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   BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07   

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BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07 (https://dejure.org/2007,1670)
BVerfG, Entscheidung vom 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07 (https://dejure.org/2007,1670)
BVerfG, Entscheidung vom 15. August 2007 - 2 BvR 1485/07 (https://dejure.org/2007,1670)
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Volltextveröffentlichungen (9)

  • HRR Strafrecht

    Art. 2 Abs. 2 GG; § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO; § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO
    Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses wegen neu hervorgetretener Umstände (Neuheit; Erfordernis eines erheblichen Abweichens eines nicht rechtskräftigen Strafausspruches vom dem beim Aussetzungsbeschluss zu erwartenden Strafausspruch; Begründungsanforderungen); ...

  • lexetius.com
  • openjur.de
  • Bundesverfassungsgericht

    Verletzung von Art 2 Abs 2 S 2 GG und Art 104 Abs 1 S 1 GG durch Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses wegen neu hervorgetretener Umstände iSv § 116 Abs 4 Nr 3 StPO - zur Berücksichtigung eines vom Beschuldigten gesetzten Vertrauenstatbestands

  • Wolters Kluwer

    Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses wegen neu hervorgetretener Umstände; Notwendigkeit einer Einbeziehung aller relevanten Gesichtspunkte mit dem ihnen von Verfassungs wegen zukommenden Gewicht in die Abwägung; Anspruch eines Begünstigten einer ...

  • Judicialis

    GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2; ; GG Art. 3 Abs. 1; ; GG Art. 104 Abs. 1 Satz 1

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    StPO § 116 Abs. 4 Nr. 3; GG Art. 2 Abs. 2
    Verfassungsmäßigkeit der Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses wegen neu hervorgetretener Umstände

  • datenbank.nwb.de
  • juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)

Kurzfassungen/Presse (2)

  • Bundesverfassungsgericht (Pressemitteilung)

    Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen erneute Inhaftierung nach vorangegangener Haftverschonung

  • juraforum.de (Kurzinformation)

    Zur erneuten Inhaftierung nach vorangegangener Haftverschonung

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Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • BVerfGK 12, 45
  • NStZ 2008, 138
  • NStZ-RR 2007, 379
  • StV 2008, 25
 
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Wird zitiert von ... (28)Neu Zitiert selbst (23)

  • BVerfG, 29.11.2006 - 2 BvR 2342/06

    Freiheit der Person; Untersuchungshaft; Haftverschonungsbeschlusses (mittelbarer

    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 ; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 15).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 16; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 18).

    Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 22).

    Mit der Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer daher für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision unter allen Umständen zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 31).

    Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 32).

    Der Begünstigte einer Haftverschonungsentscheidung hat grundsätzlich Anspruch, die Rechtskraft des Urteils in Freiheit zu erwarten (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 25).

    Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - Abs.-Nr. 14 ff. nochmals dargelegten Maßstabes erneut zu entscheiden.

  • OLG Frankfurt, 03.06.2004 - 1 Ws 46/04
    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 16; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

    "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 18).

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

  • BVerfG, 01.02.2006 - 2 BvR 2056/05

    Freiheit der Person; Widerruf der Aussetzung eines Haftbefehls (neue Umstände;

    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    b) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 ; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005, § 116 Rn. 22; Boujong, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 116 Rn. 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl., 1997, § 116 Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 15).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 16; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 18).

    Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 22).

    Mit der Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer daher für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision unter allen Umständen zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 31).

    Insoweit setzt sich der vom Beschwerdeführer auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) durch (vgl. bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 32).

    Das Oberlandesgericht hat unter Berücksichtigung der angeführten Gesichtspunkte, vor allem aber unter Beachtung des bereits im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 (140 f.) entwickelten und im Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - Abs.-Nr. 14 ff. nochmals dargelegten Maßstabes erneut zu entscheiden.

