Rechtsprechung
BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19 |
Volltextveröffentlichungen (12)
- HRR Strafrecht
Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG; § 185 StGB; § 193 StGB
Schutz der Meinungsfreiheit und Strafbarkeit wegen Beleidigung (ehrbeeinträchtigende Äußerung über einen Bundespolizeibeamten bei einer Einreisekotrolle; grundsätzliches Erfordernis einer kontextbezogenen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht; ... - openjur.de
- Bundesverfassungsgericht
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen strafrechtliche Verurteilung wegen Beleidigung eines Bundespolizeibeamten anlässlich einer Einreisekontrolle
- rechtsprechung-im-internet.de
Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, Art 5 Abs 1 S 1 GG, Art 5 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG
Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Meinungsfreiheit (Art 5 Abs 1 S 1 GG) durch Verurteilung wg Beleidigung (§ 185 StGB) ohne kontextspezifische Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht einerseits und Meinungsfreiheit andererseits - hier: herabsetzende ... - Wolters Kluwer
Eingriff in die Meinungsfreiheit durch strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund von Äußerungen gegenüber einem Bundespolizeibeamten im Zusammenhang mit einer Einreisekontrolle; Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit
- rewis.io
Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Meinungsfreiheit (Art 5 Abs 1 S 1 GG) durch Verurteilung wg Beleidigung (§ 185 StGB) ohne kontextspezifische Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht einerseits und Meinungsfreiheit andererseits - hier: herabsetzende ...
- debier datenbank(Leitsatz frei, Volltext 2,50 €)
- ra.de
- rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ) durch Verurteilung wg Beleidigung (§ 185 StGB ) ohne kontextspezifische Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht einerseits und Meinungsfreiheit andererseits; hier: ...
- rechtsportal.de
Eingriff in die Meinungsfreiheit durch strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung aufgrund von Äußerungen gegenüber einem Bundespolizeibeamten im Zusammenhang mit einer Einreisekontrolle; Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Meinungsfreiheit
- datenbank.nwb.de
Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung der Meinungsfreiheit (Art 5 Abs 1 S 1 GG) durch Verurteilung wg Beleidigung (§ 185 StGB) ohne kontextspezifische Abwägung zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht einerseits und Meinungsfreiheit andererseits - hier: herabsetzende ...
- juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)
Kurzfassungen/Presse
- lto.de (Kurzinformation)
BVerfG festigt Rechtsprechung zur Beleidigung: Ein dämlich grinsender Richter und ein intellektuell überforderter Polizist
Verfahrensgang
- AG Erding, 26.06.2019 - 2 Cs 303 Js 3598/19
- LG Landshut, 11.11.2019 - 5 Ns 303 Js 3598/19
- BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Papierfundstellen
- StV 2022, 384
Wird zitiert von ... (2) Neu Zitiert selbst (14)
- BVerfG, 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91
"Soldaten sind Mörder"
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ).Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit auf die Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 ; 85, 23 ; 93, 266 ).
Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 ; 61, 1 ; 93, 266 ; stRspr).
Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. BVerfGE 93, 266 ), auf den sich die angegriffenen Entscheidungen stützen.
(1) Aufbauend auf eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 ; 85, 1 ; 93, 266 ; stRspr).
Diese grundrechtlich angeleitete Abwägung knüpft an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Rechtfertigungsgründe des Strafgesetzbuchs an, insbesondere die Begriffe der "Beleidigung' und der "Wahrnehmung berechtigter Interessen' (vgl. BVerfGE 12, 113 ; 90, 241 ; 93, 266 ).
(2) Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde konkreter Personen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 ; 85, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ; 99, 185 ; stRspr).
