Rechtsprechung
OLG Hamburg, 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 |
Volltextveröffentlichungen (6)
- Burhoff online
Corona, Fälschung von Impfausweisen, Sperrwirkung, Urkundenfälschung
- openjur.de
- Justiz Hamburg
Art 103 Abs 2 GG, § 27 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 267 Abs 3 Nr 1 StGB, § 277 StGB vom 13.11.1998
Sperrwirkung der Fälschung von Impfausweisen in Altfällen
- strafrechtsiegen.de
Impfausweise nachgemacht und verkauft - Urkundenfälschung?
- rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
- rechtsportal.de
Strafbarkeit des Fälschens von Impfausweisen
Kurzfassungen/Presse (3)
- Burhoff online Blog (Kurzinformation und Auszüge)
Corona: Fälschung von Impfausweisen - Keine Sperrwirkung zu § 267 StGB
- anwaltonline.com(Abodienst, kostenloses Probeabo) (Kurzinformation)
Gefälschte Impfpässe als gewerbsmäßige Urkundenfälschung - Corona-Virus
- Akte Recht (Lehrstuhl Prof. Safferling)
(Kurzinformation)
Strafbarkeit des Fälschens von Impfpässen gem. § 267 StGB u. § 277 StGB a.F.
Besprechungen u.ä.
- Lehrstuhl für Strafrecht Prof. Marxen (Fallmäßige Aufbereitung - für Studienzwecke)
Impfausweis-Fall
Verfahrensgang
- LG Hamburg, 22.12.2021 - 634 KLs 8/21
- OLG Hamburg, 27.01.2022 - 1 Ws 114/21
- LG Hamburg, 01.03.2022 - 634 KLs 8/21
- BGH, 10.11.2022 - 5 StR 283/22
Corona: Rechtsprechungsübersichten 
Wird zitiert von ... (11)
- OLG Stuttgart, 08.03.2022 - 1 Ws 33/22
Verdacht der Urkundenfälschung durch Vorlage eines gefälschten Impfbuchs in einer …
Hierunter fällt auch der Impfnachweis, da die Impfung eine Information über die voraussichtlich gesteigerte Immunabwehrkraft als Aspekt des Gesundheitszustandes impliziert (Gaede/Krüger, NJW 2021, 2159, 2163; siehe auch RGSt 24, 284; OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 16; OLG Bamberg…, Beschluss vom 17. Januar 2022 - 1 Ws 732/21, juris, Rn. 14).Nach der ebenfalls vertretenen Gegenauffassung (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris) sollte jedoch lediglich die Vorlage gefälschter bzw, unrichtiger Gesundheitszeugnisse gegenüber Behörden und Versicherungen privilegiert werden.
Angesichts des Alters der Normen und des seither erfolgten vielfältigen allgemeinen Bedeutungswandels des Strafrechts erscheint bei der Auslegung des Gesetzes der historische Wille des damaligen Gesetzgebers in seinem Gewicht vermindert (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 22 mwN).
Aus hiesiger Sicht ist es jedoch auch vorstellbar, dass der Gesetzgeber die Privilegierung der Vorlage von Gesundheitszeugnissen gegenüber Versicherungen und Behörden im Gegensatz zur Vorlage gegenüber Privaten deshalb eingeführt hat, weil er davon ausging, dass Versicherungen und Behörden die Fälschungen leichter zu erkennen vermögen als Privatpersonen (so LG Heilbronn…, Beschluss vom 11. Januar 2022 - 1 Qs 95/21, juris, Rn. 12), oder weil gegenüber Versicherungen und Behörden häufig ein zumindest faktischer Zwang zur Einreichung von gesundheitlichen Zeugnissen besteht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 34).
Ein solcher drängte sich unmittelbar nur in Fällen auf, in denen die Voraussetzungen der §§ 277 ff. StGB auch tatsächlich vorlagen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 38).