  • OLG Hamm, 27.12.2002 - 2 Ws 474/02

    Haftbeschwerde, Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls, Abwägung sämlticher

    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

    Ob dies der Fall ist, ist durch Abwägung und Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu ermitteln (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    Selbst der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, sofern ihm die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

    Mit der Teilnahme an der Urteilsverkündung hat der Beschwerdeführer daher für jedermann sichtbar dokumentiert, dass er sich dem Verfahren und einer gegebenenfalls drohenden Strafvollstreckung im Falle des Scheiterns der Revision unter allen Umständen zur Verfügung halten will (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 zu einer vergleichbaren Konstellation; siehe im Übrigen auch Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 ; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 31).

    e) Allein der Umstand, dass der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Angeklagte infolge des Schlussantrages der Staatsanwaltschaft oder gar durch das Urteil selbst die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, kann einen Widerruf der Haftverschonung nicht rechtfertigen, wenn ihm - wie hier - die Möglichkeit eines für ihn ungünstigen Ausgangs während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1095; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ).

  • OLG Frankfurt, 06.11.2000 - 1 Ws 139/00
    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Denn das Gericht ist an die Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144 ).

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Juli 1977 - 1 Ws 852/77 -, NJW 1978, S. 771 ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144).

  • KG, 27.03.1998 - 4 Ws 61/98
    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ).

    Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, nach der einschlägigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eng gesteckt (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 18).

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

  • BVerfG, 15.05.2002 - 2 BvR 2292/00

    Richtervorbehalt

    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang (vgl. BVerfGE 10, 302 ; 58, 208 ; 105, 239 ).

    Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfGE 10, 302 ; 29, 183 ; 58, 208 ; 105, 239 ).

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ).

    Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.).

  • OLG Düsseldorf, 08.11.2001 - 4 Ws 544/01

    Unzulässige Wiederinvollzugsetzung eines Haftbefehls ; Anforderungen an den

    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    Dies setzt jedoch voraus, dass von der Prognose des Haftrichters bezüglich der Straferwartung der Rechtsfolgenausspruch des Tatrichters oder die von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafe erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, m.w.N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

  • BVerfG, 29.11.1983 - 2 BvR 704/83

    Verfassungsmäßigkeit - Mündel - Willkürverbot - Absehen von weiterer mündlicher

    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    Verstöße gegen die durch Art. 104 GG gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheitsbeschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (BVerfGE 10, 302 ; 58, 208 ; 65, 317 ).

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ).

    Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ), fordert die Anwendung jener Norm nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 2 Ws 392/99 und 399/99 -, StraFo 1999, S. 322 f.).

  • BGH, 16.09.2004 - 4 StR 84/04

    Verbotene Vernehmungsmethoden (Drohung mit einer unzulässigen Maßnahme:

    Auszug aus BVerfG, 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07
    Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach Nr. 3 jener Vorschrift nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207: Sogar für den Fall einer lebenslangen Freiheitsstrafe; Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207; OLG Frankfurt, Beschluss vom 7. November 1997 - 1 Ws 161/97 -, StV 1998, S. 31; Beschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144; Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; Beschluss vom 21. November 2001 - 1 AR 1438/01 - 3 Ws 609/01 -, ; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 ; erst jüngst auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 ).

    c) Auch der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 (280) ausdrücklich festgestellt, dass die mögliche Verurteilung als solche oder auch die Höhe einer zu erwartenden Strafe nicht als neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung des Angeklagten rechtfertigen, wenn schon bei der Aussetzungsentscheidung von der Möglichkeit der Verurteilung ausgegangen und für den Fall des Schuldnachweises mit einer erheblichen Freiheitsstrafe gerechnet worden war.

  • OLG Düsseldorf, 27.09.1999 - 4 Ws 250/99

    Vollzug eines ausser Vollzug gesetzten Haftbefehls wegen Fluchtgefahr

  • BVerfG, 07.10.1981 - 2 BvR 1194/80

    Baden-Württembergisches Unterbringungsgesetz

  • BVerfG, 10.02.1960 - 1 BvR 526/53

    Vormundschaft

  • BVerfG, 10.06.1997 - 2 BvR 1516/96

    DDR-Botschafter

  • OLG München, 27.07.1977 - 1 Ws 852/77
  • OLG Düsseldorf, 29.02.1988 - 3 Ws 142/88
  • BVerfG, 26.10.2005 - 2 BvR 1618/05