- BVerfG, 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19
Klarstellung verfassungsrechtlicher Maßgaben für strafrechtliche Verurteilungen …
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Sie erfordert - auf Grundlage entsprechend gehaltvoller tatgerichtlicher Sachverhaltsfeststellungen - eine umfassende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen des Falles und der Situation, in der eine Äußerung gefallen ist (vgl. näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 15 ff.).Bei diesen Ausnahmen vom grundsätzlichen Abwägungserfordernis handelt es sich um verschiedene Fallkonstellationen, an die jeweils strenge Kriterien anzulegen sind (vgl. dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 18 bis 22) und deren fachgerichtliche Feststellung eine tragfähige, auf objektiv feststellbare Umstände gestützte Begründung in Ansehung der konkreten Umstände erfordert (siehe näher dazu BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 23 bis 25).
(3) Bei der danach im Regelfall gebotenen abwägenden Gewichtung der durch eine Äußerung berührten grundrechtlichen Interessen ist je nach Umständen des Falles der Aspekt der Machtkritik zu berücksichtigen, wobei dieser in eine Abwägung eingebunden bleibt (vgl. dazu näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 30 bis 32).
Mit Blick auf Form und Begleitumstände einer Äußerung kann für deren Würdigung als strafbare Beleidigung auch erheblich sein, ob sie spontan in einer hitzigen Situation oder mit längerem Vorbedacht gefallen ist und ob sie von einem größeren Kreis von Personen wahrgenommen werden konnte (vgl. dazu näher BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 33 f.).
Dass es dem Beschwerdeführer nicht um eine Äußerung in der Sache, sondern allein um eine Herabsetzung des Betroffenen gegangen sei, wird jedoch nicht in der erforderlichen, die konkreten, objektiv feststellbaren Umstände des Falles in den Blick nehmenden Weise begründet (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 19. Mai 2020 - 1 BvR 2397/19 -, Rn. 23), sondern ohne nähere Ausführungen behauptet.
- BVerfG, 13.04.1994 - 1 BvR 23/94
Auschwitzlüge
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ).Diese grundrechtlich angeleitete Abwägung knüpft an die wertungsoffenen Tatbestandsmerkmale und Rechtfertigungsgründe des Strafgesetzbuchs an, insbesondere die Begriffe der "Beleidigung' und der "Wahrnehmung berechtigter Interessen' (vgl. BVerfGE 12, 113 ; 90, 241 ; 93, 266 ).
(2) Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde konkreter Personen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 ; 85, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ; 99, 185 ; stRspr).
- BVerfG, 09.10.1991 - 1 BvR 1555/88
Bayer-Aktionäre
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
(1) Aufbauend auf eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 ; 85, 1 ; 93, 266 ; stRspr).Das Ergebnis dieser Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 ; 99, 185 ; stRspr).
(2) Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde konkreter Personen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 ; 85, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ; 99, 185 ; stRspr).
- BVerfG, 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96
Scientology, Helnwein, Anspruch auf Unterlassung rufschädigender Äußerungen
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Das Ergebnis dieser Abwägung ist verfassungsrechtlich nicht vorgegeben (vgl. BVerfGE 85, 1 ; 99, 185 ; stRspr).(2) Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde konkreter Personen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 ; 85, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ; 99, 185 ; stRspr).
- BVerfG, 19.04.1990 - 1 BvR 40/86
Meinungsfreiheit und Ehrenschutz - Franz Josef Strauß
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Dies gilt namentlich für den Einfluss des Grundrechts auf Meinungsfreiheit auf die Auslegung und Anwendung der grundrechtsbeschränkenden Vorschriften der §§ 185 ff. StGB (vgl. BVerfGE 82, 43 ; 85, 23 ; 93, 266 ).(2) Abweichend davon tritt ausnahmsweise bei herabsetzenden Äußerungen, die die Menschenwürde konkreter Personen antasten oder sich als Formalbeleidigung oder Schmähung darstellen, die Meinungsfreiheit hinter den Ehrenschutz zurück, ohne dass es einer Einzelfallabwägung bedarf (vgl. BVerfGE 82, 43 ; 85, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ; 99, 185 ; stRspr).