Aus einer systematischen Gesamtbetrachtung lässt sich entgegen der überwiegend vertretenen Auffassung gerade nicht zwingend entnehmen, dass der Gesetzgeber Gesundheitszeugnisse grundsätzlich anders behandeln wollte als sonstige Urkunden, so dass jene aus dem Anwendungsbereich der Urkundenfälschung herausfallen sollten (so auch OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 27 ff.).
Eine generelle Herausnahme von Gesundheitszeugnissen aus dem Anwendungsbereich der Urkundendelikte stünde in einem überraschenden Gegensatz zur grundsätzlich weitreichenden Regelung der Urkundendelikte, die auch eine Vielzahl von Lebenssachverhalten erfassen, deren Bedeutung für den Rechtsverkehr geringer ist als derjenige von Gesundheitszeugnissen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 27).
Gegen die Annahme, dass der Gesetzgeber Täuschungen mit Gesundheitszeugnissen als generell weniger strafwürdig einstufte als Täuschungen mit sonstigen Urkunden, spricht vielmehr die erste Handlungsalternative des § 277 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung, welche eine - nach den Urkundendelikten nicht strafbare - schriftliche Lüge beschreibt (…NK-StGB/ Puppe/Schumann, 5. Auflage 2017, § 277 StGB, Rn. 7), womit die Strafbarkeit im Verhältnis zu sonstigen Urkundendelikten sogar erweitert wurde (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 28).
Darüber hinaus ist gegen eine gewollte generelle Sonderstellung von Gesundheitszeugnissen anzuführen, dass diese aufgrund des Fehlens diesbezüglicher Regelungen in den §§ 277 ff. StGB a.F. - ebenso wie sämtliche anderen Urkunden - auch der Urkundenunterdrückung des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB unterfielen (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 29).
Es ist zudem nicht ersichtlich, dass das Strafgesetzbuch seiner Systematik nach den Gebrauch falscher Gesundheitszeugnisse gerade gegenüber Behörden und Versicherungen als unrechtserhöhend einstufte; vielmehr enthält das Gesetz angesichts der weitreichenden Erfassung von Fälschungen durch § 267 StGB keine Hinweise darauf, die rechtserheblichen Auswirkungen der Vorlage von Zeugnissen gegenüber Privatleuten oder privaten Unternehmen generalisierend geringer einzustufen als die Vorlage bei Behörden oder Versicherungen (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 1 Ws 114/21, juris, Rn. 32 ff.).
Dieser Problematik kann dadurch Rechnung getragen werden, die bloße Fälschung von Gesundheitszeugnissen dann unter die - § 267 StGB verdrängende Vorschrift des § 277 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung fallen zu lassen, wenn deren Zweckbestimmung zur Täuschung im Rechtsverkehr sich lediglich auf Behörden und Versicherungen bezieht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21, juris, Rn. 37).
- OLG Karlsruhe, 26.07.2022 - 2 Rv 21 Ss 262/22
Vorlagefrage an BGH zur Sperrwirkung bei Vorlage eines Impfausweises mit …
Von dieser unechten Urkunde hat der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen im Wissen um die dargelegten Umstände und in der Absicht im Rechtsverkehr Gebrauch gemacht, durch ihre Vorlage in der Apotheke einen - inhaltlich unzutreffenden - digitalen Impfnachweis zu erlangen (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21 -, juris Rn. 9 ff.; OLG Stuttgart…, Beschluss vom 8. März 2022 - 1 Ws 33/22 -, juris Rn. 10; OLG Celle…, Urteil vom 31. Mai 2022 - 1 Ss 6/22 -, juris Rn. 15).Schließlich spricht gegen den Zweck einer umfassenden Privilegierung durch die §§ 277 ff. StGB a.F. auch, dass im Fall einer umfassenden Sperrwirkung nur Behörden und Versicherungsgesellschaften nicht aber der Rechtsverkehr allgemein vor gefälschten Gesundheitszeugnissen geschützt wäre, Gesundheitszeugnisse aber gleichwohl ebenso wie alle anderen Urkunden vom Anwendungsbereich der Urkundenunterdrückung des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst waren, da die §§ 277 ff. StGB a.F. diesbezüglich keine Regelungen enthielten (OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022, a.a.O. Rn. 29;… OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 23;… OLG Celle, a.a.O., Rn. 29;… LG Heidelberg, a.a.O. Rn. 24).