    Freiheit der Person; Beschwerde gegen Haftbefehl (Bindung des Gerichtes der

  • OLG Koblenz, 30.06.1999 - 2 Ws 392/99
  • OLG Düsseldorf, 24.05.1993 - 1 Ws 456/93
  • OLG Frankfurt, 07.11.1997 - 1 Ws 161/97
  • BVerfG, 13.10.1970 - 1 BvR 226/70

    Rücklieferung

  • KG, 21.11.2001 - 3 Ws 609/01
  • KG, 14.10.1996 - 4 Ws 168/96
  • BVerfG, 17.12.2020 - 2 BvR 1787/20

    Neuerlass und Vollzug eines Haftbefehls nach Anklageerhebung

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ; BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    d) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Insbesondere bei der Auslegung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO, nach dem der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls nur in Betracht kommt, wenn neu hinzugetretene Tatsachen die Verhaftung erforderlich machen, sind strenge Maßstäbe anzusetzen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls kommt nur in Betracht, wenn - auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene - schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Verschonung veranlasst hätten (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Entscheidend ist, ob durch die neu hinzugetretenen Tatsachen die Vertrauensgrundlage für die Aussetzungsentscheidung entfallen ist (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. BVerfGK 7, 239 ), insbesondere wenn der Beschuldigte das in ihn gesetzte Vertrauen durch die strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen rechtfertigte (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    f) Die neu hervorgetretenen Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Nicht herangezogen werden dürfen Umstände des Verdachtsgrades, denn der dringende Tatverdacht ist bereits Grundvoraussetzung für den Erlass und die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Es ist somit ohne Belang, ob sich der dringende Tatverdacht verstärkt hat (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder nach einer Beweisaufnahme der Tatvorwurf zur Überzeugung des Gerichts feststeht, wenngleich zu sehen ist, dass sich mit der Verurteilung das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs grundsätzlich vergrößert (vgl. BVerfGK 5, 109 ; 7, 140 ).

    Das gilt insbesondere dann, wenn neu hervorgetretene Umstände den Fluchtanreiz des Beschuldigten stärken, etwa, weil dieser unerwartet streng verurteilt wurde (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder im Ermittlungsverfahren neue Taten hinzugetreten sind.

    Beziehen sich solche Umstände auf die Straferwartung, rechtfertigen sie die Wiederinvollzugsetzung dann, wenn sie zu einer Straferwartung führen, die von der Prognose des Haftrichters zum Zeitpunkt der Außervollzugsetzung erheblich zum Nachteil des Beschuldigten abweicht und sich nach einer Abwägung und Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass sich die Fluchtgefahr durch die Abweichung ganz wesentlich erhöht (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Stand dem Beschuldigten aber die Möglichkeit einer für ihn nachteiligen Änderung der Prognose während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen und kam er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nach, setzt sich insoweit der vom Beschuldigten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung in Betracht kommen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    g) Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ), fordert die Anwendung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Voraussetzung ist aber, dass diese Umstände zu einem erheblichen Abweichen der Straferwartung zum Nachteil des Beschuldigten führen und sich die Fluchtgefahr deshalb ganz wesentlich erhöht (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Wird einem Beschuldigten in der ursprünglichen Haftentscheidung die Möglichkeit einer mehrjährigen und nicht mehr zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe deutlich vor Augen geführt, bedarf es einer umfangreichen Abwägung zwischen dem Gewicht der neuen Erkenntnisse und dem auf Seiten des Beschuldigten auf Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzlich gewährten Vertrauenstatbestandes insbesondere dann, wenn der Beschuldigte für die Zeit der Haftverschonung keinen Anlass zur Beanstandung gegeben hat (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Die Gerichte haben es schon versäumt, sich tragfähig damit auseinanderzusetzen, inwiefern die neue Schadensberechnung und das Hinzutreten weiterer Fälle des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt und der Steuerhinterziehung im konkreten Fall zu einer im Vergleich zu der Entscheidungsgrundlage des Amtsgerichts so wesentlichen, für den Beschwerdeführer nachteiligen Abweichung der Straferwartung geführt haben, dass das Amtsgericht, hätte es diese Umstände im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, keine Verschonung gewährt hätte (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Dass die Gerichte diesem Umstand nun größeres Gewicht zumessen als das Amtsgericht, ist letztlich nur eine neue Beurteilung und Bewertung schon bekannter Umstände, die keine Rechtfertigung einer erneuten Inhaftierung sein kann (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    cc) Auch die - privaten und beruflichen - Auslandskontakte des Beschwerdeführers waren Grundlage des Verschonungsbeschlusses und können daher für sich genommen die erneute Inhaftierung des Beschwerdeführers nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Angesichts der Tatsache, dass das Amtsgericht - mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft - dem Beschwerdeführer im Verschonungszeitraum Reisen in Staaten außerhalb der Europäischen Union ermöglicht hat, besteht in diesem Punkt sogar eine gesteigerte Vertrauensgrundlage des Beschwerdeführers, der stets alle Auflagen eingehalten hat (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Die Anklageerhebung als solche genügt für eine erneute Inhaftierung grundsätzlich nicht, denn die Konkretisierung der Tatvorwürfe in einer Anklageschrift betrifft die - für § 116 Abs. 4 StPO grundsätzlich unerhebliche - Ebene des Verdachtsgrades und nicht die Ebene des Haftgrundes (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Wenn es bei der Anwendung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO grundsätzlich ohne Bedeutung ist, ob sich der dem Haftbefehl zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund einer Beweisaufnahme bestätigt hat und damit noch "dringender' geworden ist (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ), kann der Abschluss des Ermittlungsverfahrens - also eine Verfestigung des Verdachtsgrades vor Durchführung der Hauptverhandlung - für sich genommen erst recht nicht als neu hervorgetretener Umstand im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO gewertet werden.

