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   BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84   

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BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 (https://dejure.org/1985,9)
BVerfG, Entscheidung vom 24.04.1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 (https://dejure.org/1985,9)
BVerfG, Entscheidung vom 24. April 1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84 (https://dejure.org/1985,9)
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Kriegsdienstverweigerung II

Art. 4 Abs. 3 GG

Volltextveröffentlichungen (2)

  • DFR

    Kriegsdienstverweigerung II

  • juris(Abodienst) (Volltext/Leitsatz)

Kurzfassungen/Presse (7)

  • spiegel.de (Pressebericht, 29.04.1985)

    Zivildienst: 20 = 15

  • zeit.de (Pressebericht, 03.05.1985)

    Der Verfassung ein wenig vorbeugen? - Karlsruhe hat falsch entschieden

  • gewissensfreiheit.de (Auszüge)

    Kriegsdienstverweigerung - Verfassungswidrigkeit des § 1 KDVG

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo) (Leitsatz und Auszüge)

    Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Neuregelung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung

Sonstiges

Papierfundstellen

  • BVerfGE 69, 1
  • NJW 1985, 1519
  • MDR 1985, 731
  • NVwZ 1985, 560 (Ls.)
  • DVBl 1985, 671
  • DVBl 1985, 679
 
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Wird zitiert von ... (277)Neu Zitiert selbst (31)

  • BVerfG, 13.04.1978 - 2 BvF 1/77

    Wehrpflichtnovelle

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    Daraus folgt die Pflicht des Gesetzgebers sicherzustellen, daß nur solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß in ihrer Person die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind (Bestätigung BVerfGE 48, 127).

    Mit Urteil vom 13. April 1978 (BVerfGE 48, 127) hat das Bundesverfassungsgericht das Gesetz zur Änderung des Wehrpflichtgesetzes und des Zivildienstgesetzes vom 13. Juli 1977 (BGBl. I S. 1229) für nichtig erklärt.

    An diesen in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerfGE 12, 45; 28, 243; 32, 40; 38, 154; 48, 127) hält der Senat fest.

    In Übereinstimmung mit dem bereits in Art. 26 Abs. 1 GG enthaltenen Verbot des An griffskrieges kommt in den genannten Vorschriften der eindeutige und unmißverständliche Wille des Verfassungsgebers zum Ausdruck, daß die Streitkräfte der Verteidigung gegen bewaffnete Angriffe dienen sollen (vgl. BVerfGE 48, 127 [159 f.]).

    In der demokratischen Verfassungsordnung des Grundgesetzes entsprechen einander der individuelle grundrechtliche Schutzanspruch und die gemeinschaftsbezogene Pflicht der Bürger, zur Sicherung dieser Verfassungsordnung beizutragen (vgl. BVerfGE 48, 127 [161]).

    Ihre Durchführung steht unter der Herrschaft des Art. 3 Abs. 1 GG (BVerfGE 48, 127 [162]); ihre Erfüllung ist demokratische Normalität.

    Auch bei Regelungen nach Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG darf der Gesetzgeber dieses Grundrecht nicht in seinem sachlichen Gehalt einschränken, sondern nur die Grenzen offenlegen, die in den Begriffen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG selbst schon enthalten sind (vgl. BVerfGE 48, 127 [163]; st. Rspr.).

    Denn ihre innere Rechtfertigung erfährt die Ersatzdienstpflicht allein daraus, daß nach Art. 12a Abs. 2 GG die Leistung des Wehrdienstes aus Gründen des Art. 4 Abs. 3 GG verweigert werden darf; der Zivildienst ersetzt, unbeschadet der wesensverschiedenen Aufgabenbereiche, den Wehrdienst (BVerfGE 48, 127 [165]).

    In diesem Rahmen kann der Gesetzgeber frei darüber bestimmen, auf welche Weise er den Tatbestand der Gewissensentscheidung feststellen lassen will (vgl. BVerfGE 48, 127 [169]).

    Er ist nicht verpflichtet, das herkömmliche Anerkennungsverfahren beizubehalten (BVerfGE 28, 243 [259]; 48, 127 [166 f.]).

    Er kann es durch eine nach seinen Vorstellungen geeignetere Lösung ersetzen (BVerfGE 48, 127 [167]).

    Statt eines besonderen Anerkennungsverfahrens stehen ihm auch andere geeignete Mittel zur Verfügung (vgl. BVerfGE 48, 127 [169]).