- OLG Celle, 31.05.2022 - 1 Ss 6/22
Vorlage eines gefälschten Impfausweises in einer Apotheke
Der Tatbestand der Urkundenfälschung nach § 267 StGB wird bei der Vorlage eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke zwecks Erlangung eines COVID-19-impfzertifikats nicht durch die Vorschriften der §§ 277 bis 279 StGB in der bis zum 23. November 2021 geltenden Fassung verdrängt (Anschluss an Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21 -, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. März 2022 - 1 Ws 33/22 -, juris; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. März 2022 - 1 Ws 19/22 -, juris; entgegen OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2022 - 1 Ws 732/21 -, juris).cc) Danach ist der speziellere Tatbestand des § 279 StGB a. F. vorliegend nicht erfüllt, so dass nicht ohne Weiteres eine Sperrwirkung besteht (…ebenso OLG Stuttgart a.a.O., Rn. 18; s. a. OLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21 -, juris, Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 31. März 2022 - 1 Ws 19/22 -, juris; LG Ingolstadt Beschluss vom 7. April 2022 - 2 Qs 40/22 -, BeckRS 2022, 8784; LG Heidelberg, Beschluss vom 31. März 2022 - 1 Qs 5/22 -, juris).
Auch wäre, wenn Zweck der Regelung über Gesundheitszeugnisse gerade eine umfassende Privilegierung gewesen sein sollte, nicht erklärlich, dass eine Privilegierung im Falle der Unterdrückung von Gesundheitszeugnissen mangels einer diesbezüglichen Regelung in §§ 277 ff. StGB a.F. gerade nicht in Betracht käme, so dass in diesem Fall § 274 StGB auch bei der Unterdrückung von Gesundheitszeugnissen anwendbar bliebe (vgl. HansOLG Hamburg, Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21 -, juris, Rn. 29).
- LG Ingolstadt, 07.04.2022 - 2 Qs 40/22
Gebrauchen gefälschter Impfnachweise gegenüber Privaten ist (auch nach altem …
Die Anwendung des Straftatbestandes der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB wird vorliegend nicht durch die vor dem 24.11.2021 gültige Fassung des § 279 StGB verdrängt (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179; OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034).Hierunter fällt auch ein Impfnachweis, weil die Impfung eine Information über die voraussichtlich gesteigerte Immunabwehrkraft als Aspekt eines menschlichen Gesundheitszustandes impliziert (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 16;… OLG Bamberg, Beschluss v. 17.01.2022 - 1 Ws 732/21, COVuR 2022, 176, 177, Rn. 8;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 14).
Sie schließt sich der gegenteiligen Ansicht an, nach der bei der Vorlage eines mutmaßlich gefälschten Impfnachweises gegenüber Apotheken keine Sperrwirkung von den §§ 277 bis 279 StGB aF ausgeht, sondern auf den allgemeinen Tatbestand der Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB zurückzugreifen ist (…vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 20; OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 15;… LG Heidelberg, Beschluss v. 31.03.2022 - 1 Qs 5/22, BeckRS 2022, 6654, Rn. 17).
Viel spricht dafür, dass durch die Vorläufernorm der §§ 277 bis 279 StGB aF im preußischen Strafgesetzbuch (§ 256 pStGB) der Anwendungsbereich des Straftatbestands der Urkundenfälschung in § 247 pStGB, der sehr viel enger war, als der des § 267 StGB, um die in § 256 pStGB geregelte Sachverhaltskonstellationen erweitert wurde und nicht beschränkt werden sollte (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 22).
