Weitere Entscheidung unten: BVerfG, 08.11.2022

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   BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20   

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BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20 (https://dejure.org/2023,2359)
BVerfG, Entscheidung vom 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20 (https://dejure.org/2023,2359)
BVerfG, Entscheidung vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20 (https://dejure.org/2023,2359)
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Volltextveröffentlichungen (8)

  • openjur.de

    Automatisierte Datenanalyse

  • Bundesverfassungsgericht

    Automatisierte Datenanalyse

    Regelungen in Hessen und Hamburg zur automatisierten Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sind verfassungswidrig

  • rechtsprechung-im-internet.de

    Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 49 Abs 1 Alt 1 PolDVG HA 2019 vom 12.12.2019, § 25a Abs 1 Alt 1 SOG HE vom 25.06.2018, § 100b Abs 2 StPO
    Landesrechtliche Ermächtigung der Polizei zur automatisierten Datenanalyse bzw -auswertung gem § 49 HmbPolDVG (juris: PolDVG HA 2019) und § 25a HSOH (juris: SOG HE) verfassungswidrig, soweit vorbeugende Straftatenbekämpfung betroffen ist - keine dem Eingriffsgewicht ...

  • Wolters Kluwer

    Verfassungsmäßigkeit landesrechtlicher Ermächtigungen der Polizei zur automatisierten Datenanalyse oder -auswertung; Verarbeitung gespeicherter Datenbestände mittels einer automatisierten Anwendung zur Datenanalyse oder -auswertung; Bestimmung des Eingriffsgewichts einer ...

  • rewis.io

    Landesrechtliche Ermächtigung der Polizei zur automatisierten Datenanalyse bzw -auswertung gem § 49 HmbPolDVG (juris: PolDVG HA 2019) und § 25a HSOH (juris: SOG HE) verfassungswidrig, soweit vorbeugende Straftatenbekämpfung betroffen ist - keine dem Eingriffsgewicht ...

  • kanzlei.biz

    Polizei darf Daten nicht grundsätzlich automatisiert auswerten - Regelungen in Hamburg und Hessen nicht rechtmäßig!

  • doev.de PDF

    Automatisierte Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    Verfassungsmäßigkeit landesrechtlicher Ermächtigungen der Polizei zur automatisierten Datenanalyse oder -auswertung; Verarbeitung gespeicherter Datenbestände mittels einer automatisierten Anwendung zur Datenanalyse oder -auswertung; Bestimmung des Eingriffsgewichts einer ...

Kurzfassungen/Presse (7)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Regelungen in Hessen und Hamburg zur automatisierten Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sind verfassungswidrig

  • beckmannundnorda.de (Kurzinformation)

    Regelungen zur automatisierten Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten in Hessen und Hamburg verfassungswidrig

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    Polizeiliches Datamapping

  • lto.de (Kurzinformation)

    Datenanalyse in Hessen und Hamburg: Polizei-Software "Hessendata" verfassungswidrig

  • computerundrecht.de (Kurzinformation)

    Automatisierte Datenanalyse zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten: Regelungen in Hessen und Hamburg sind verfassungswidrig

  • tp-presseagentur.de (Kurzinformation)

    Regelungen in Hessen und Hamburg zur automatisierten Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten sind verfassungswidrig

  • anwalt.de (Kurzinformation)

    Regelungen zu automatisierten Datenanalyse für die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten verfassungswidrig

Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • NJW 2023, 1196
  • K&R 2023, 270
 
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Wird zitiert von ... (7)Neu Zitiert selbst (17)

  • BVerfG, 20.04.2016 - 1 BvR 966/09

    Bundeskriminalamtsgesetz - Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Das begründet einen neuen Grundrechtseingriff und muss verfassungsrechtlich eigens nach dem Grundsatz der Zweckbindung gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 141, 220 ; näher unten Rn. 55 ff.).

    Wie streng diese Anforderungen im Einzelnen sind, bestimmt sich nach dem Eingriffsgewicht der Maßnahme (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 - Bestandsdatenauskunft II; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 152; stRspr).

    Er kann unter Wahrung der näheren verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl eine weitere Nutzung der Daten im Rahmen der für die Datenerhebung maßgeblichen Zwecke vorsehen (a) als auch eine Zweckänderung erlauben (b) (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.; stRspr).

    a) Der Gesetzgeber kann zum einen eine Datennutzung über das für die Datenerhebung maßgebende Verfahren hinaus als weitere Nutzung im Rahmen der ursprünglichen Zwecke dieser Daten erlauben; er unterliegt dann den im Urteil zum Bundeskriminalamtgesetz näher konturierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zweckwahrende Weiternutzung (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Weiter reicht die Zweckbindung allerdings für Daten aus Wohnraumüberwachungen und Online-Durchsuchungen: Hier ist jede weitere Nutzung der Daten, auch seitens derselben Behörde im selben Aufgabenkreis zum Schutz derselben Rechtsgüter und zur Verfolgung oder Verhütung derselben Straftaten, nur dann zweckentsprechend, wenn sie auch aufgrund einer den Erhebungsvoraussetzungen entsprechenden dringenden Gefahr (vgl. dazu BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 297 m.w.N.) oder im Einzelfall zumindest hinreichend konkretisierten Gefahr (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 ) erforderlich ist.

    b) Der Gesetzgeber kann zum anderen eine weitere Nutzung der Daten auch zu anderen Zwecken als denen der ursprünglichen Datenerhebung erlauben (Zweckänderung); als Ermächtigung zu einer Datennutzung für neue Zwecke unterliegt sie den im Urteil zum Bundeskriminalamtgesetz formulierten verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zweckändernde Weiternutzung von Daten (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Zwar ist es für sich genommen nicht ungewöhnlich, dass die Polizei ihre einmal gewonnenen Erkenntnisse als Spuren- oder Ermittlungsansätze allein oder in Verknüpfung mit anderen ihr zur Verfügung stehenden Informationen als Ausgangspunkt weiterer Ermittlungen nutzt (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Besonders eingriffsintensiv ist auch, wenn sich das Verhalten einer Person, deren Gewohnheiten oder deren Lebensgestaltung räumlich und über längere Zeit hinweg nachvollziehen lassen, wenn also ein Bewegungs- oder Verhaltensprofil einer Person oder ein umfassenderes Persönlichkeitsbild entstehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 287, 321 ff.; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 174 f. - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Allerdings dürfen Daten, die aus einer Wohnraumüberwachung oder aus einer Online-Durchsuchung gewonnen wurden, in eine der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dienende Datenanalyse oder -auswertung ohnehin nur unter sehr engen Voraussetzungen einbezogen werden; wegen des besonderen Eingriffsgewichts ließe sich dies nicht bei einer unterhalb der dringenden oder im Einzelfall hinreichend konkretisierten Gefahr liegenden Eingriffsschwelle rechtfertigen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Auch Daten, die aus anderen schwerwiegenden Grundrechtseingriffen gewonnen wurden, dürfen in eine der vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten dienende Datenanalyse oder -auswertung schon nach dem Grundsatz der Zweckbindung zweckändernd nur dann einbezogen werden, wenn sich hieraus im Einzelfall konkrete Ermittlungsansätze zur Abwehr von zumindest auf mittlere Sicht drohenden Gefahren ergeben (vgl. BVerfGE 141, 220 ; s. auch oben Rn. 63).