    In die Abwägung mit einzubeziehen ist, dass sich der vom Beschuldigten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung selbst dann durchsetzt, wenn der um ein günstigeres Ergebnis bemühte Beschuldigte die Vergeblichkeit seiner Hoffnungen erkennen muss, sofern ihm die Möglichkeit einer für ihn nachteiligen Änderung der Prognose während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen stand und er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nachkam (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Maßgeblich ist aber auch hier, ob die in einem weiteren Ermittlungsverfahren bekannt gewordenen Tatvorwürfe zu einer ganz wesentlichen Abweichung der Straferwartung zum Nachteil des Beschuldigten führen (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Notwendig sind nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

  • BVerfG, 08.07.2021 - 2 BvR 575/21

    Invollzugsetzung eines Haftbefehls anlässlich neu hinzugetretener Tatvorwürfe

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ; BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    d) Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Insbesondere bei der Auslegung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO, nach dem der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls nur in Betracht kommt, wenn neu hinzugetretene Tatsachen die Verhaftung erforderlich machen, sind strenge Maßstäbe anzusetzen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Der erneute Vollzug eines Haft- oder Unterbringungsbefehls kommt nur in Betracht, wenn - auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene - schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Verschonung veranlasst hätten (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Entscheidend ist, ob durch die neu hinzugetretenen Tatsachen die Vertrauensgrundlage für die Aussetzungsentscheidung entfallen ist (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 50).

    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 51).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Beschuldigte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. BVerfGK 7, 239 ), insbesondere wenn er das in ihn gesetzte Vertrauen durch die strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen gerechtfertigt hat (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    f) Die neu hervorgetretenen Umstände müssen sich jeweils auf die Haftgründe beziehen (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ).

    Nicht herangezogen werden dürfen Umstände des Verdachtsgrades, denn der dringende Tatverdacht ist bereits Grundvoraussetzung für den Erlass und die Aufrechterhaltung eines Haftbefehls (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 52).

    Es ist somit ohne Belang, ob sich der dringende Tatverdacht verstärkt hat (BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder nach einer Beweisaufnahme der Tatvorwurf zur Überzeugung des Gerichts feststeht, wenngleich zu sehen ist, dass sich mit der Verurteilung das Gewicht des staatlichen Strafanspruchs grundsätzlich vergrößert (vgl. BVerfGK 5, 109 ; 7, 140 ).