Tendenziell dagegen spricht, dass der Tatbestand der Urkundenfälschung durch § 267 StGB im Vergleich zu seiner Vorläuferregelung in § 247 pStGB eine deutliche Erweiterung erfahren hatte (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 22.).
Letztlich erscheint der historische Wille des Gesetzgebers bei der Auslegung des Gesetzes angesichts des Alters der Normen und des seither erfolgten vielfältigen Bedeutungswandels des Strafrechts in seinem Gewicht vermindert (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 22;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 21).
bb) Auch bei der Betrachtung der Gesetzessystematik kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Gesetz den Umgang mit unrichtigen Gesundheitszeugnissen nur dann unter Strafe stellen wollte, wenn solche gegenüber Behörden oder Versicherungsgesellschaften gebraucht werden, und sie damit grundsätzlich anders behandeln wollte als sonstige Urkunden (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 24;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 23;… LG Heidelberg, Beschluss v. 31.03.2022 - 1 Qs 5/22, BeckRS 2022, 6654, Rn. 21).
Eine generelle Herausnahme von Gesundheitszeugnissen aus dem Anwendungsbereich der Urkundendelikte stünde in einem überraschenden Gegensatz zur grundsätzlich weitreichenden Regelung der Urkundendelikte, die auch eine Vielzahl von Lebenssachverhalten erfassen, deren Bedeutung für den Rechtsverkehr erheblich geringer ist als derjenige von Gesundheitszeugnissen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 27;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 23).
Vielmehr hat der Gesetzgeber etwa in der ersten Handlungsalternative des § 277 StGB aF sogar ausnahmsweise die schriftliche Lüge unter Strafe gestellt, die dem Anwendungsbereich des § 267 Abs. 1 StGB entzogen ist (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 180, Rn. 28;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 23).
Außerdem spricht gegen eine gewollte generelle Sonderstellung von Gesundheitszeugnissen, dass diese aufgrund des Fehlens einer diesbezüglichen Sonderregelung in den §§ 277 bis 279 StGB aF ebenso wie alle anderen Urkunden der Urkundenunterdrückung gemäß § 274 Abs. 1 Nr. StGB unterfallen (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 182, Rn. 29;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 23;… LG Heidelberg, Beschluss v. 31.03.2022 - 1 Qs 5/22, BeckRS 2022, 6654, Rn. 24).
(vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 181, Rn. 27;… LG Heidelberg, Beschluss v. 31.03.2022 - 1 Qs 5/22, BeckRS 2022, 6654, Rn. 26).
Dieser Problematik kann dadurch begegnet werden, dass die bloße Fälschung von Gesundheitszeugnissen dann unter die den § 267 StGB verdrängende Vorschrift fällt, wenn deren Zweckbestimmung zur Täuschung im Rechtsverkehr sich lediglich auf Behörden und Versicherungen bezieht (vgl. OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 182, Rn. 37;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 26).
Ausdrückliche Hinweise auf einen Anwendungsvorrang des § 277 StGB enthält das Gesetz nicht (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21, COVuR 2022, 179, 183, Rn. 38;… OLG Stuttgart, Beschluss v. 08.03.2022 - 1 Ws 33/22, BeckRS 2022, 6034, Rn. 27).