    Die dem Eingriffsgewicht entsprechenden Anforderungen des Gebots der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne richten sich sowohl an das mit der Maßnahme zu schützende Rechtsgut als auch an die Eingriffsschwelle, also den Anlass der Maßnahme (vgl. auch BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 104, 270 f. Rn. 106 ff., 271 ff. Rn. 109 ff.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 174; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 89; dazu unten Rn. 104 ff.).

    Heimliche Überwachungsmaßnahmen, die tief in das Privatleben hineinreichen, sind nur zum Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter zulässig (BVerfGE 141, 220 ).

    Zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern zählen vor allem Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 <270 f. Rn. 108, 328 ff. Rn. 288, 292>; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 243).

    Vergleichbares Gewicht entfalten kann der Schutz von Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, sofern darunter einem engen Verständnis folgend etwa wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen gefasst werden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244, unter Verweis auf BVerfGE 141, 220 sowie BVerfGE 133, 277 ).

    Die verfassungsrechtlich erforderliche Eingriffsschwelle ist hier wie für die meisten heimlichen, tief in die Privatsphäre eingreifenden Überwachungsmaßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden die hinreichend konkretisierte Gefahr (dazu im Einzelnen BVerfGE 141, 220 ).

    Die Tatsachen müssen dafür zum einen den Schluss auf ein wenigstens seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen zulassen, zum anderen darauf, dass bestimmte Personen beteiligt sein werden, über deren Identität zumindest so viel bekannt ist, dass die Überwachungsmaßnahme gezielt gegen sie eingesetzt und weitgehend auf sie beschränkt werden kann (BVerfGE 141, 220 ).

    (4) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt hier in jedem Fall auch Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.; stRspr).

    Die allgemeine Eingriffsschwelle für heimliche Überwachungsmaßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden ist das Erfordernis einer konkretisierten Gefahr (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 248 m.w.N.; dazu im Einzelnen BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 und oben Rn. 106)für besonders gewichtige Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 141, 220 und oben Rn. 105).Wenn demgegenüber in der Praxis, wie insbesondere in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt wurde, die rechtlichen Möglichkeiten der Befugnis bei weitem nicht ausgeschöpft werden, nicht ausgeschöpft werden sollen und angesichts des aktuellen Stands der Technik derzeit auch nicht voll ausgeschöpft werden könnten, ändert dies an den verfassungsrechtlichen Anforderungen nichts.

    a) Indem die Regelungen eine automatisierte Datenanalyse oder -auswertung allgemein zur Verhütung schwerer Straftaten erlauben, fehlt eine hinreichend eingrenzende Konkretisierung des Eingriffsanlasses und ist das Erfordernis einer wenigstens konkretisierten Gefahr nicht erfüllt (vgl. auch BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 375).

    Das Einzelfallerfordernis dürfte daher etwa der Voraussetzung eines Spurenansatzes entsprechen (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 ).

    Unproblematisch kann es zur weiteren Qualifizierung einer durch andere Merkmale bereits näher umschriebenen Schwelle dienen (vgl. BVerfGE 141, 220 ).

    Eine Anknüpfung der Eingriffsschwelle an das Vorfeld von konkreten Rechtsgutsgefahren oder -verletzungen ist verfassungsrechtlich angesichts der Schwere des Eingriffs nicht hinnehmbar, wenn zu diesem Zeitpunkt nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Rechtsgutsbeeinträchtigungen bestehen (vgl. BVerfGE 141, 220 m.w.N.).

    Dass bereits eine Sachlage gegeben sein müsste, bei der eine konkrete oder eine konkretisierte Gefahr besteht, ist dem nicht zuentnehmen.Damit fehlt es auch hier an jeder eingrenzenden Konkretisierung des Eingriffsanlasses (vgl. auch BVerfGE 141, 220 ).

    Für die Übergangszeit kann das Bundesverfassungsgericht vorläufige Anordnungen treffen, um die Befugnisse der Behörden bis zur Herstellung eines verfassungsmäßigen Zustands durch den Gesetzgeber auf das zu reduzieren, was nach Maßgabe dieser Abwägung geboten ist (BVerfGE 141, 220 m.w.N.; stRspr).

  • BVerfG, 26.04.2022 - 1 BvR 1619/17

    Bayerisches Verfassungsschutzgesetz teilweise verfassungswidrig

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Zudem hätte eine nähere Auseinandersetzung mit dem einfachgesetzlichen Normenbestand erfolgen müssen, vor allem mit der Frage, warum die aus Sicht der Beschwerdeführenden gebotenen Sicherungen nicht bereits in anderen Bestimmungen des geltenden Rechts, insbesondere des Landesdatenschutz- und Polizeirechts, enthalten sind, die konkret zu benennen und deren Reichweite zu erörtern gewesen wären (vgl. dazu auch BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 129, 132 - Bayerisches Verfassungsschutzgesetz).

    Wie streng diese Anforderungen im Einzelnen sind, bestimmt sich nach dem Eingriffsgewicht der Maßnahme (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 - Bestandsdatenauskunft II; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 152; stRspr).

    Weiter reicht die Zweckbindung allerdings für Daten aus Wohnraumüberwachungen und Online-Durchsuchungen: Hier ist jede weitere Nutzung der Daten, auch seitens derselben Behörde im selben Aufgabenkreis zum Schutz derselben Rechtsgüter und zur Verfolgung oder Verhütung derselben Straftaten, nur dann zweckentsprechend, wenn sie auch aufgrund einer den Erhebungsvoraussetzungen entsprechenden dringenden Gefahr (vgl. dazu BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 297 m.w.N.) oder im Einzelfall zumindest hinreichend konkretisierten Gefahr (vgl. dazu BVerfGE 141, 220 ) erforderlich ist.

    Besonders eingriffsintensiv ist auch, wenn sich das Verhalten einer Person, deren Gewohnheiten oder deren Lebensgestaltung räumlich und über längere Zeit hinweg nachvollziehen lassen, wenn also ein Bewegungs- oder Verhaltensprofil einer Person oder ein umfassenderes Persönlichkeitsbild entstehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 287, 321 ff.; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 174 f. - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Denn für das Gewicht des Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung ist generell auch von Bedeutung, wie die gewonnenen personenbezogenen Informationen weiterverwendet werden und welche Folgen dies für die Betroffenen haben kann (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 157 m.w.N.; stRspr).

