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LSG Nordrhein-Westfalen, 20.02.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER |
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Grundsicherung für Arbeitsuchende
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Kurzfassungen/Presse (3)
Verfahrensgang
- SG Dortmund, 21.11.2019 - S 53 AS 4828/19
- LSG Nordrhein-Westfalen, 20.02.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER
Wird zitiert von ... (10)
- LSG Nordrhein-Westfalen, 31.01.2023 - L 7 AS 1652/22 Der Senat lässt in diesem Zusammenhang offen, ob eine ausländerrechtliche Verlustfeststellung Tatbestandswirkung entfaltet und nur von der insoweit ausgehenden Behörde, dem Ausländeramt, in dem dafür vorgesehen Rechtswege überprüft werden kann (vgl. hierzu BSG Urteil vom 02.12.2014 - B 14 AS 8/13 R; LSG Hessen Beschluss vom 09.10.2019 - L 4 SO 160/19 B ER m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER m.w.N.).
Die Tatbestandswirkung ist in dem Fall insoweit begrenzt (vgl. LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 30.08.2021 - L 6 AS 10003/21 B ER; LSG Hessen Beschluss vom 09.10.2019 - L 4 SO 160/19 B ER; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER; offen gelassen LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 17.12.2018 - L 6 AS 500/18 B ER).
- LSG Schleswig-Holstein, 08.07.2021 - L 6 AS 92/21
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer - …
Sofern aufgrund der Suspensivwirkung keine Ausreisepflicht besteht, sind die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG i. V. m. § 3 AsylbLG jedenfalls nicht erfüllt (entgegen: LSG NRW, Beschluss vom 16.03.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER).Anders als nach § 7 FreizügG/EU in der bis zum 27. August 2007 geltenden Fassung, in der noch die Unanfechtbarkeit für die Ausreisepflicht gefordert wurde, sollte durch die Streichung des Begriffs die Wirksamkeit der Feststellungsentscheidung nach § 7 FreizügG/EU im europarechtlich zulässigen Rahmen vorverlagert werden und nicht mehr die Unanfechtbarkeit erfordern (vgl. ausdrücklich die Begründung zur Änderung des § 7 Abs. 1 durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007, BT-Drs. 16/5065 S. 211 zu Nummer 8 a. aa.; siehe hierzu auch LSG Hamburg…, Beschluss vom 28. September 2017, L 4 SO 55/17 B ER, juris, Rn. 6; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER, jeweils juris).
Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Feststellung und auch der Überprüfung, ob in der Folgezeit erneut eine Freizügigkeitsberechtigung entsteht, obliegt ausschließlich den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, L 19 AS 2035/19 B ER, juris).
Erst bei einer Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Behörde (so zunächst im Ausgangsverfahren LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, L 19 AS 2035/19 B ER, Rn. 5) oder mit rechtskräftigem Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens könnten überhaupt die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG erfüllt sein.
Für die denkbare Anwendung auf EU-Ausländer spricht der weit formulierte Wortlaut der Regelung und die Ausweitung des Anwendungsbereichs im Laufe der Gesetzesgeschichte des AsylbLG (so wie die Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, L 19 AS 2035/19 B ER, juris Rn. 67 ff).
- SG Kiel, 08.06.2021 - S 36 AS 10011/21
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Grundsicherung für Arbeitsuchende - …
Ist Widerspruch oder Klage gegen die Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erhoben worden und entfaltet diese einen Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 S.1 VwGO, so hat der Unionsbürger einen Anspruch auf Duldung für die Dauer des Verfahrens und damit Anspruch auf Asylbewerberleistungen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG i.V.m. § 3 AsylbLG (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER - zitiert nach juris).Bis dahin dürfe sich ein Unionsbürger unabhängig vom Vorliegen einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 FreizügG/EU aufgrund der generellen Freizügigkeitsvermutung im Bundesgebiet aufhalten, ohne ausreisepflichtig zu sein (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 2013, Az. B 4 AS 54/12 R, ferner vom 3. Dezember 2015, Az. B 4 AS 44/15 R - beide zitiert nach juris; zum Vorstehenden: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER - zitiert nach juris).