- BayObLG, 03.06.2022 - 207 StRR 155/22
In Apotheke vorgelegter Impfpass: § 277 StGB a.F. steht zu § 267 Abs. 1 StGB im …
Soweit die Gegenauffassung (insbesondere OLG Hamburg, Beschluss vom 27.01.2022, 1 Ws 114/21, zitiert nach juris, dort Rdn. 34, und OLG Stuttgart aaO Rdn. 21) weiter meint, dass §§ 277ff. StGB a. F. die dort genannten Fälle der Vorlage von unrichtigen Gesundheitszeugnissen bei Behörden und Versicherungen deshalb mit einer geringeren Strafandrohung versehen hätten (und deshalb im Übrigen § 267 StGB anwendbar sein soll), weil diese bessere Möglichkeiten hätten, Verfälschungen aufzudecken und zudem dort häufig eine Vorlagepflicht von Gesundheitszeugnissen bestehe, zeigt sie hierfür in den Gesetzesmaterialen zum einen keinerlei Anhaltspunkte auf und hätte die gesetzliche Regelung zum anderen dann auch anders ausfallen müssen (…so im Einzelnen zutreffend LG Hamburg aaO Rdn. 156). - OLG Schleswig, 31.03.2022 - 1 Ws 19/22
Strafbarkeit von Impfpassfälschung als Urkundenfälschung
Im Falle gefälschter Impfpässe schließen die §§ 277 bis 279 StGB in der bis zum 23.11.2021 geltenden Fassung eine Strafbarkeit nach der allgemeinen Vorschrift des § 267 StGB nicht aus (Anschluss an Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 - bei juris).Hinsichtlich dieser in Rechtsprechung (LG Osnabrück Beschluss vom 26. Oktober 2021 - Qs 38/21; LG Karlsruhe Beschluss vom 26. November 2021 - 19 Qs 90/21; LG Hechingen Beschluss vom 13. Dezember 2021 - 3 Qs 77/21; LG Landau Beschluss vom 13. Dezember 2021 - 5 Qs 93/21; LG Kaiserslautern Beschluss vom 23. Dezember 2021 - 5 Qs 107/21; OLG Bamberg Beschluss vom 17. Januar 2022 - 1 Ws 732/21, 1 Ws 733/21 - NJW 2022, 556; OLG Hamburg Beschluss vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21) und Lehre (eingehend m.w.N. Dastis HRRS 2021, 456; Lichtenthäler NStZ 2022, 138; Wolf ZfIStW 2022, 146) aufgrund zahlreicher vergleichbarer Fallgestaltungen aktuell umstrittenen Rechtsfrage schließt sich der Senat der Auffassung des OLG Hamburg an.
- LG Hamburg, 01.03.2022 - 634 KLs 8/21
Impfausweisfälschung: Gesundheitszeugnisse §§ 277 bis 279 StGB
Mit der mit Änderungen zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg vom 22.11.2021 in der Fassung des Beschlusses der Kammer vom 22.12.2021 und des Beschlusses des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 27.01.2022 (Az.: 1 Ws 114/21) war dem Angeklagten A. auch vorgeworfen worden, in H. zwischen August und September 2021 durch neun Straftaten, 2. bis 9. und 11., jeweils gewerbsmäßig zur Täuschung im Rechtsverkehr unechte Urkunden hergestellt zu haben, indem er jeweils in der Absicht, sich aus dem wiederholten Verkauf von gefälschten Impfpässen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen, entweder an seiner Wohnanschrift in der B. Hauptstraße ...,... H., oder in einer Wohnung in der B. ... ... H., (Blanko-) Impfpässe mit den Namen seiner jeweiligen Kunden versah, Eintragungen über angeblich erfolgte Erst- und Zweitimpfungen gegen das Sars-CoV-2-Virus mit Daten der beiden Impfungen, dem Impfstoff "Comirnaty" und jeweils einer Chargennummer eintrug, das Dokument mit einem Stempel mit dem Aufdruck "Landkreis H., Impfzentrum B., R.- S.-Straße... ;... B. i.d.N." versah und die Eintragungen mit einer nachgeahmten bzw. erfundenen Unterschrift des angeblichen Impfarztes abzeichnete und die so hergestellten Impfzertifikate für zumeist je 200,- Euro je Stück an seine - wie er wusste - nicht gegen das Sars-CoV-2-Virus geimpften Kunden übergab, damit diese die Möglichkeit hatten, sich gegenüber Dritten, z.B. in Apotheken, bei Veranstaltungen, in der Gastronomie, beim Reisen oder beim Arbeitgeber als geimpfte Personen auszugeben, im Einzelnen:.Gesundheitszeugnisse sind körperliche oder elektronisch fixierte Aussagen über die körperliche oder psychische Gesundheit oder Krankheit eines (lebenden) konkret individualisierbaren Menschen (Hanseatisches OLG, Beschluss vom 27.01.2022, Az.: 1 Ws 114/21, Rn. 16, Juris; OLG Bamberg…, Beschluss vom 17.01.2022, Az.: 1 Ws 732/21, Rn. 14, Juris; LG Kaiserslautern…, Beschluss vom 23.12.2021, Az.: 5 Qs 107/21, Rn. 9, Juris; LG Paderborn…, Beschluss vom 01.12.2021, Az.: 05 Qs-18 Js 978/21-33/21, Rn. 19, Beck-online; LG Karlsruhe…, Beschluss vom 26.11.2021, Az.: 19 QS 90/21, Rn. 17 f., Beck-Online; LG Osnabrück…, Beschluss vom 26.10.2021, Az.: 3 Qs 38/21, Rn. 8, Juris; LG Köln…, Beschluss vom 07.07.2016, Az.: 105 Qs 165/16, Rn. 7, Juris;… Fischer, StGB, 69. Auflage, § 277 Rn. 3).