    Die dem Eingriffsgewicht entsprechenden Anforderungen des Gebots der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne richten sich sowohl an das mit der Maßnahme zu schützende Rechtsgut als auch an die Eingriffsschwelle, also den Anlass der Maßnahme (vgl. auch BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 104, 270 f. Rn. 106 ff., 271 ff. Rn. 109 ff.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 174; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 89; dazu unten Rn. 104 ff.).

    Zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern zählen vor allem Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 <270 f. Rn. 108, 328 ff. Rn. 288, 292>; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 243).

    Vergleichbares Gewicht entfalten kann der Schutz von Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, sofern darunter einem engen Verständnis folgend etwa wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen gefasst werden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244, unter Verweis auf BVerfGE 141, 220 sowie BVerfGE 133, 277 ).

    Auch kann der Gesetzgeber darauf verzichten, das erforderliche Rechtsgut unmittelbar zu benennen und stattdessen an entsprechende Straftaten anknüpfen, deren Verhütung mit der Befugnis bezweckt ist (vgl. BVerfGE 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244).

    Das ist die allgemeine Eingriffsschwelle für heimliche Überwachungsmaßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 248 m.w.N.).

    Auch die Weiterverwendung von Daten, die seitens nachrichtendienstlicher Behörden erhoben und zur Abwehr einer wenigstens konkretisierten Gefahr (vgl. BVerfGE 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 245; Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 132 ff. - Bundesverfassungsschutzgesetz - Übermittlungsbefugnisse) übermittelt wurden, schließen die Regelungen nicht ausdrücklich aus.

    Wollte der Gesetzgeber das Eingriffsgewicht nachhaltig begrenzen, müsste er dies normenklar im Wortlaut der Regelung niederlegen (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 325 f.).

    Die allgemeine Eingriffsschwelle für heimliche Überwachungsmaßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden ist das Erfordernis einer konkretisierten Gefahr (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 248 m.w.N.; dazu im Einzelnen BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 und oben Rn. 106)für besonders gewichtige Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 141, 220 und oben Rn. 105).Wenn demgegenüber in der Praxis, wie insbesondere in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt wurde, die rechtlichen Möglichkeiten der Befugnis bei weitem nicht ausgeschöpft werden, nicht ausgeschöpft werden sollen und angesichts des aktuellen Stands der Technik derzeit auch nicht voll ausgeschöpft werden könnten, ändert dies an den verfassungsrechtlichen Anforderungen nichts.

    a) Indem die Regelungen eine automatisierte Datenanalyse oder -auswertung allgemein zur Verhütung schwerer Straftaten erlauben, fehlt eine hinreichend eingrenzende Konkretisierung des Eingriffsanlasses und ist das Erfordernis einer wenigstens konkretisierten Gefahr nicht erfüllt (vgl. auch BVerfGE 141, 220 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 375).

    Bei nachrichtendienstlichen Eingriffen, die immer dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter dienen müssen, kann das Einzelfallerfordernis, wenn die Maßnahme für sich genommen nicht tief in die Privatsphäre eingreift, die eigentliche Eingriffsschwelle der Aufklärungsbedürftigkeit einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Bestrebung verfassungsrechtlich ausreichend qualifizieren (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 155, 119 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 206).

  • BVerfG, 10.11.2020 - 1 BvR 3214/15

    Erweiterte Datennutzung (Data-mining) nach dem Antiterrordateigesetz teilweise

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Verwandte Ermächtigungen für die Sicherheitsbehörden, die thematisch enger gefasst sind, bestehen auf Bundesebene, werden aber bislang nicht genutzt (§ 7 des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Datei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus und § 6a des Gesetzes zur Errichtung einer standardisierten zentralen Antiterrordatei von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten von Bund und Ländern, Antiterrordateigesetz - ATDG; dazu BVerfGE 156, 11 - Antiterrordateigesetz II).

    Indessen liegt ein Grundrechtseingriff hier nicht nur in der weiteren, zusammenführenden Verwendung vormals getrennter Daten, sondern darüber hinaus in der Erlangung besonders grundrechtsrelevanten neuen Wissens, das durch die automatisierte Datenanalyse oder -auswertung geschaffen werden kann (vgl. BVerfGE 156, 11 ; näher unten Rn. 67 ff.).

    a) Eine weitere Bearbeitung von einmal erhobenen und gespeicherten Daten durch eine automatisierte Datenanalyse oder -auswertungkann spezifische Belastungseffekte haben, die über das Eingriffsgewicht der ursprünglichen Erhebung hinausgehen (vgl. BVerfGE 156, 11 ).

    Die Verknüpfung von Daten ermöglicht etwa mehrstufige Analysen, die neue Verdachtsmomente erst erzeugen, sowie weitere Analyseschritte oder auch daran anschließende operative Maßnahmen (BVerfGE 156, 11 ).

    Die automatisierte Anwendung kann die Arbeitsweise und Erkenntnismöglichkeiten der Polizei somit entscheidend verändern und kann so auch das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung bedeutend erhöhen (vgl. auch BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Dabei führt insbesondere die Heimlichkeit einer staatlichen Eingriffsmaßnahme ebenso zur Erhöhung ihrer Intensität wie die faktische Verwehrung vorherigen Rechtsschutzes und die Erschwerung nachträglichen Rechtsschutzes, wenn er überhaupt zu erlangen ist (BVerfGE 156, 11 m.w.N.; stRspr).

    Wenn die Polizei aus den zur Verfügung stehenden Daten mit praktisch allen informationstechnisch möglichen Methoden weitreichende Erkenntnisse abschöpfen, daraus neue Zusammenhänge erschließen, aus mehrstufigen Analysen neue Verdachtsmomente erzeugen und hieran weitere Analyseschritte oder operative Maßnahmen anschließen kann, können die Nachteile auf Grund einer automatisierten Datenanalyse oder -auswertung für die Betroffenen erheblich sein und das Gewicht der individuellen Beeinträchtigung bedeutend erhöhen (vgl. BVerfGE 156, 11 m.w.N.).

    Zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern zählen vor allem Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 <270 f. Rn. 108, 328 ff. Rn. 288, 292>; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 243).

    Der Gesetzgeber muss die von ihm selbst zu normierenden Maßgaben auch hinreichend bestimmt und normenklar regeln (vgl. dazu BVerfGE 156, 11 ).

    Auch die Weiterverwendung von Daten, die seitens nachrichtendienstlicher Behörden erhoben und zur Abwehr einer wenigstens konkretisierten Gefahr (vgl. BVerfGE 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 245; Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 132 ff. - Bundesverfassungsschutzgesetz - Übermittlungsbefugnisse) übermittelt wurden, schließen die Regelungen nicht ausdrücklich aus.