- BVerfG, 22.06.1982 - 1 BvR 1376/79
Wahlkampf/'CSU : NPD Europas'
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Das Bundesverfassungsgericht hat die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden (vgl. BVerfGE 61, 1 ; 90, 241 ; 93, 266 ).Dass eine Aussage polemisch oder verletzend formuliert ist, entzieht sie nicht dem Schutzbereich des Grundrechts (vgl. BVerfGE 54, 129 ; 61, 1 ; 93, 266 ; stRspr).
- BVerfG, 28.02.1989 - 1 BvR 1291/85
Gegenstandswertfestsetzung im Verfassungsbeschwerde-Verfahren
- BVerfG, 15.01.1958 - 1 BvR 400/51
Lüth - Boykottaufruf, mittelbare Drittwirkung der Grundrechte
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
(1) Aufbauend auf eine der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung erfordert das Grundrecht der Meinungsfreiheit als Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung nach § 185 StGB im Normalfall eine abwägende Gewichtung der Beeinträchtigungen, die der persönlichen Ehre auf der einen und der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite drohen (vgl. BVerfGE 7, 198 ; 85, 1 ; 93, 266 ; stRspr). - BVerfG, 29.07.2003 - 1 BvR 2145/02
Unzutreffende Annahme von Schmähkritik bei Polemik im politischen Meinungskampf
Auszug aus BVerfG, 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19
Es ist dem Bundesverfassungsgericht in solchen Fällen verwehrt, die Sachverhaltsfeststellung und die gebotene Abwägung selbst vorzunehmen (vgl. BVerfGK 1, 289 ). - BVerfG, 25.01.1961 - 1 BvR 9/57
Richard Schmid ./. DER SPIEGEL
- BVerfG, 09.10.1991 - 1 BvR 221/90
Rhetorische Fragen und Meinungsfreiheit
- BVerfG, 13.05.1980 - 1 BvR 103/77
Kunstkritik
- AG Erding, 26.06.2019 - 2 Cs 303 Js 3598/19
Beleidigung eines Polizisten im Rahmen einer Grenzkontrolle
- BayObLG, 15.08.2023 - 204 StRR 292/23
Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht bei Beleidigungen
Dazu gehört auch § 185 StGB (vgl. hierzu BVerfG…, Beschluss vom 10.10.1995 - 1 BvR 1476/91 -, BVerfGE 93, 266, juris Rn. 111;… BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 14.06.2019 - 1 BvR 2433/17 -, NJW 2019, 2600, juris Rn. 17;… vom 19.05.2020 - 1 BvR 2397/19 -, NJW 2020, 2622, juris Rn. 14 m.w.N.; vom 16.10.2020 - 1 BvR 2805/19 -, NJW 2021, 298, juris Rn. 13). - OLG Düsseldorf, 24.08.2023 - 3 ORs 11/23 Denn anders als bei Meinungen im engeren Sinne, bei denen insbesondere im öffentlichen Meinungskampf im Rahmen der regelmäßig vorzunehmenden Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit einerseits und dem Rechtsgut, in dessen Interesse sie durch ein allgemeines Gesetz wie die §§ 185 ff. StGB eingeschränkt werden kann, eine Vermutung zu Gunsten der freien Rede gilt, gilt dies für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise (vgl. zum Ganzen: BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 1995, 1 BvR 1476/91, 1 BvR 1980/91, 1 BvR 102/92 und 1 BvR 221/92; Beschluss vom 29. Februar 2012, 1 BvR 2883/11; Beschluss vom 29. Juni 2016, 1 BvR 2732/15; Beschluss vom 16. März 2017, 1 BvR 3085/15; Beschluss vom 16.Oktober 2020, 1 BvR 2805/19; Beschluss vom 9. Februar 2022, 1 BvR 2588/20;… vgl. MüKoStGB-Regge/Pegel, 4. Auflage, § 186 Rdnr. 7 ff. m.w.N.).