügen sind mit Blick auf den in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten und von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Anspruch des Bürgers auf demokratische Selbstbestimmung (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ; 129, 124 ; 132, 195 ; 135, 317 ; 142, 123 ; 146, 216 ; 151, 202 ; 153, 74 ; 154, 17 ) hinreichend substantiiert.

  • BVerfG, 18.03.2014 - 2 BvR 1390/12

    Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen Europäischen

  • BVerfG, 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06

    Ultra-vires-Kontrolle Mangold

  • BVerfG, 15.12.2015 - 2 BvR 2735/14

    Gewährleistung einzelfallbezogenen Grundrechtsschutzes im Rahmen der

  • BVerfG, 12.09.2012 - 2 BvR 1390/12

    Europäischer Stabilitätsmechanismus

  • BVerfG, 07.09.2011 - 2 BvR 987/10

    EFS - Verfassungsbeschwerden gegen Maßnahmen zur Griechenland-Hilfe und zum

  • BVerfG, 23.06.2021 - 2 BvR 2216/20

    Erfolglose Eilanträge gegen das Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht

  • BVerfG, 22.03.1995 - 2 BvG 1/89

    EG-Fernsehrichtlinie

  • BVerfG, 02.03.2021 - 2 BvE 4/16

    Erfolgloses Organstreitverfahren betreffend das Umfassende Wirtschafts- und

  • BVerfG, 11.12.2018 - 2 BvE 1/18

    Das Organstreitverfahren eröffnet nicht die Möglichkeit einer objektiven

  • BVerfG, 08.04.1987 - 2 BvR 687/85

    Kloppenburg-Beschluß

  • BVerfG, 23.06.1981 - 2 BvR 1107/77

    Eurocontrol I

  • BVerfG, 04.07.2007 - 2 BvE 1/06

    Abgeordnetengesetz

  • BVerfG, 27.04.1982 - 2 BvH 1/81

    Unmittelbare Beteiligung an Rechtsverhältnissen und deren Verletzung im

  • BVerfG, 21.10.2014 - 2 BvE 5/11

    Informationsrecht der Bundestagsabgeordneten über Rüstungsexporte nach der

  • BVerfG, 19.06.2012 - 2 BvE 4/11

    Anträge im Organstreit "ESM/Euro-Plus-Pakt" erfolgreich

  • BVerfG, 10.02.1976 - 2 BvG 1/74

    Strukturförderung

  • BVerfG, 17.12.1953 - 1 BvR 147/52

    Alle Beamtenverhältnisse sind am 8. Mai 1945 erloschen

  • BVerfG, 19.07.2011 - 1 BvR 1916/09

    Anwendungserweiterung

  • BVerfG, 22.05.2001 - 2 BvQ 48/00

    Altenpflegegesetz vorläufig nicht in Kraft

  • BVerfG, 29.05.1974 - 2 BvL 52/71

    Solange I

  • BVerfG, 04.05.2010 - 2 BvE 5/07

    G8-Gipfel Heiligendamm

  • BVerfG, 13.01.2015 - 2 BvE 1/13

    Unzulässigkeit einer objektiven Beanstandungsklage im Organstreit

  • BVerfG, 22.10.1986 - 2 BvR 197/83

    Solange II

  • EuGH, 30.04.2019 - Gutachten 1/17

    Accord ECG UE-Canada - Gutachten nach Art. 218 Abs. 11 AEUV - Umfassendes

  • BVerfG, 23.09.2015 - 2 BvE 6/11

    Zur Reichweite des Parlamentsvorbehalts für Streitkräfteeinsätze bei Gefahr im

  • BVerfG, 29.07.1952 - 2 BvE 3/51

    Petersberger Abkommen

  • BVerfG, 25.06.1968 - 2 BvR 251/63

    AKU-Beschluß

  • BVerfG, 14.07.1959 - 2 BvF 1/58

    Preußischer Kulturbesitz

  • BVerfG, 30.07.1952 - 1 BvF 1/52

    Deutschlandvertrag

  • BVerfG, 14.01.1986 - 2 BvE 14/83

    Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste

  • BVerfG, 29.07.1952 - 2 BvE 2/51

    Deutsch-Französisches Wirtschaftsabkommen

  • BVerfG, 15.07.2015 - 2 BvE 4/12

    Unzulässige Organklage gegen die Mittelzuweisung an Fraktionen, politische

  • BVerfG, 07.05.2008 - 2 BvE 1/03

    Luftraumüberwachung Türkei

  • BVerfG, 29.04.2021 - 2 BvR 1651/15

    Erfolglose Vollstreckungsanträge zum Urteil des Zweiten Senats zu dem

  • EuGH, 16.05.2017 - Gutachten 2/15

    Freihandelsabkommen mit Singapur: Geteilte Zuständigkeit der EU und der

  • BVerfG, 17.09.2019 - 2 BvE 2/16

    Organstreitverfahren gegen den Anti-IS-Einsatz erfolglos

  • BVerfG, 06.02.2024 - 2 BvE 6/23

    Unzulässige Anträge gegen die Zustimmung Deutschlands zum Direktwahlakt 2018

    Nur bei Wahrung der änderungs- und integrationsfesten Identität der Verfassung ist die Geltung und Anwendung von Unionsrecht in Deutschland demokratisch legitimiert (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 160, 208 - CETA - Vorläufige Anwendung).