    Das gilt insbesondere dann, wenn neu hervorgetretene Umstände den Fluchtanreiz des Beschuldigten stärken, etwa, weil dieser unerwartet streng verurteilt wurde (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ) oder im Ermittlungsverfahren neue Taten hinzugetreten sind.

    Beziehen sich solche Umstände auf die Straferwartung, rechtfertigen sie die Wiederinvollzugsetzung dann, wenn sie zu einer Straferwartung führen, die von der Prognose des Haftrichters zum Zeitpunkt der Außervollzugsetzung erheblich zum Nachteil des Beschuldigten abweicht und sich nach einer Abwägung und Beurteilung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass sich die Fluchtgefahr durch die Abweichung ganz wesentlich erhöht (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 53).

    Stand dem Beschuldigten aber die Möglichkeit einer für ihn nachteiligen Änderung der Prognose während der Außervollzugsetzung des Haftbefehls stets vor Augen und kam er gleichwohl allen Auflagen beanstandungsfrei nach, setzt sich insoweit der vom Beschuldigten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO unter Berücksichtigung dieser Grundsätze vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung in Betracht kommen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 54).

    g) Vor dem Hintergrund, dass Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze so auszulegen und anzuwenden sind, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ), fordert die Anwendung des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

    Vorausgesetzt werden nachvollziehbare Feststellungen dazu, von welcher Straferwartung der Beschuldigte im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung des Haftbefehls ausging; bloße Mutmaßungen genügen insoweit nicht (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 55).

    bb) Zudem hat das Oberlandesgericht einseitig auf die Höhe der Straferwartung abgestellt und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer durch das Befolgen der ihm erteilten Auflagen einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und hierin grundsätzlich schutzwürdig ist, zu Unrecht nicht die ihm von Verfassungs wegen gebührende Bedeutung beigemessen (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Dezember 2020 - 2 BvR 1787/20 -, Rn. 54).

    Die von ihm geschaffene und von den Gerichten in die Abwägung einzustellende Vertrauenslage betrifft allein den Umstand, dass er sich dem Verfahren zur Verfügung hält (vgl. BVerfGK 12, 45 ; 19, 439 ).

  • BVerfG, 11.06.2012 - 2 BvR 720/12

    Freiheit der Person (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz; Untersuchungshaft;

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ; BVerfGK 12, 45 ).

    Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-) Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrunde liegende Haftgrund verschärft (vgl. BVerfGK 12, 45 , m.w.N.).

    Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. BVerfGK 12, 45 , m.w.N.).

    Demgemäß ist ohne Bedeutung, dass sich der dem Haftbefehl oder der Anklage zugrunde gelegte dringende Tatverdacht aufgrund der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung bestätigt hat und damit noch "dringender" geworden ist (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

  • BVerfG, 11.07.2012 - 2 BvR 1092/12

    Freiheit der Person (Untersuchungshaft; Fluchtgefahr; Außervollzugsetzung eines

    Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 ; 96, 68 ; 105, 239 ; BVerfGK 12, 45 ).

    Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-) Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    In Betracht kommen vor allem Fälle, in denen ein weiterer Haftgrund zu dem im Haftbefehl aufgeführten hinzutritt oder sich der dem Haftbefehl zugrunde liegende Haftgrund verschärft (vgl. BVerfGK 12, 45 m.w.N.).

    Insoweit setzt sich der vom Angeklagten auf der Grundlage des Verschonungsbeschlusses gesetzte Vertrauenstatbestand (vgl. § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO) als Ausprägung der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung durch (vgl. BVerfGK 12, 45 m.w.N.).

    War dagegen schon zu diesem Zeitpunkt mit der später ausgesprochenen - auch höheren - Strafe zu rechnen und hat der Beschuldigte die ihm erteilten Auflagen gleichwohl korrekt befolgt, liegt kein Fall des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vor (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen könnte (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

  • BVerfG, 27.09.2012 - 2 BvR 1874/12

    Freiheit der Person (Untersuchungshaft; Fluchtgefahr; Außervollzugsetzung eines

    1. Das in § 116 Abs. 4 StPO zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben, gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfGK 6, 295 ; 7, 239 ; 12, 45 ).

    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerfGK 12, 45 ).