    § 25a HSOG und § 49 HmbPolDVG ermöglichen demgegenüber ein "Data-Mining" (vgl. BVerfGE 156, 11 ) bis hin zur Verwendung selbstlernender Systeme (KI).

    In § 49 Abs. 2 HmbPolDVG wird zudem weiterhin auf Verarbeitungsziele abgestellt, für deren Erreichung Prozesse des "Data-Mining" eingesetzt werden müssten (vgl. dazu auch BVerfGE 156, 11 ).

    Bei nachrichtendienstlichen Eingriffen, die immer dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter dienen müssen, kann das Einzelfallerfordernis, wenn die Maßnahme für sich genommen nicht tief in die Privatsphäre eingreift, die eigentliche Eingriffsschwelle der Aufklärungsbedürftigkeit einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Bestrebung verfassungsrechtlich ausreichend qualifizieren (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 155, 119 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 206).

    Die erweiterte Nutzung setzt demnach eine solchermaßen konkretisierte Gefahr voraus, zu deren weiterer Aufklärung sie, was hinreichend klar erkennbar ist, dienen muss (BVerfGE 156, 11 ).

    Unter Zugrundelegung des in der hessischen Praxis gewählten Konzepts wird angeordnet, dass von der Befugnis des § 25a Abs. 1 Alt. 1 HSOG nur Gebrauch gemacht werden darf, wenn bestimmte, genügend konkretisierte Tatsachen den Verdacht begründen (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ), dass eine besonders schwere Straftat im Sinne von § 100b Abs. 2StPO begangen wurde und aufgrund der konkreten Umstände eines solchen im Einzelfall bestehenden Tatverdachts für die Zukunft mit weiteren, gleichgelagerten Straftaten zu rechnen ist, die Leib, Leben oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden, wenn das Vorliegen dieser Voraussetzungen und die konkrete Eignung der verwendeten Daten nach § 25a Abs. 1 Alt. 1 HSOG zur Verhütung der zu erwartenden Straftat durch eigenständig auszuformulierende Erläuterung begründet wird und wenn sichergestellt ist, dass keine Informationen in die Datenanalyse einbezogen werden, die aus Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, Verkehrsdatenabfrage, länger andauernder Observation, unter Einsatz von verdeckt ermittelnden Personen oder Vertrauenspersonen oder aus vergleichbar schwerwiegenden Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung gewonnen wurden.

  • BVerfG, 19.05.2020 - 1 BvR 2835/17

    Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung nach dem BND-Gesetz verstößt in derzeitiger

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Insofern können mit einer weitergehenden Automatisierung von Polizeiarbeit jenseits des Potenzials, eine Diskriminierung zu verhindern auch spezifische Diskriminierungsrisiken einhergehen, die verfassungsrechtlich umso weniger hinzunehmen sind, je mehr sich die Wirkungen der automatisierten Datenanalyse oder -auswertung einer nach Art. 3 Abs. 3 GG unzulässigen Benachteiligung annähern könnten (vgl. zur Rasterfahndung BVerfGE 115, 320 ;s. auch BVerfGE 154, 152 ; näher Rademacher, AöR 142 , S. 366 ; Wischmeyer, AöR 143 , S. 1 ; Martini, Blackbox Algorithmus, 2019, S. 88 f. m.w.N.).

    Soweit mit der Einbeziehung von Verkehrsdaten, insbesondere den aus Funkzellenabfragen gewonnenen Daten (vgl. etwa § 100g Abs. 3 StPO), in den für die automatisierte Datenanalyse oder -auswertung bereitstehenden Datenpool eine breitere bevorratende Speicherung von Verkehrsdaten möglich ist, müssen jedenfalls die erfassbaren Datenmengen substantiell begrenzt und eine Höchstspeicherungsdauer geregelt sein (vgl. für die nachrichtendienstliche Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung BVerfGE 154, 152 ).

    Bei komplexen Formen des Datenabgleichs besteht zudem mit Blick auf individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle und die dafür unerlässliche Möglichkeit, Fehler zu erkennen und zu korrigieren, die Schwierigkeit der Nachvollziehbarkeit der eingesetzten Algorithmen (vgl. BVerfGE 154, 152 ).

    Können eingriffsintensive Methoden der Datenauswertung, insbesondere komplexe Formen des Datenabgleichs zum Einsatz kommen, muss der Gesetzgeber für schützende Regelungen sorgen (vgl. BVerfGE 154, 152 ).

    Zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern zählen vor allem Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 <270 f. Rn. 108, 328 ff. Rn. 288, 292>; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 243).

    Auch kann der Gesetzgeber darauf verzichten, das erforderliche Rechtsgut unmittelbar zu benennen und stattdessen an entsprechende Straftaten anknüpfen, deren Verhütung mit der Befugnis bezweckt ist (vgl. BVerfGE 154, 152 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244).

    Die nähere Strukturierung des Auswertungsvorgangs könnte allerdings der Verwaltung aufgegeben werden (vgl. auch BVerfGE 154, 152 ), die auch dies abstrakt-generell regeln und ihre Regelung veröffentlichen müsste.

    Die allgemeine Eingriffsschwelle für heimliche Überwachungsmaßnahmen der Gefahrenabwehrbehörden ist das Erfordernis einer konkretisierten Gefahr (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 248 m.w.N.; dazu im Einzelnen BVerfGE 141, 220 ; 154, 152 und oben Rn. 106)für besonders gewichtige Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 141, 220 und oben Rn. 105).Wenn demgegenüber in der Praxis, wie insbesondere in der mündlichen Verhandlung ausführlich dargelegt wurde, die rechtlichen Möglichkeiten der Befugnis bei weitem nicht ausgeschöpft werden, nicht ausgeschöpft werden sollen und angesichts des aktuellen Stands der Technik derzeit auch nicht voll ausgeschöpft werden könnten, ändert dies an den verfassungsrechtlichen Anforderungen nichts.

    Unter Zugrundelegung des in der hessischen Praxis gewählten Konzepts wird angeordnet, dass von der Befugnis des § 25a Abs. 1 Alt. 1 HSOG nur Gebrauch gemacht werden darf, wenn bestimmte, genügend konkretisierte Tatsachen den Verdacht begründen (vgl. BVerfGE 154, 152 ; 156, 11 ), dass eine besonders schwere Straftat im Sinne von § 100b Abs. 2StPO begangen wurde und aufgrund der konkreten Umstände eines solchen im Einzelfall bestehenden Tatverdachts für die Zukunft mit weiteren, gleichgelagerten Straftaten zu rechnen ist, die Leib, Leben oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gefährden, wenn das Vorliegen dieser Voraussetzungen und die konkrete Eignung der verwendeten Daten nach § 25a Abs. 1 Alt. 1 HSOG zur Verhütung der zu erwartenden Straftat durch eigenständig auszuformulierende Erläuterung begründet wird und wenn sichergestellt ist, dass keine Informationen in die Datenanalyse einbezogen werden, die aus Wohnraumüberwachung, Online-Durchsuchung, Telekommunikationsüberwachung, Verkehrsdatenabfrage, länger andauernder Observation, unter Einsatz von verdeckt ermittelnden Personen oder Vertrauenspersonen oder aus vergleichbar schwerwiegenden Eingriffen in die informationelle Selbstbestimmung gewonnen wurden.

