Rechtsprechung
BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16 |
Volltextveröffentlichungen (11)
- HRR Strafrecht
Art. 16 Abs. 2 GG; § 32 Abs. 1 BVerfGG; Art. 4 Nr. 7 Buchstabe a RbEuHb; § 80 Abs. 1 IRG
Einstweilige Aussetzung der Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen an die Republik Polen aufgrund eines Europäischen Haftbefehls (Vertrauensschutz bei maßgeblichem Inlandsbezug; Abwägung im Einzelfall bei Handlung im Inland und Erfolgseintritt im Ausland) - lexetius.com
- openjur.de
- Bundesverfassungsgericht
Erfolgreicher Antrag auf Erlass eines einstweiligen Anordnung gegen die Auslieferung eines Deutschen nach Polen
- rechtsprechung-im-internet.de
Art 2 Abs 2 S 2 GG, Art 16 Abs 2 S 2 GG, § 32 Abs 1 BVerfGG, Art 4 Nr 7 Buchst a EGRaBes 584/2002, § 80 Abs 1 S 1 Nr 1 IRG
Erlass einer einstweiligen Anordnung: Untersagung der Auslieferung eines Deutschen an Polen auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls - hier: Inlandsbezug der Tat möglich - Fehlen einer detaillierten, einzelfallbezogenen Abwägung - Wolters Kluwer
Auslieferung eines Deutschen zum Zweck der Strafverfolgung an einen Mitgliedstaat der Europäischen Union; Wahrung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes für den von einer Auslieferung betroffenen Deutschen; Aufklärung von Straftatvorwürfen mit ...
- rewis.io
Erlass einer einstweiligen Anordnung: Untersagung der Auslieferung eines Deutschen an Polen auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls - hier: Inlandsbezug der Tat möglich - Fehlen einer detaillierten, einzelfallbezogenen Abwägung
- rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)
- rechtsportal.de
- datenbank.nwb.de
- juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)
Kurzfassungen/Presse
- Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)
Europäischer Haftbefehl - und die Auslieferung eines Deutschen nach Polen
Verfahrensgang
- KG, 02.03.2016 - 151 AuslA 218/15
- BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
- BVerfG, 15.06.2016 - 2 BvR 468/16
Papierfundstellen
- HRRS 2016 Nr. 401
Wird zitiert von ... (0) Neu Zitiert selbst (7)
- BVerfG, 15.01.2016 - 2 BvR 1860/15
Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen nach Belgien aufgrund eines …
Auszug aus BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
Auf der Grundlage des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG und unter Rückgriff auf die in Art. 4 Nr. 7 Buchstabe a des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates der Europäischen Union über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl Nr. L 190 vom 18. Juli 2002 - RbEuHb -) eröffneten Spielräume hat der Gesetzgeber § 80 Abs. 1 und 2 IRG erlassen (vgl. BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 13).In dieser Hinsicht verlangt bereits das Rechtsstaatsprinzip, dass der Grundrechtsberechtigte sich darauf verlassen können muss, dass sein dem jeweils geltenden Recht entsprechendes Verhalten nicht nachträglich als rechtswidrig qualifiziert wird (vgl. BVerfGE 113, 273 ; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 15).
Straftatvorwürfe mit einem insofern maßgeblichen Inlandsbezug sind bei tatverdächtigen deutschen Staatsangehörigen prinzipiell im Inland durch deutsche Strafermittlungsbehörden aufzuklären (BVerfGE 113, 273 ; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 16).
Sie bindet ihn auch im Ergebnis an ein materielles Strafrecht, das er demokratisch mitzugestalten nicht in der Lage war, das er - anders als das deutsche Strafrecht - nicht kennen muss und das ihm in vielen Fällen wegen mangelnder Vertrautheit der jeweiligen nationalen öffentlichen Kontexte auch keine hinreichend sichere Parallelwertung in der Laiensphäre erlaubt (BVerfGE 113, 273 ; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 17).
Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen auf dem Territorium eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union begangen wurde und der Erfolg dort eingetreten ist (BVerfGE 113, 273 ; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 18).
In diesen Fällen werden insbesondere das Gewicht des Tatvorwurfs und die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen sein (BVerfGE 113, 273 ; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 19).
(d) Soweit der Gesetzgeber die ihm durch Art. 4 Nr. 7 Buchstabe a RbEuHb eröffneten Spielräume nicht durch tatbestandliche Konkretisierung nutzt, hat er mit seinem gesetzlichen Prüfungsprogramm dafür Sorge zu tragen, dass die das Gesetz ausführenden Stellen in einem Auslieferungsfall in eine konkrete Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen eintreten (BVerfGE 113, 273 ; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 20).