    Selbst wenn die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO vorliegen, bleibt infolge des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit stets zu prüfen, ob statt einer Rücknahme der Haftverschonung nicht mildere Mittel der Verfahrenssicherung - namentlich eine Verschärfung der Auflagen - in Betracht kommen könnten (vgl. BVerfGK 7, 239 ; 12, 45 ).

  • KG, 03.11.2011 - 4 Ws 96/11

    Untersuchungshaft: Voraussetzungen des Haftgrundes der Fluchtgefahr

    6 Die Straferwartung beurteilt sich hierbei nicht ausschließlich nach der subjektiven Vorstellung des Beschuldigten; sondern Ausgangspunkt ist der Erwartungshorizont des Haftrichters, in dessen Prognoseentscheidung die subjektive Erwartung des Beschuldigten allerdings mit einzubeziehen ist (vgl. OLG Hamm StV 2001, 115; Meyer-Goßner a.a.O., Rn. 23; Wankel in KMR-StPO [50. EL, Stand Juni 2008], § 112 Rn. 8; zur Maßgeblichkeit der Prognose des Haftrichters siehe auch BVerfG, Beschluss vom 15. August 2007 - 2 BvR 1485/07 -, m.w.N. [juris, Abs. 22]).
  • OLG Hamm, 12.01.2010 - 2 Ss 451/09

    Aufforderung zur Begehung von Straftaten, tatsächliche Feststellungen,

    Wenngleich es hier nicht unbedingt des Rückgriffs auf die Grundrechte nach Art. 4 und 5 GG im Zusammenhang mit der Auslegung einer Erklärung bedarf (vgl. Deutscher StRR 2007, 275 in der Besprechung von OLG Stuttgart, Beschluss vom 26.02.2007), so müssen doch im Zusammenhang mit dem politischen Meinungskampf, um den es sich hier ohne Zweifel handelt, erhebliche und deutliche Aufforderungen an Verhaltensweisen gestellt werden, um diese eindeutig als Aufforderung im Sinne des Tatbestandes ansehen zu können (vgl. das Urteil des KG im "Kosovo"-Verfahren, NJW 2001, 2896; OLG Stuttgart, a.a.O.).
  • OLG Rostock, 17.09.2009 - I Ws 269/09

    Untersuchungshaft: Beachtlichkeit der Gründe für eine erneute Invollzugsetzung

    Das darin zum Ausdruck kommende Gebot, die Aussetzung des Vollzugs eines Haftbefehls durch den Richter nur dann zu widerrufen, wenn sich die Umstände im Vergleich zu der Beurteilungsgrundlage zur Zeit der Gewährung der Verschonung verändert haben (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. Mai 1993 - 1 Ws 456/93 -, StV 1993, S. 480 ; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Februar 1988 - 3 Ws 142/88 -, StV 1988, S. 207; KG, Beschluss vom 14. Oktober 1996 - 4 Ws 168/96 -, StraFo 1997, S. 27; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., 2009, § 116 Rn. 28; Graf, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., 2008, § 116 Rn. 33; LR-Hilger a.a.O. Rn. 44), gehört zu den bedeutsamsten (Verfahrens-)Garantien, deren Beachtung Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG fordert und mit grundrechtlichem Schutz versieht (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07 = NStZ-RR 2007, 379 = StV 2008, 25).

    Eine lediglich andere Beurteilung bei im Übrigen gleich bleibenden Umständen kann einen Widerruf hingegen nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG, NStZ-RR 2007, 379 = StV 2008, 25 sowie Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 , 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; L-R Hilger a.a.O.; Münchhalffen/Gatzweiler, Das Recht der Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2009, Rdz. 333).

    Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 1998 - 1 AR 301/98 - 4 Ws 61/98 -, ; OLG Frankfurt, Beschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen (vgl. hierzu § 116 Abs. 4 Nr. 2 StPO), namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (vgl. hierzu bereits Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 , 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 - und vom 15.08.2007 - 2 BvR 1485/07, NStZ-RR 2007, 379 = StV 2008, 25).