  • BVerfG, 08.11.2022 - 1 BvR 2634/20

    Abtrennungsbeschluss im Verfassungsbeschwerdeverfahren

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Die Freie und Hansestadt Hamburg hat den Beschwerdeführenden zwei Drittel ihrer notwendigen Auslagen aus dem Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2634/20 zu erstatten.

    Der seit dem 24. Dezember 2019 gültige, im Verfahren 1 BvR 2634/20 angegriffene § 49 HmbPolDVG lautet wie folgt:.

    Die Verfassungsbeschwerde im Verfahren 1 BvR 2634/20 ist am 20. November 2020 eingegangen und wurde durch Schriftsätze vom 21. Dezember 2020 und vom 5. September 2022 ergänzt.

    Im Verfahren 1 BvR 2634/20 machen die Beschwerdeführenden zudem Ausführungen zu besonderen rechtsstaatlichen Herausforderungen der möglichen Verwendung komplexer Algorithmen und (teil-)autonomer Datenverarbeitungssysteme, bei deren Einsatz effektiver Rechtsschutz nur zu gewährleisten sei, wenn eine wirksame technische Vorab- und Dauerkontrolle durch eine unabhängige Instanz erfolge.

    Im Verfahren 1 BvR 1547/19 haben die Hessische Staatskanzlei und der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, im Verfahren 1 BvR 2634/20 die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg und der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellung genommen.

    Die Behörde für Justiz und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg zweifelt im Verfahren 1 BvR 2634/20 bereits an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde.

    Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit teilt im Ergebnis weithin die Bedenken der Beschwerdeführenden im Verfahren 1 BvR 2634/20.

  • BVerfG, 04.04.2006 - 1 BvR 518/02

    Rasterfahndung II

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Ein herkömmliches Verfahren, die nach dem Modell abgestufter Erkenntnisverdichtung erfolgende Ermittlungstätigkeit, wird hierdurch mit einer viel größeren Durchschlagskraft versehen (vgl. BVerfGE 115, 320 m.w.N. - zur Rasterfahndung).

    Besonders eingriffsintensiv ist auch, wenn sich das Verhalten einer Person, deren Gewohnheiten oder deren Lebensgestaltung räumlich und über längere Zeit hinweg nachvollziehen lassen, wenn also ein Bewegungs- oder Verhaltensprofil einer Person oder ein umfassenderes Persönlichkeitsbild entstehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 287, 321 ff.; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 174 f. - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Das Eingriffsgewicht ist zudem höher, wenn die Polizei durch die Datenanalyse oder -auswertung Informationen über Personen erlangt und zum Ausgangspunkt weiterer operativer Maßnahmen macht, die objektiv in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den polizeilichen Eingriff durch ihr Verhalten nicht zurechenbar veranlasst haben (vgl. dazu BVerfGE 115, 320 ; 150, 244 ), wenn also die automatisierte Aufklärungstechnik das Risiko für objektiv Unbeteiligte erhöht, Ziel weiterer polizeilicher Aufklärungsmaßnahmen zu werden (vgl. dazu BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ).

    Insofern können mit einer weitergehenden Automatisierung von Polizeiarbeit jenseits des Potenzials, eine Diskriminierung zu verhindern auch spezifische Diskriminierungsrisiken einhergehen, die verfassungsrechtlich umso weniger hinzunehmen sind, je mehr sich die Wirkungen der automatisierten Datenanalyse oder -auswertung einer nach Art. 3 Abs. 3 GG unzulässigen Benachteiligung annähern könnten (vgl. zur Rasterfahndung BVerfGE 115, 320 ;s. auch BVerfGE 154, 152 ; näher Rademacher, AöR 142 , S. 366 ; Wischmeyer, AöR 143 , S. 1 ; Martini, Blackbox Algorithmus, 2019, S. 88 f. m.w.N.).

    Ein solcher Bezug wird dann überhaupt erst durch die Maßnahme hergestellt, und es steigt das Risiko, dass Personen in weitere polizeiliche Maßnahmen einbezogen werden, die dafür keinen zurechenbaren Anlass gegeben haben (vgl. auch BVerfGE 115, 320 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 189 - zur Rasterfahndung).

    Wie ausgeführt (Rn. 75 ff.), stehen dem Gesetzgeber dabei vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, um das Gewicht des mit einer automatisierten Datenanalyse oder -auswertung verbundenen Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung so zu steuern, dass es in einem angemessenen Verhältnis zur jeweiligen Eingriffsschwelle und zum Gewicht der bezweckten Gefahrenprävention steht (vgl. auch BVerfGE 115, 320 ).

  • BVerfG, 18.12.2018 - 1 BvR 142/15

    Automatisierte Kraftfahrzeugkennzeichenkontrollen nach dem Bayerischen

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Besonders eingriffsintensiv ist auch, wenn sich das Verhalten einer Person, deren Gewohnheiten oder deren Lebensgestaltung räumlich und über längere Zeit hinweg nachvollziehen lassen, wenn also ein Bewegungs- oder Verhaltensprofil einer Person oder ein umfassenderes Persönlichkeitsbild entstehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 287, 321 ff.; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 174 f. - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Das Eingriffsgewicht ist zudem höher, wenn die Polizei durch die Datenanalyse oder -auswertung Informationen über Personen erlangt und zum Ausgangspunkt weiterer operativer Maßnahmen macht, die objektiv in keiner Beziehung zu einem konkreten Fehlverhalten stehen und den polizeilichen Eingriff durch ihr Verhalten nicht zurechenbar veranlasst haben (vgl. dazu BVerfGE 115, 320 ; 150, 244 ), wenn also die automatisierte Aufklärungstechnik das Risiko für objektiv Unbeteiligte erhöht, Ziel weiterer polizeilicher Aufklärungsmaßnahmen zu werden (vgl. dazu BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ).

    Als das Eingriffsgewicht mindernd ist hingegen einzustellen, wenn in die Datenanalyse oder -auswertung zwar eine große Zahl von Daten vieler überwiegend nichtbeteiligter Personen einbezogen wird, der Datenabgleich aber in Sekundenschnelle durchgeführt wird und die erfassten Daten im Nichttrefferfall keine weitere polizeiliche Tätigkeit veranlassen (vgl. BVerfGE 150, 244 ).