Vielmehr geht die Kammer unter Bezugnahme auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. März 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER, dem die Kammer nach eigener Prüfung folgt, davon aus, dass die weiterhin wirksame Feststellung eines Verlusts des Freizügigkeitsrechts der Annahme eines zukunftsoffenen Aufenthalts im Bundesgebiet ungeachtet ihrer Anfechtung entgegensteht.
Hierzu führt das LSG Nordrhein-Westfalen in seinen Beschlüssen vom 16. März 2020 zum Az. L 19 AS 2035/19 B ER sowie vom 14. November 2018, Az. L 19 AS 1434/18 B ER aus:.
Die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Feststellung obliegt ausschließlich den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. nur LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER - zitiert nach juris).
Insoweit entfalten wirksame Verwaltungsakte schon vor Eintritt ihrer materiellen Bestandskraft Tatbestandswirkung (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER - zitiert nach juris).
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG sind leistungsberechtigt Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. März 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER - zitiert nach juris).
- LSG Sachsen, 06.12.2022 - L 4 AS 939/20 Dieser Auffassung des 20. Senats des LSG Nordrhein-Westfalen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen…, Beschluss vom 25.11.2021 - L 8 SO 207/21 B ER - juris, Hohm in: Gemeinschaftskommentar zum AsylbLG, Stand August 2022, III § 1 Rn. 21;… Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl, § 1 AsylbLG (Stand: 18.11.2019), Rn. 43 ff.;… Dollinger in: Siefert, AsylbLG, 2. Aufl., Stand: 2020, § 1 Rn. 46, Wahrendorf, AsylbLG, Stand: 2017, Rn. 12;… Birk in: LPK-SGB XII, § 1 AsylbLG Rn. 2; a.A. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER - juris Rn. 67 ff.;… Decker in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 1 AsylbLG Rn. 41;… Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 1 Rn. 34, der aber davon ausgeht, dass EU-Bürger faktisch nicht in den Anwendungsbereich fallen ).
- LSG Nordrhein-Westfalen, 16.01.2023 - L 19 AS 1775/22 Nach ständiger Rechtsprechung des Senats haben Unionsbürger keinen gewöhnlichen Aufenthalt i.S.v. § 7 Abs. 1 S.1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 SGB I mehr, wenn die Ausländerbehörde den Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU festgestellt, die Abschiebung angedroht und den Sofortvollzug angeordnet hat (Beschlüsse des Senats vom 11.03.2015 - L 19 AS 141/15 B ER; vom 06.10.2017 - L 19 AS 1761/17 B ER; vom 14.11.2018 - L 19 AS 1434/18 B ER; vom 16.03.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER; siehe auch LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.07.2021 - L 6 AS 92/21 B ER).
- LSG Hessen, 29.06.2020 - L 4 SO 91/20 Es sei unter Berücksichtigung des Beschlusses des LSG Nordrhein-Westfalen vom 20. Februar 2020, Az. L 19 AS 2035/19 B ER, mindestens klärungsbedürftig, ob die fehlende Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht zur Begründung einer besonderen Härte herangezogen werden könne.
Dabei folgt der Senat nicht der Auffassung, dass der Anwendungsbereich des AsylbLG teleologisch auf Bürger nicht der Europäischen Union angehörender Staaten, sog. Arbeitsstaaten, zu beschränken ist und daher Unionsbürger generell keine Ansprüche nach diesem Gesetz haben (wie hier: LSG NRW, Beschluss vom 16. März 2020 - L 19 AS 2035/19 B ER -, Rn. 67, juris;… Cantzler, Asylbewerberleistungsgesetz, 2019, § 1 Rn. 34; a. A.: LSG NRW, Beschluss vom 30.05.2019 - L 20 AY 15/19 B ER;… Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl., § 1 AsylbLG (Stand: 18.11.2019) Rn. 43f), denn nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Aufenhaltsgesetz (AufenthG) ist Ausländer jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist, mithin auch EU-Ausländer wie die Antragsteller.
