Rechtsprechung
BVerfG, 15.12.2008 - 2 BvR 1656/08 |
Volltextveröffentlichungen (8)
- lexetius.com
- openjur.de
- Bundesverfassungsgericht
Verletzung der Pflicht zur bestmöglichen Sachaufklärung bei der Entscheidung über Strafrestaussetzung zur Bewährung durch Unterlassen der Einholung eines Sachverständigengutachtens
- Wolters Kluwer
Zulässigkeit einer Ablehnung der Aussetzung einer Restfreiheitsstrafe zur Bewährung bei lebenslanger Gesamtfreiheitsstrafe nach Verbüßung der durch die besondere Schuldschwere bedingten Zeit gemäß § 57a Strafgesetzbuch (StGB); Voraussetzungen einer menschenwürdigen ...
- Judicialis
GG Art. 1 Abs. 1; ; GG Art. 2 Abs. 2; ; GG Art. 104 Abs. 1; ; StGB § 211; ; StGB § 57a Abs. 1; ; StGB § 57b; ; StPO § 454 Abs. 2
- rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Prognoseentscheidung bei Aussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe
- datenbank.nwb.de
- juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)
Verfahrensgang
- LG Wuppertal, 31.05.2007 - 2 StVK 302/07
- OLG Hamm, 08.10.2007 - 1 Ws L 603/07
- BVerfG, 15.12.2008 - 2 BvR 1656/08
Papierfundstellen
- BVerfGK 14, 514
Wird zitiert von ... (0) Neu Zitiert selbst (2)
- BVerfG, 08.11.2006 - 2 BvR 578/02
Gefährliche Täter
Auszug aus BVerfG, 15.12.2008 - 2 BvR 1656/08
Die hierdurch von Gesetzes wegen eröffnete Möglichkeit der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus aus Gründen der Gefährlichkeit des Straftäters verletzt weder die Garantie der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) (vgl. BVerfGE 117, 71 ).Fallgestaltungen, die es strikt verwehrten, dem innerlich gewandelten, für die Allgemeinheit ungefährlich gewordenen Gefangenen die Wiedergewinnung der Freiheit zu gewähren, sind dem Strafvollzug unter der Herrschaft des Grundgesetzes grundsätzlich fremd (vgl. BVerfGE 117, 71 m.w.N.).
Der nachhaltige Einfluss des gewichtiger werdenden Freiheitsanspruchs stößt jedoch dort an Grenzen, wo es im Blick auf die Art der von dem Betroffenen drohenden Gefahren, deren Bedeutung und Wahrscheinlichkeit vor dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheint, den Betroffenen in die Freiheit zu entlassen (vgl. BVerfGE 117, 71 m.w.N.).
Vielmehr ist die Ablehnungsentscheidung durch konkrete Tatsachen zu belegen, die das Risiko als unvertretbar erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 117, 71 ).
Bestehen irgendwelche konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte ein neues schweres Verbrechen begehen werde, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Strafvollstreckungsgerichte von einer Aussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe absehen (vgl. BVerfGE 117, 71 m.w.N.).
Es ist verfassungsrechtlich auch im Hinblick auf den Umstand, dass die verhängte lebenslange Freiheitsstrafe als die schuldangemessene Strafe ausgesprochen worden ist, nicht zu beanstanden, wenn die in diesen Fällen verbleibenden Zweifel an einer hinreichend günstigen Prognose zu Lasten des Verurteilten gehen (vgl. BVerfGE 117, 71 m.w.N.).
Der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen muss der Richter durch eine sorgfältige Auswahl des Gutachters entgegenwirken (vgl. BVerfGE 117, 71 ).
Die Strafvollstreckungskammer darf für den Fall, dass sie eine bedingte Entlassung in Erwägung zieht, zum Schutz der Allgemeinheit bei ihrer Entscheidung nicht allein auf Beurteilungen der Justizvollzugsanstalt vertrauen, sondern hat gemäß § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO zusätzlich das Gutachten eines Sachverständigen namentlich darüber einzuholen, "ob keine Gefahr mehr besteht, dass die durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit des Verurteilten fortbesteht" (Gefährlichkeitsprognose) (vgl. BVerfGE 117, 71 ).
Vielmehr muss der Entscheidung auch in diesen Fällen ein zeitnahes wissenschaftlich fundiertes Gutachten der Prognoseentscheidung zugrunde gelegt werden (vgl. BVerfGE 117, 71 ).
- BVerfG, 10.06.1964 - 1 BvR 37/63
Spezifisches Verfassungsrecht
Auszug aus BVerfG, 15.12.2008 - 2 BvR 1656/08
Es greift vielmehr nur ein, wenn die Gerichte übersehen, dass ihre Entscheidung Grundrechte berührt, oder wenn sie die Bedeutung und Tragweite von Grundrechten nicht hinreichend berücksichtigen oder wenn sie sonst aus sachfremden und damit objektiv willkürlichen Gründen entscheiden (vgl. BVerfGE 18, 85 ).