    Weder diese besonders weite Inbezugnahme eines "Projekts" noch die etwas engere Anknüpfung an einzelne Ermittlungsverfahren würden der hier geltenden verfassungsrechtlichen Maßgabe genügen, dass jede einzelne Weiterverwendung eines jeden Datums von Bedeutung für die Abwehr einer wenigstens konkretisierten Gefahr sein muss (vgl. BVerfGE 150, 244 ).

    Ohnehin genügt eine Maßnahme der Datenverarbeitung Verhältnismäßigkeitsanforderungen grundsätzlich nur, wenn die einzubeziehenden personenbezogenen Daten auf solche beschränkt werden, die für den jeweiligen Zweck der Maßnahme Bedeutung haben können (vgl. BVerfGE 150, 244 ).

    Ohne einen solchen Grund ist eine Maßnahme, die Datenbestände einbezieht, die von vornherein zu dem Zweck der konkreten Datenanalyse oder -auswertung nicht beitragen können, unverhältnismäßig (vgl. BVerfGE 150, 244 ).

  • BVerfG, 09.12.2022 - 1 BvR 1345/21

    Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Besonders eingriffsintensiv ist auch, wenn sich das Verhalten einer Person, deren Gewohnheiten oder deren Lebensgestaltung räumlich und über längere Zeit hinweg nachvollziehen lassen, wenn also ein Bewegungs- oder Verhaltensprofil einer Person oder ein umfassenderes Persönlichkeitsbild entstehen kann (vgl. BVerfGE 115, 320 ; 120, 378 ; 125, 260 ; 141, 220 ; 150, 244 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 287, 321 ff.; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 174 f. - Polizeiliche Befugnisse nach SOG MV).

    Ein solcher Bezug wird dann überhaupt erst durch die Maßnahme hergestellt, und es steigt das Risiko, dass Personen in weitere polizeiliche Maßnahmen einbezogen werden, die dafür keinen zurechenbaren Anlass gegeben haben (vgl. auch BVerfGE 115, 320 ; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 189 - zur Rasterfahndung).

    Die dem Eingriffsgewicht entsprechenden Anforderungen des Gebots der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne richten sich sowohl an das mit der Maßnahme zu schützende Rechtsgut als auch an die Eingriffsschwelle, also den Anlass der Maßnahme (vgl. auch BVerfGE 141, 220 <269 Rn. 104, 270 f. Rn. 106 ff., 271 ff. Rn. 109 ff.>; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 174; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 89; dazu unten Rn. 104 ff.).

    Während also bei eingriffsintensiven Maßnahmen eine konkretisierte Gefahr und der Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter zusammenkommen müssen, genügt bei weniger eingriffsintensiven Maßnahmen, wenn die gesetzliche Ermächtigungsnorm eine konkretisierte Gefahr oder den Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter voraussetzt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 173).

    Knüpft der Gesetzgeber an die Begehung solcher Straftaten an, muss er also zusätzlich fordern, dass damit bereits eine konkretisierte oder konkrete Gefahr für das durch den Straftatbestand geschützte Rechtsgut vorliegt (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 28. September 2022 - 1 BvR 2354/13 -, Rn. 134; Beschluss des Ersten Senats vom 9. Dezember 2022 - 1 BvR 1345/21 -, Rn. 92).

  • BVerfG, 24.04.2013 - 1 BvR 1215/07

    "Antiterrordatei"

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Zu den besonders gewichtigen Rechtsgütern zählen vor allem Leib, Leben und Freiheit der Person sowie Bestand oder Sicherheit des Bundes oder eines Landes (vgl. BVerfGE 133, 277 ; 141, 220 <270 f. Rn. 108, 328 ff. Rn. 288, 292>; 154, 152 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 243).

    Vergleichbares Gewicht entfalten kann der Schutz von Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, sofern darunter einem engen Verständnis folgend etwa wesentliche Infrastruktureinrichtungen oder sonstige Anlagen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen gefasst werden (vgl. BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 244, unter Verweis auf BVerfGE 141, 220 sowie BVerfGE 133, 277 ).

    Darin hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass die für die Anwendung der Bestimmungen im Einzelfall maßgebliche Konkretisierung und Standardisierung seitens der Behörden nachvollziehbar dokumentiert und veröffentlicht wird (vgl. auch BVerfGE 133, 277 ).

    Denn die Dokumentation und Offenlegung der von der Verwaltung festgelegten Kriterien versetzt insbesondere die Datenschutzbeauftragten in die Lage, die Anwendung der Befugnis durch die Exekutive zu kontrollieren (vgl. BVerfGE 133, 277 m.w.N.).

  • BVerfG, 27.05.2020 - 1 BvR 1873/13

    Regelungen zur Bestandsdatenauskunft verfassungswidrig

    Auszug aus BVerfG, 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19
    Wie streng diese Anforderungen im Einzelnen sind, bestimmt sich nach dem Eingriffsgewicht der Maßnahme (vgl. BVerfGE 141, 220 ; 155, 119 - Bestandsdatenauskunft II; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 152; stRspr).

    Umgekehrt kann dann eine Eingriffsschwelle genügen, die noch hinter einer konkretisierten Gefahr zurückbleibt, wenn die Maßnahme dem Schutz hochrangiger, überragend wichtiger oder auch besonders gewichtiger Rechtsgüter dient (vgl. BVerfGE 155, 119 m.w.N.).

    Insbesondere dann, wenn die Befugnis voraussetzt, dass eine Maßnahme im Einzelfall zur Abwehr einer Gefahr erforderlich sein muss, kann dies eine nähere Spezifizierung des Gefahrerfordernisses ersetzen und als hinreichend bestimmte Umschreibung des Erfordernisses einer konkreten Gefahr gelten, wenn zu keinem besonders schweren Grundrechtseingriff ermächtigt wird (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 155, 119 ).

    Bei nachrichtendienstlichen Eingriffen, die immer dem Schutz besonders gewichtiger Rechtsgüter dienen müssen, kann das Einzelfallerfordernis, wenn die Maßnahme für sich genommen nicht tief in die Privatsphäre eingreift, die eigentliche Eingriffsschwelle der Aufklärungsbedürftigkeit einer beobachtungsbedürftigen Aktion oder Bestrebung verfassungsrechtlich ausreichend qualifizieren (vgl. BVerfGE 130, 151 ; 155, 119 ; 156, 11 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 26. April 2022 - 1 BvR 1619/17 -, Rn. 206).