- LSG Niedersachsen-Bremen, 25.11.2021 - L 8 SO 207/21
Zur Auslegung des "gewöhnlichen Aufenthaltes" iSd § 7 Abs 1 Satz 4 Hs 1 SGB II
Das AsylbLG ist nach Sinn und Zweck dieses Gesetzes, seiner Entstehungsgeschichte und dem Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen auf Angehörige der EU nicht anwendbar; § 1 Abs. 1 AsylbLG ist insoweit teleologisch zu reduzieren (so auch die wohl h.M. vgl. LSG Nordrhein-Westfalen…, Beschluss vom 30.5.2019 - L 20 AY 15/19 B ER - juris Rn. 29 ff.; Bayerischer VGH…, Beschluss vom 14.5.2020 - 12 CE 20.985 - juris Rn. 22; grundlegend VG Darmstadt…, Urteil vom 26.1.2004 - AN 4 K 03.01940 - juris Rn. 33-37;… Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG Rn. 81;… Dollinger in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG Rn. 46;… Hohm in GK-AsylbLG, § 1 AsylbLG Rn. 21 ff. m.w.N.;… Korff in BeckOK SozR, AsylbLG, § 1 AsylbLG Rn. 5;… Wahrendorf, AsylbLG, § 1 AsylbLG Rn. 13; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.3.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER - juris Rn. 67 ff. …und Beschluss vom 16.1.2019 - L 7 AS 1085/18 B - juris Rn. 26; Hessisches LSG…, Beschluss vom 5.2.2015 - L 6 AS 883/14 B ER - juris Rn. 12;… Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl. 2019, § 1 Rn. 34;… Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG Rn. 9;… Decker in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 1 AsylbLG Rn. 66 f.). - LSG Schleswig-Holstein, 30.08.2021 - L 6 AS 10003/21
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Leistungsausschluss für Ausländer ohne …
Ob sich die Verlustfeststellung mit dem nach ihrem Erlass kraft Gesetzes verwirklichten neuen Freizügigkeitstatbestand im Sinne des § 112 Abs. 2 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) auf andere Weise als durch Zeitablauf jedenfalls mit Wirkung ex nunc erledigt hat (so LSG Hessen…, Beschluss vom 9. Oktober 2019 - juris Rn. 46 f.) oder bei Neuerwerb der Freizügigkeitsberechtigung in einem andauernden Gerichtsverfahren die Verlustfeststellung entweder mit Wirkung ex nunc aufzuheben ist oder als zeitlich teilbarer Verwaltungsakt nachträglich auf bestimmte zurückliegende Zeiträume beschränkt werden kann und mithin grundsätzlich das Handeln der Ausländerbehörde erfordern (so unter Hinweis auf die Rspr. des BVerwG LSG NRW, Beschluss vom 16. März 2020 - L 19 AS 2035/19 B ER - juris Rn. 38 ff) kann offenbleiben.Hierbei ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - die Frage, ob ein Aufenthaltsrecht besteht, systematisch zutreffend im Rahmen der Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II und nicht bereits bei den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (hier § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 "gewöhnlicher Aufenthalt"; a.A. LSG NRW, Beschluss vom 16. März 2020 - L 19 AS 2035/19 B ER - juris Rn. 35) zu prüfen.
- LSG Nordrhein-Westfalen, 07.04.2022 - L 9 SO 295/20
Anspruch des Krankenhauses auf Erstattung der Kosten für eine stationäre …
Es kann im vorliegenden Verfahren offen bleiben, ob der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AsylbLG in der Weise teleologisch zu reduzieren ist, dass EU-Ausländer nicht von der Norm erfasst sind (so LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 30.05.2019 - L 20 AY 15/19 B ER; Bayerischer VGH Beschluss vom 14.05.2020 - 12 CE 20.985; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 25.11.2021 - L 8 SO 207/21 B ER;… Frerichs in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG Rn. 81; aA LSG Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 16.03.2020 - L 19 AS 2035/19 B ER und vom 16.01.2019 - L 7 AS 1085/18 B; LSG Hessen Beschluss vom 05.02.2015 - L 6 AS 883/14 B ER;… Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, SGB XII, 7. Aufl. 2020, § 1 AsylbLG Rn. 9). - SG Hamburg, 19.03.2021 - S 62 AS 732/21
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsanspruch eines EU-Ausländers; …
Der unzureichende gerichtliche Rechtschutz verstärkt sich weiterhin, wenn man zudem noch die Auffassung vertritt, dass die Feststellungen der Ausländerbehörde hinsichtlich des Verlustes des Freizügigkeitsrechtes von Unionsbürgern für die Sozialbehörden und -gerichte bindend seien (so aber LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.03.2020, L 19 AS 2035/19 B ER, Rn. 58 - juris).