  • OLG Hamm, 30.01.2024 - 2 Ws 12/24

    Untersuchungshaft, Außervollzugsetzung, Invollzugsetzung, Verurteilung, lange

    Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.12.2020, Az. 2 BvR 1787/20, BeckRS 2020, 37348; BVerfG, Beschluss vom 11.06.2012, 2 BvR 720/12, - juris, BVerfG, Beschluss vom 11.07.2012 - 2 BvR 1092/12 - BeckRS 2012, 55231, BVerfG, Beschluss vom 15.08.2007, 2 BvR 1485/07, - juris; Meyer-Goßner/Schmitt, 66. Aufl., 2023, § 116 Rn. 28).
  • OLG Celle, 08.04.2019 - 3 Ws 102/19

    Voraussetzungen bei Fluchtgefahr wie bei dringendem Tatverdacht

    Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt auch unter Geltung des strengeren Maßstabs nach § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO entschieden, dass die Verkündung eines auf Freiheitsstrafe in nicht unerheblicher Höhe lautenden Urteils geeignet sein kann, den Vollzug der Untersuchungshaft zu rechtfertigen, wenn die vom Tatgericht verhängte Strafe von der früheren Prognose erheblich zum Nachteil des Angeklagten abweicht und sich die Fluchtgefahr dadurch ganz wesentlich erhöht (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 15. August 2007 - 2 BvR 1485/07 -, StV 2008, 29; vom 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, StV 2007, 84; und vom 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, 139).
  • OLG Hamm, 07.08.2012 - 2 Ws 252/12

    Haftbefehl. Wiederinvollzugsetzung, Gründe

  • KG, 25.08.2014 - 1 Ws 66/14

    Strafklageverbrauch bei Steuerdelikten

  • KG, 16.11.2011 - 3 Ws 577/11

    Haftverschonung: Folge einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft vor Vollzug der

  • OLG Karlsruhe, 26.06.2009 - 2 Ws 229/09

    Voraussetzungen eines Haftbefehls nach Verurteilung in zweiter Instanz

  • OLG Nürnberg, 06.03.2019 - 2 Ws 124/19

    Erneute Invollzugsetzung eines Haftbefehls gemäß § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO

  • OLG Dresden, 03.03.2009 - 2 Ws 84/09

    Untersuchungshaft; Haftverschonung; Fluchtgefahr

  • KG, 22.02.2019 - 4 HEs 4/19

    Haftverschonung; Aufhebung eines Haftverschonungsbeschlusses;

  • OLG Koblenz, 19.08.2013 - 2 Ws 510/13

    Untersuchungshaft: Voraussetzungen für die Aufhebung eines

  • OLG Celle, 26.03.2021 - 2 Ws 82/21

    Invollzugsetzung eines Haftbefehls; Fluchtgefahr bei hoher Straferwartung;

  • OLG Nürnberg, 08.04.2011 - 2 Ws 148/11

    Untersuchungshaftbefehl: Wiederinvollzugsetzung bei Realisierung der

  • KG, 03.12.2015 - 1 Ws 82/15

    Fluchtgefahr bei Verdacht der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe

  • OLG Bremen, 14.03.2013 - AuslA 6/13

    Anordnung von Auslieferungshaft wegen Fluchtgefahr; Bestehen hinreichend

  • OLG Frankfurt, 24.03.2010 - 1 Ws 38/10

    Untersuchungshaftbefehl: Widerruf der Aussetzungsentscheidung wegen "neu

  • OLG Frankfurt, 14.08.2017 - 1 Ws 159/17

    Voraussetzungen für Widerruf der Außervollzugsetzung eines Haftbefehls nach § 116

  • AG Bochum, 02.07.2009 - 33 Ds 53/09
  • OLG Koblenz, 21.08.2008 - 1 Ws 421/08

    Haftbefehl: Voraussetzungen einer Aufhebung der Haftverschonung bei Verurteilung

  • OLG Stuttgart, 25.08.2008 - 1 Ws 254/08

    Untersuchungshaftbefehl: Voraussetzungen der sofortigen Wiederinvollzugsetzung

  • OLG München, 07.09.2009 - 3 Ws 745/09

    Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Jahren und 6 Monaten als ein erheblicher Fluchtanreiz

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