    Da im Zivildienst zur Zeit mehr Beschäftigungsstellen vorhanden sind als Zivildienstleistende und in Zukunft weitere Zivildienstplätze geschaffen werden sollen, muß der Kriegsdienstverweigerer heute - anders als noch im Jahre 1978 (vgl. BVerfGE 48, 127 [171 ff.]) - damit rechnen, mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Zivildienst einberufen zu werden.

    Das ergibt sich für das Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung bereits daraus, daß es dem früheren, mit dem Grundgesetz vereinbaren Prüfungsverfahren ähnlich ist (vgl. BVerfGE 28, 243 [259 f.]; 48, 127 [166]).

    Von der damaligen Gesetzeslage ausgehend hat deshalb der Senat auch festgestellt, daß etwa eine Verlängerung des Zivildienstes auf 24 Monate in Betracht kommen könnte (BVerfGE 48, 127 [170 f.]).

    Angesichts der vorgegebenen Unterschiede zwischen Wehr- und Ersatzdienst kann der Gesetzgeber den Zivildienst nur dann als eine im Verhältnis zum Wehrdienst gleichbelastende Pflicht (vgl. BVerfGE 48, 127 [173]) ausgestalten, wenn ihm bei der Festlegung der Dauer des Ersatzdienstes ein gewisser Spielraum zur Verfügung steht.

    Art. 4 Abs. 3 GG in Verbindung mit dem Gebot der Wehrgerechtigkeit fordert eine gesetzliche Regelung, die Gewähr dafür bietet, daß nur solche Wehrpflichtige als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werden, bei denen mit hinreichender Sicherheit angenommen werden kann, daß in ihrer Person die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt sind (BVerfGE 48, 127 [168]).

    Andererseits kann der die Erfüllung einer Pflicht für die Gemeinschaft fordernde Staat um so weniger darauf verzichten, im Rahmen des Möglichen die in Anspruch genommene Gewissensposition festzustellen, je bedeutsamer für die Allgemeinheit und belastender für den Einzelnen die Gemeinschaftspflicht ist, mit der die vorgetragene individuelle Gewissensentscheidung in Konflikt gerät (vgl. BVerfGE 48, 127 [168]).

    Diese Regelung verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 3 GG (vgl. BVerfGE 48, 127 [Ls 7; 168]).

    Der Ersatzdienst ist vom Grundgesetz nicht als alternative Form der Erfüllung der Wehrpflicht gedacht (vgl. BVerfGE 48, 127 [LS 5; 165 f.]).

    Das Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG stellt - in gleichem Maße wie das Verfahren nach den §§ 4 ff. KDVG - sicher, daß, wie es das Grundgesetz verlangt, selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, dem Schutz des freien Gewissens des Einzelnen der Vorrang eingeräumt wird vor staatlichen Interessen (vgl. BVerfGE 12, 45 [54]; 48, 127 [163]).

    Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung räumt dem Schutz des Gewissens selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, den Vorrang ein gegenüber der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht zur Beteiligung an der bewaffneten Landesverteidigung und damit an der Sicherung der staatlichen Existenz (BVerfGE 12, 45 [54]; 28, 243 [260]; 48, 127 [163]).

    Sein Kernbereich besteht darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung entgegen seinem Gewissen, das ihm eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet, einen anderen Menschen töten zu müssen (BVerfGE 12, 45 [56 f.]; 23, 191 [205]; 28, 243 [262]; 32, 40 [46 f.]; 48, 127 [163 f.]).

    Im Urteil vom 13. April 1978 hat der Zweite Senat dann die "verfassungsrechtliche Grundentscheidung" wieder aufgenommen, in der auch ein Handlungsgebot für die staatlichen Organe gesehen wird; sie erhebt nunmehr allgemein die verfassungsrechtlich ermöglichte und gesetzlich begründete Wehrpflicht in eine dem individuellen grundrechtlichen Schutzanspruch gleichrangige Pflicht (BVerfGE 48, 127 [159 ff.]).

    Der Bundestag hatte offensichtlich einmütig eine motivationsprüfende Alternative zum Wehrdienst für besser gehalten als ein Verfahren zur materiellen Erforschung des Gewissens (vgl. zu jenem Verfahren die in BVerfGE 48, 127 [167 f.] ausgeführten Bedenken).

    Entsprechendes gilt dann für das Tötungsverbot, das der Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe als tragende Norm zugrundeliegt: In einer späteren Entscheidung sieht das Gericht - verschärfend - den Kernbereich des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG nur mehr darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, "in einer Kriegshandlung entgegen seinem Gewissen, das ihm eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet ", einen Menschen töten zu müssen (BVerfGE 48, 127 [163 f.] - Hervorhebung hier).