Insofern hat der Rahmenbeschluss lediglich das Muster einer gerichtlich nicht kontrollierbaren politischen Entscheidung hin zu einer juristischen Abwägung verschoben, bei der die Vereinfachungsziele des Rahmenbeschlusses angemessen zu würdigen sind (BVerfGE 113, 273 ; BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 20).
- BVerfG, 18.07.2005 - 2 BvR 2236/04
Europäischer Haftbefehl
Auszug aus BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
In dieser Hinsicht verlangt bereits das Rechtsstaatsprinzip, dass der Grundrechtsberechtigte sich darauf verlassen können muss, dass sein dem jeweils geltenden Recht entsprechendes Verhalten nicht nachträglich als rechtswidrig qualifiziert wird (vgl. BVerfGE 113, 273 ;… BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 15).Straftatvorwürfe mit einem insofern maßgeblichen Inlandsbezug sind bei tatverdächtigen deutschen Staatsangehörigen prinzipiell im Inland durch deutsche Strafermittlungsbehörden aufzuklären (BVerfGE 113, 273 ;… BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 16).
Sie bindet ihn auch im Ergebnis an ein materielles Strafrecht, das er demokratisch mitzugestalten nicht in der Lage war, das er - anders als das deutsche Strafrecht - nicht kennen muss und das ihm in vielen Fällen wegen mangelnder Vertrautheit der jeweiligen nationalen öffentlichen Kontexte auch keine hinreichend sichere Parallelwertung in der Laiensphäre erlaubt (BVerfGE 113, 273 ;… BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 17).
Dies wird regelmäßig der Fall sein, wenn die Tathandlung vollständig oder in wesentlichen Teilen auf dem Territorium eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union begangen wurde und der Erfolg dort eingetreten ist (BVerfGE 113, 273 ;… BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 18).
In diesen Fällen werden insbesondere das Gewicht des Tatvorwurfs und die praktischen Erfordernisse und Möglichkeiten einer effektiven Strafverfolgung mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Verfolgten unter Berücksichtigung der mit der Schaffung eines Europäischen Rechtsraums verbundenen Ziele zu gewichten und zueinander ins Verhältnis zu setzen sein (BVerfGE 113, 273 ;… BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 19).
(d) Soweit der Gesetzgeber die ihm durch Art. 4 Nr. 7 Buchstabe a RbEuHb eröffneten Spielräume nicht durch tatbestandliche Konkretisierung nutzt, hat er mit seinem gesetzlichen Prüfungsprogramm dafür Sorge zu tragen, dass die das Gesetz ausführenden Stellen in einem Auslieferungsfall in eine konkrete Abwägung der widerstreitenden Rechtspositionen eintreten (BVerfGE 113, 273 ;… BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 20).
Insofern hat der Rahmenbeschluss lediglich das Muster einer gerichtlich nicht kontrollierbaren politischen Entscheidung hin zu einer juristischen Abwägung verschoben, bei der die Vereinfachungsziele des Rahmenbeschlusses angemessen zu würdigen sind (BVerfGE 113, 273 ;… BVerfGE, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15. Januar 2016 - 2 BvR 1860/15 -, juris, Rn. 20).
- BVerfG, 15.01.1958 - 1 BvR 400/51
Lüth - Boykottaufruf, mittelbare Drittwirkung der Grundrechte
Auszug aus BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
Die Fachgerichte haben dabei jedoch Bedeutung und Tragweite der von ihren Entscheidungen berührten Grundrechte zu berücksichtigen, damit deren wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 ; 115, 320 ; stRspr).
- BVerfG, 04.04.2006 - 1 BvR 518/02
Rasterfahndung II
Auszug aus BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
Die Fachgerichte haben dabei jedoch Bedeutung und Tragweite der von ihren Entscheidungen berührten Grundrechte zu berücksichtigen, damit deren wertsetzende Bedeutung auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt (vgl. BVerfGE 7, 198 ; 115, 320 ; stRspr). - BVerfG, 10.06.1964 - 1 BvR 37/63
Spezifisches Verfassungsrecht
Auszug aus BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
(1) Zwar sind die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den konkreten Fall grundsätzlich Sache der dafür zuständigen Fachgerichte und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ; stRspr). - BVerfG, 17.09.2013 - 2 BvE 4/13
Eilantrag der NPD gegen den Bundespräsidenten abgelehnt
Auszug aus BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 7, 367 ; 134, 138 ; stRspr). - BVerfG, 27.05.1958 - 2 BvQ 1/58
Volksbefragung
Auszug aus BVerfG, 09.03.2016 - 2 BvR 468/16
Dabei müssen die Gründe, welche für die Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Maßnahme sprechen, außer Betracht bleiben, es sei denn, die Hauptsache erwiese sich als von vornherein unzulässig oder offensichtlich unbegründet (vgl. BVerfGE 7, 367 ; 134, 138 ; stRspr).