- LG Arnsberg, 17.03.2022 - 6 Qs 10/22 Zwar handelt es sich bei der schriftlichen Impfdokumentation i. S. d. § 22 Abs. 1 IfSG um ein Zeugnis über den Gesundheitszustand, da durch diese die Feststellung getroffen wird, dass die Gesundheit des Impfpassinhabers aufgrund der Impfung voraussichtlich vor der Krankheit, auf welche sich der Impfstoff bezieht, besser geschützt ist (vgl. RGSt 24, 284, 285 ff.;… OLG Bamberg, Beschluss v. 17.01.2022 - 1 Ws 732-733/21 = NJW 2022, 556 Rn. 8; OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 = BeckRS 2022, 864 Rn. 16;… Erb in: MüKo StGB, 4. Aufl. 2022, § 277 Rn. 2).
Die Apotheke, gegenüber der der Angeschuldigte den Impfpass wahrscheinlich vorgelegt hat, ist keine Behörde i. S. d. § 279 StGB, da das Handeln der Mitarbeiter der Apotheke dem RKI nicht zuzurechnen ist (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 = BeckRS 2022, 864 Rn. 16).
Die Kammer schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg an (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 = BeckRS 2022, 864; s. auch Dastis , HRRS 2021, 456, 458 f.;… Puppe/Schumann in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK StGB, 5. Aufl. 2017, § 277 Rn. 9).
Vielmehr enthalten die §§ 277 ff. StGB eine Privilegierung im Hinblick auf den Gebrauch gefälschter Gesundheitszeugnisse gegenüber Behörden und Versicherungen, da diesen gegenüber häufig ein zumindest faktischer Zwang zur Einreichung von Gesundheitszeugnissen besteht (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 = BeckRS 2022, 864 Rn. 34;… vgl. auch Puppe/Schumann in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, NK StGB, 5. Aufl. 2017, § 277 Rn. 9; Dastis , HRRS 2021, 456, 459;… kritisch hingegen: OLG Bamberg, Beschluss v. 17.01.2022 - 1 Ws 732-733/21 = NJW 2022, 556 Rn. 11).
Soweit vorgebracht wird, dass die Privilegierung des § 277 StGB a. F. unterlaufen würde, wenn allein die Fälschung eines Gesundheitszeugnisses zu einer Strafbarkeit nach § 267 StGB führen würde, die Fälschung mit anschließendem Gebrauch hingegen zu einer Strafbarkeit nach § 277 StGB (…OLG Bamberg, Beschluss v. 17.01.2022 - 1 Ws 732-733/21 = NJW 2022, 556 Rn. 11), kann dieser Widerspruch aufgelöst werden, indem für Gesundheitszeugnisse, die ausschließlich zum Gebrauch bei einer Behörde oder einer Versicherung bestimmt sind, eine Spezialität von § 277 StGB a. F. angenommen wird (OLG Hamburg, Beschluss v. 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 = BeckRS 2022, 864 Rn. 37).