  • BVerfG, 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05

    Zuordnung dynamischer IP-Adressen

  • BVerfG, 02.03.2010 - 1 BvR 256/08

    Vorratsdatenspeicherung

  • BVerfG, 28.09.2022 - 1 BvR 2354/13

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Übermittlung mit

  • BVerfG, 11.03.2008 - 1 BvR 2074/05

    Automatisierte Kennzeichenerfassung

  • BVerfG, 15.12.1983 - 1 BvR 209/83

    Volkszählung

  • BVerfG, 01.12.2020 - 2 BvR 916/11

    Erfolglose Verfassungsbeschwerde zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung

  • EuGH, 21.06.2022 - C-817/19

    Fluggastdaten dürfen nur bei Terrorgefahr verarbeitet werden

  • BVerfG, 31.10.2023 - 2 BvR 900/22

    Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen - Gesetzliche

    Sie können neue Ausprägungen grundrechtlicher Schutzbedarfe hervorbringen (vgl. BVerfGE 65, 1 ; 109, 279 ; 112, 304 ; 113, 29 ; 120, 274 ; 120, 378 ; 154, 152 - BND - Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. -, Rn. 52 ff. - Automatisierte Datenanalyse).
  • VerfGH Sachsen, 25.01.2024 - 91-II-19

    Abstrakte Normenkontrolle betreffend einzelner Vorschriften aus dem Sächsischen

    Werden gespeicherte Daten weiterverarbeitet und im Rahmen der ursprünglichen Zwecke weitergenutzt, greift dies in das Grundrecht ein, in welches durch die Datenerhebung eingegriffen wurde (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Juli 1999, BVerfGE 100, 313 [359]; Urteil vom 3. März 2004, BVerfGE 109, 279 [374]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 - juris Rn. 50).

    Erfolgt die weitere Nutzung der gespeicherten Daten zu anderen Zwecken als denen der ursprünglichen Datenerhebung, begründet dies ebenfalls einen neuen Eingriff in das Grundrecht, in das durch die Datenerhebung eingegriffen wurde (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [327 Rn. 285 m.w.N.]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 61).

    (2) Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne richten sich nach dem Eingriffsgewicht der jeweiligen Maßnahme (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 54 m.w.N.).

    Grundsätzlich richten sich dabei die Anforderungen an die weitere Nutzung staatlich erhobener Daten nach den Grundsätzen der Zweckbindung und Zweckänderung (vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [324 Rn. 276]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 76).

    Jedoch kann der mit einer Datenweiterverarbeitung bewirkte Eingriff von so erheblichem Gewicht sein, dass an ihn über den Grundsatz der Zweckbindung hinaus weitere Anforderungen zu stellen sind (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 70, 104 f., 107).

    (3) Der Gesetzgeber kann eine Datennutzung über das für die Datenerhebung maßgebende Verfahren hinaus als weitere Nutzung im Rahmen der ursprünglichen Zwecke dieser Daten erlauben (Grundsatz der Zweckbindung); er unterliegt dann den verfassungsrechtlichen Anforderungen der zweckwahrenden Weiternutzung (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [324 Rn. 278 ff.]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 56).

    Eine weitere Nutzung innerhalb der ursprünglichen Zwecksetzung kommt damit nur seitens derselben Behörde im Rahmen derselben Aufgabe und für den Schutz derselben Rechtsgüter in Betracht, wie sie für die Datenerhebung maßgeblich gewesen sind (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 57).

    Damit ist keine Datennutzung ins Blaue hinein eröffnet (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 58), soweit die Nutzung des jeweiligen personenbezogenen Datums erforderlich ist (s.o. C IV 2 b bb 1).

    Eine Nutzung der Erkenntnisse als bloßer Spuren- oder Ermittlungsansatz unabhängig von einer dringenden oder im Einzelfall hinreichend konkretisierten Gefahr kommt hier nicht in Betracht (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 59).

    (4) Der Gesetzgeber kann eine weitere Nutzung der personenbezogenen Daten auch zu anderen Zwecken als denen der ursprünglichen Datenerhebung erlauben (Zweckänderung); als Ermächtigung zu einer Datennutzung für neue Zwecke unterliegt sie den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die zweckändernde Weiternutzung von personenbezogenen Daten (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [326 ff. Rn. 284 ff.]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 60 ff.).

    Als Maßstab der Verhältnismäßigkeitsprüfung gilt insoweit das Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 62).

    Für Daten aus eingriffsintensiven Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen kommt es danach darauf an, ob die entsprechenden Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln neu erhoben werden dürften (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [327 f. Rn. 287 m.w.N.]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 61).

    Voraussetzung für eine Zweckänderung ist danach, dass die neue Nutzung der Daten dem Schutz von Rechtsgütern oder der Verhinderung von Straftaten eines solchen Gewichtes dient, die verfassungsrechtlich ihre neue Erhebung mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln rechtfertigen könnten (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [328 Rn. 288 m.w.N.]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 62).

    Verfassungsrechtlich geboten, aber regelmäßig auch ausreichend, ist insoweit, dass sich aus den personenbezogenen Daten - sei es aus ihnen selbst, sei es in Verbindung mit weiteren Kenntnissen der Behörde - ein konkreter Ermittlungsansatz ergibt (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 62).

    Angesichts des besonderen Eingriffsgewichts dieser Maßnahmen muss hier jede neue Nutzung der personenbezogenen Daten wie bei deren Erhebung selbst auch durch eine dringende Gefahr oder eine im Einzelfall hinreichend konkretisierte Gefahr gerechtfertigt sein (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 63 f.).

    manuellen Sichtung und Verknüpfung personenbezogener Daten näher konturiert, die in den tatsächlichen Kapazitätsgrenzen solcher Arbeitsweise auch ihre praktischen Erkenntnisgrenzen finden (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 70).

    Die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Zweckbindung und -änderung können dann, je nach Art und Umfang der zu verarbeitenden Daten sowie nach der Verarbeitungsmethode, dem besonderen Eingriffsgewicht der spezifischen Form der Weiterverarbeitung nicht hinreichend Rechnung tragen (vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 70, 125).

    Dementsprechend variieren auch die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung einer automatisierten Datenanalyse oder -auswertung (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 71 ff.).

    (7) Weiterhin stellt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [282 Rn. 134]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 109).

    Wird Software eingesetzt, die komplexere Formen des automatisierten Abgleichs von Daten erlaubt, sind auch Vorkehrungen gegen eine hiermit spezifisch verbundene Fehleranfälligkeit erforderlich, was auch gesetzliche Regelungen zu einem staatlichen Monitoring der Entwicklung der eingesetzten Software erfordern kann (BVerfG, Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 109).

    Eine zweckändernde Nutzung ist verhältnismäßig, wenn die neue Nutzung der Daten dem Schutz von Rechtsgütern oder der Aufdeckung von Straftaten eines solchen Gewichts dient, die verfassungsrechtlich ihre Neuerhebung mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln rechtfertigen könnten (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [327 f. Rn. 287]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 - juris Rn. 61).