    Darüber hinaus dürfen sich deutsche Staatsorgane am Zustandekommen von Maßnahmen der Europäischen Union, die als Ultra-vires-Akte zu qualifizieren sind, weil sie die Kompetenzen der Union offenkundig überschreiten und zu einer strukturellen Verschiebung im Kompetenzgefüge führen (vgl. BVerfGE 142, 123 ; 154, 17 - PSPP-Programm der EZB), nicht beteiligen und an ihrer Umsetzung, Vollziehung oder Operationalisierung nicht mitwirken (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 126, 286 ; 134, 366 ; 140, 317 ; 142, 123 ; 154, 17 ; 160, 208 ; 164, 193 ).

  • BVerfG, 15.09.2023 - 2 BvR 1082/23

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen künftige Mitwirkung Deutschlands an

    Die Mitwirkung der Bundesregierung an dem Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrags auf der internationalen Ebene eignet sich nicht als Beschwerdegegenstand, weil sie noch keine innerstaatlichen Rechtswirkungen auszulösen vermag; derartige Rechtswirkungen werden vielmehr erst durch ein Zustimmungsgesetz bewirkt (vgl. BVerfGE 1, 281 ; 77, 170 ; 143, 65 ; 160, 208 - CETA - Vorläufige Anwendung).

    Die zu überprüfende Norm muss jedoch bereits erlassen - wenn auch nicht notwendigerweise schon in Kraft getreten - sein (vgl. BVerfGE 10, 20 ; 104, 23 ; 123, 267 ; 153, 74 - Einheitliches Patentgericht; 160, 208 ).

    Dies setzt voraus, dass sich Bundestag und Bundesrat abschließend mit dem Gesetz befasst haben, das Gesetz also nur noch der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung bedarf (vgl. BVerfGE 1, 396 ; 153, 74 ; 160, 208 ).

    Ein Zustimmungsgesetz kann mit der Verfassungsbeschwerde daher erst ab dem Zeitpunkt seiner Verabschiedung angegriffen werden (vgl. BVerfGE 24, 33 ; 123, 267 ; 153, 74 ; 160, 208 ).

  • VG Schwerin, 20.01.2017 - 15 A 3003/16

    Asylrecht: Flüchtlingseigenschaft wegen Entziehung vom Nationaldienst durch

    - so aber VG Regensburg, Urteil vom 27. Oktober 2016 - RN 2 K 16.31289 -, juris Rn. 35; Bundesverwaltungsgericht (Schweiz), Urteil vom 30. Januar 2017 - D-7898/2015, Umdruck, S. 41 ff. (Nr. 5) in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 6. April 2010 -D-3892/2008 -, Umdruck, S. 9 ff., Nr. 5.3 ff.); VG Schwerin, Urteil vom 23. November 2016 - 15 A 1444/16 As SN -.
  • VG Schwerin, 22.03.2019 - 15 A 4466/17

    Asylverfahren Eritrea; Entziehung vom Nationaldienst

    - so aber VG Regensburg, Urteil vom 27. Oktober 2016 - RN 2 K 16.31289 -, juris Rn. 35; Bundesverwaltungsgericht (Schweiz), Urteil vom 30. Januar 2017 - D-7898/2015, Umdruck, S. 41 ff. (Nr. 5) in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 6. April 2010 -D-3892/2008 -, Umdruck, S. 9 ff., Nr. 5.3 ff.); VG Schwerin, Urteil vom 23. November 2016 - 15 A 1444/16 As SN; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 21. März 2019 - 2 A 10/18 -, juris Rn. 20 ff.; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 21. März 2019 - 2 A 7/18 -, juris; VG Berlin, Urteil vom 28. Februar 2019 - 28 K 392.18 A -, juris LS 4 Rn. 48 ff.; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 21. September 2018 - 4 Bf 232/18.A -, juris LS 1 und 2 und Rn 39 ff. und 52 ff.; VG C-Stadt, Urteil vom 13. Februar 2019 - 19 A 3512/18 -, juris LS 2 und Rn. 52 ff. -.
  • VG Aachen, 04.12.2023 - 7 L 980/23

    Pflanzenschutzrecht

    vgl. zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts grundlegend EuGH, Urteil vom 15. Juli 1964 - C-6/64 ("Costa ./. ENEL") - juris (sonstiger Orientierungssatz 2); aus jüngerer Zeit BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2022 - 2 BvR 547/21 -, juris Rn. 128 m.w.N.; Beschluss vom 9. Februar 2022 - 2 BvR 1368/16 -, juris Rn. 172 m.w.N.
  • VG Schwerin, 03.02.2017 - 15 A 3692/16

    Eritrea; Frauen im Nationaldienst drohen sexuelle Übergriffe

    - so aber VG Regensburg, Urteil vom 27. Oktober 2016 - RN 2 K 16.31289 -, juris Rn. 35; Bundesverwaltungsgericht (Schweiz), Urteil vom 30. Januar 2017 - D-7898/2015, Umdruck, S. 41 ff. (Nr. 5) in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 6. April 2010 -D-3892/2008 -, Umdruck, S. 9 ff., Nr. 5.3 ff.); VG Schwerin, Urteil vom 23. November 2016 - 15 A 1444/16 As SN -.
  • VG Schwerin, 03.02.2017 - 15 A 3443/16

    Eritrea; Flüchtlingsschutz für Frauen, die mit der Einziehung zum Nationaldienst

    - so aber VG Regensburg, Urteil vom 27. Oktober 2016 - RN 2 K 16.31289 -, juris Rn. 35; Bundesverwaltungsgericht (Schweiz), Urteil vom 30. Januar 2017 - D-7898/2015, Umdruck, S. 41 ff. (Nr. 5) in Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung (Urteil vom 6. April 2010 -D-3892/2008 -, Umdruck, S. 9 ff., Nr. 5.3 ff.); VG B-Stadt, Urteil vom 23. November 2016 - 15 A 1444/16 As SN -.
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