- AG Zossen, 12.04.2022 - 134 Ds 482 Js 47926/21
Corona, gefälschter Impfpass, Vorlage, Apotheke, Strafbarkeit, alte Rechtslage
Ein Rückgriff auf § 267 StGB ist nach ganz überwiegender Ansicht - der sich das erkennende Gericht anschließt - nicht möglich (OLG Bamberg, Beschluß vom 17. Januar 2022 - 1 Ws 732/21 -, juris; LG Kaiserslautern, Beschluß vom 23. Dezember 2021 - 5 Qs 107/21 -,juris; LG Hechingen, Beschluß vom 13. Dezember 2021 - 3 Qs 77/21 -, juris; LG Osnabrück, Beschluß vom 26. Oktober 2021 - 3 Qs 38/21 -, juris;… Krell in: Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl. 2020, § 277 Fälschung von Gesundheitszeugnissen, Rn. 13;… BeckOK StGB/Weidemann, 51. Ed. 1.11.2021, StGB § 277 Rn. 13, beck-online;… Zieschang in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2009, § 277 Fälschung von Gesundheitszeugnissen, Rn. 20;… MüKoStGB/Erb, 3. Aufl. 2019, StGB § 277 Rn. 11;… Schönke/Schröder, StGB § 277 Rn. 12, beck-online; a. A. OLG Stuttgart, Beschluß vom 08. März 2022 - 1 Ws 33/22 -, juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluß vom 27. Januar 2022 - 1 Ws 114/21 -, juris). - BayObLG, 22.07.2022 - 202 StRR 71/22
Urkundenfälschung - Vorlage eines verfälschten Impfausweises
Erst dann, wenn tatsächliche Feststellungen in ausreichendem Umfang getroffen sind, kann der Senat beurteilen, ob gegebenenfalls nicht sogar eine Verurteilung wegen Fälschung von Gesundheitszeugnissen gemäß § 277 StGB a.F. oder Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse gemäß § 279 StGB a.F. in Betracht kommt, was bei vorläufiger Beurteilung aus rechtlichen Gründen nicht ohne weiteres auszuschließen ist, oder - falls die Tatbestandsmerkmale dieser Bestimmungen nicht erfüllt sein sollten - ob eine Bestrafung nach § 267 Abs. 1 3. Alt. StGB möglich wäre (vgl. zu dieser höchst umstrittenen Frage einerseits: BayObLG, Beschluss vom 03.06.2022 - 207 StRR 155/22 = BeckRs 2022, 13743; OLG Bamberg, Beschluss vom 17.01.2022 - 1 Ws 732 - 733/21 = NJW 2022, 556; LG Osnabrück, Beschluss vom 26.10.2021 - 3 Qs 38/21 = medstra 2022, 67 = MedR 2022, 38 = JuS 2022, 178 = JZ 2022, 311;… MüKo/Erb StGB 4. Aufl. § 277 Rn. 11, § 279 Rn. 10;… LK/Zieschang StGB 12. Aufl. § 277 Rn. 16, die bei Vorliegen eines Gesundheitszeugnisses von einer "Sperrwirkung" ausgehen und deshalb einen Rückgriff auf § 267 StGB auch dann verneinen, wenn eine Strafbarkeit nach §§ 277, 279 StGB a.F. mangels Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale nicht gegeben war;… a.A: OLG Celle, Urt. v. 31.05.2022 - 1 Ss 6/22 = NJW 2022, 2054; OLG Schleswig, Beschluss vom 31.03.2022 - 1 Ws 19/22 bei juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.03.2022 - 1 Ws 33/22 = Justiz 2022, 155 = StV 2022, 397; OLG Hamburg, Beschluss vom 27.01.2022 - 1 Ws 114/21 bei juris). - LG Offenburg, 11.05.2022 - 3 Qs 9/22
Vorlage eines gefälschten Impfbuches - Urkundenfälschung