    Eine zweckändernde Datenverarbeitung setzt nach dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung voraus, dass Daten nach verfassungsrechtlichen Maßstäben auch für den geänderten Zweck mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln hätten neu erhoben werden dürfen (s.o. C IV 2 b bb 4; BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, BVerfGE 141, 220 [327 f. Rn. 287 m.w.N.]; Urteil vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 62).

  • BVerfG, 20.06.2023 - 2 BvR 166/16

    Verfassungswidrigkeit der Vorschriften über die Vergütung von Gefangenenarbeit in

    Die Erklärung der Unvereinbarkeit, verbunden mit der Anordnung befristeter Fortgeltung der verfassungswidrigen Regelung, kommt in Betracht, wenn die sofortige Ungültigkeit der zu beanstandenden Norm dem Schutz überragender Güter des Gemeinwohls oder grundrechtlich geschützter Belange des Betroffenen selbst oder Dritter die Grundlage entziehen würde und eine Abwägung mit den betroffenen Grundrechten ergibt, dass der Eingriff für eine Übergangszeit hinzunehmen ist (vgl. BVerfGE 85, 386 ; 141, 220 ; 149, 293 ; BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 16. Februar 2023 - 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20 -, Rn. 174 - Automatisierte Datenanalyse).
  • OVG Schleswig-Holstein, 13.12.2023 - 3 KN 42/20

    Berufsfreiheit; Corona; Dienstleistungen mit Körperkontakt;

    Bei einem solchen Verbot, von dem eine Vielzahl von Dienstleistungsbetrieben betroffen war, handelt es sich angesichts der großen Streubreite dieses Eingriffs schon unabhängig von der jeweiligen individuellen tatsächlichen Betroffenheit um einen gewichtigen Grundrechtseingriff im hier maßgeblichen Sinne (allgemein zur Bedeutung der Zahl der Betroffenen für das Gewicht eines Eingriffs vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.02.2023 - 1 BvL 7/18 -, juris Rn. 144 und Urt. v. 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19 u. a. -, juris Rn. 76).
  • VG Karlsruhe, 28.03.2023 - 8 K 3182/22

    Fortbildungspflicht für Kindertagespflegepersonen; Ungeeignetheit der

    Darin hat der Gesetzgeber sicherzustellen, dass die für die Anwendung der Bestimmungen im Einzelfall maßgebliche Konkretisierung und Standardisierung seitens der Behörden nachvollziehbar dokumentiert und veröffentlicht wird (vgl. BVerfG, Urteil vom 16.2.2023 - 1 BvR 1547/19 u.a. - juris Rn. 113 "Automatisierte Datenanalyse").
  • OVG Schleswig-Holstein, 13.11.2023 - 3 KN 1/20

    Coronabedingtes Einreiseverbot aus touristischem Anlass und zu Freizeitwecken im

    Dabei handelt es sich angesichts der großen Streubreite dieses Eingriffs schon unabhängig von der jeweiligen individuellen tatsächlichen Betroffenheit um einen gewichtigen Grundrechtseingriff im hier maßgeblichen Sinne (allgemein zur Bedeutung der Zahl der Betroffenen für das Gewicht eines Eingriffs vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.02.2023 - 1 BvL 7/18 -, juris Rn. 144 und Urt. v. 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19 u. a. -, juris Rn. 76).
  • OVG Schleswig-Holstein, 13.11.2023 - 3 KN 5/20

    Coronabedingtes Einreiseverbot aus touristischem Anlass und zu Freizeitwecken im

    Dabei handelt es sich angesichts der großen Streubreite dieses Eingriffs schon unabhängig von der jeweiligen individuellen tatsächlichen Betroffenheit um einen gewichtigen Grundrechtseingriff im hier maßgeblichen Sinne (allgemein zur Bedeutung der Zahl der Betroffenen für das Gewicht eines Eingriffs vgl. BVerfG, Beschl. v. 01.02.2023 - 1 BvL 7/18 -, juris Rn. 144 und Urt. v. 16.02.2023 - 1 BvR 1547/19 u. a. -, juris Rn. 76).
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Rechtsprechung
   BVerfG, 08.11.2022 - 1 BvR 1547/19   

Zitiervorschläge
https://dejure.org/2022,34285
BVerfG, 08.11.2022 - 1 BvR 1547/19 (https://dejure.org/2022,34285)
BVerfG, Entscheidung vom 08.11.2022 - 1 BvR 1547/19 (https://dejure.org/2022,34285)
BVerfG, Entscheidung vom 08. November 2022 - 1 BvR 1547/19 (https://dejure.org/2022,34285)
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Volltextveröffentlichungen (4)

  • Bundesverfassungsgericht

    Abtrennungsbeschluss im Verfassungsbeschwerdeverfahren

  • rechtsprechung-im-internet.de

    § 15b SOG HE, § 15c SOG HE, § 25a SOG HE, § 6 Abs 5 VerfSchutzG HE, § 8 Abs 4 VerfSchutzG HE
    Verfahrenstrennung im Verfassungsbeschwerdeverfahren bzgl mehrerer Vorschriften des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG; juris: VerfSchutzG HE) sowie des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG; juris: SOG HE)

  • Wolters Kluwer

    Führung des Verfahrens 1 BvR 1547/19 unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2133/22

  • rewis.io

    Verfahrenstrennung im Verfassungsbeschwerdeverfahren bzgl mehrerer Vorschriften des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG; juris: VerfSchutzG HE) sowie des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG; juris: SOG HE)

Kurzfassungen/Presse (3)

  • datenbank.nwb.de (Tenor)

    Verfahrenstrennung im Verfassungsbeschwerdeverfahren bzgl mehrerer Vorschriften des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes (HVSG; juris: VerfSchutzG HE) sowie des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG; juris: SOG HE)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung - vor Ergehen der Entscheidung)

    Mündliche Verhandlung in Sachen Automatisierte Datenauswertung durch die Polizei in Hessen und Hamburg am Dienstag, den 20. Dezember 2022, um 10.00 Uhr

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung - vor Ergehen der Entscheidung)

    Urteilsverkündung in Sachen Automatisierte Datenauswertung durch die Polizei in Hessen

Sonstiges

Verfahrensgang

 
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Wird zitiert von ... (0)Neu Zitiert selbst (1)

  • BVerfG - 1 BvR 2133/22 (anhängig)

    Verfassungsbeschwerde gegen verschiedene Überwachungsbefugnisse, die hierfür

    Auszug aus BVerfG, 08.11.2022 - 1 BvR 1547/19
    Soweit sich die Beschwerdeführenden nicht gegen § 25a des Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes wenden, werden von dem Verfahren 1 BvR 1547/19 sämtliche Gegenstände abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2133/22 geführt.
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