    Die Entscheidung des Senats von 1978 hat dies - BVerfGE 12, 45 verschärfend - dahin verdeutlicht, der Schutz des Art. 4 Abs. 3 GG gelte einem Kriegsdienstverweigerer, dem sein Gewissen "eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet" (BVerfGE 48, 127 [163 f.]).

  • BVerfG, 20.12.1960 - 1 BvL 21/60

    Kriegsdienstverweigerung I

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    An diesen in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerfGE 12, 45; 28, 243; 32, 40; 38, 154; 48, 127) hält der Senat fest.

    In den Begriff des Gewissens im Sinne des Art. 4 Abs. 3 GG und der Gewissensgründe des Art. 12a Abs. 2 Satz 1 GG auch die inhaltlich allein auf eine konkrete Situation bezogene Gewissensentscheidung aufzunehmen, müßte zur Folge haben, daß die Ableistung von Wehrdienst, hierauf gestützt, nicht kraft dieser Verfassungsnormen verweigert werden darf - zumal bereits in Friedenszeiten -, solange nicht die konkrete Situation, also der bestimmte Krieg oder die bestimmte Kriegsführungsweise eingetreten sind oder die Ursache im Sinne eines gerechten oder ungerechten Grundes erkennbar ist, mithin die Situation, in der das Gewissen den Kriegsdienst mit der Waffe verbietet, noch nicht vorliegt (vgl. BVerfGE 12, 45 [56 f.]).

    Das Verfahren nach den §§ 9 ff., 18 Abs. 1 Satz 2 KDVG stellt - in gleichem Maße wie das Verfahren nach den §§ 4 ff. KDVG - sicher, daß, wie es das Grundgesetz verlangt, selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, dem Schutz des freien Gewissens des Einzelnen der Vorrang eingeräumt wird vor staatlichen Interessen (vgl. BVerfGE 12, 45 [54]; 48, 127 [163]).

    Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung räumt dem Schutz des Gewissens selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, den Vorrang ein gegenüber der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht zur Beteiligung an der bewaffneten Landesverteidigung und damit an der Sicherung der staatlichen Existenz (BVerfGE 12, 45 [54]; 28, 243 [260]; 48, 127 [163]).

    Sein Kernbereich besteht darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung entgegen seinem Gewissen, das ihm eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet, einen anderen Menschen töten zu müssen (BVerfGE 12, 45 [56 f.]; 23, 191 [205]; 28, 243 [262]; 32, 40 [46 f.]; 48, 127 [163 f.]).

    Ihn vermögen Normen, die im Rang unter der Verfassung stehen, nicht zu rechtfertigen (BVerfGE 12, 45 [53]; 28, 243 [259]).

    Sie berechtigt nicht zur Verweigerung des Kriegsdienstes schlechthin, sondern nur zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe (vgl. BVerfGE 12, 45 [56]; 32, 40 [45]).

    Wir können der Entscheidung des Senats in einem Punkt in der Begründung, in zwei Punkten in der Sache nicht zustimmen: Die wehrverfassungsrechtlichen Bestimmungen der Art. 12 a, 73 Nr. 1, 87a und 115b GG enthalten keine normative verfassungsrechtliche Grundentscheidung, die über den unmittelbaren rechtlichen Gehalt dieser Vorschriften hinausgeht (nachfolgend I); die Verlängerung des Ersatzdienstes durch Art. 2 Nr. 5b KDVNG (§ 24 Abs. 2 Satz 1 ZDG) auf derzeit 20 Monate ist wegen Verstoßes gegen Art. 12a Abs. 2 Satz 2 GG verfassungswidrig (nach folgend II); § 1 KDVG ist insoweit, als er - ebenso wie vorher § 25 WPflG a. F. - nur eine prinzipielle Kriegsdienstverweigerung als Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen anerkennt, entgegen BVerfGE 12, 45 mit Art. 4 Abs. 3 GG unvereinbar (nachfolgend III).

    Auch wer dem Senat in der Auslegung dieser Bestimmung folgt, wird schwerlich das Fehlen an Klarheit der Verfassung gerade in einem Punkte übersehen können, in dem es um die Konsequenzen der vom Grundgesetz besonders hoch geachteten Gewissensbindung geht (vgl. BVerfGE 12, 45 [53 ff.]).

    Diese Einschränkung war vom Gesetzgeber - schon im Stadium des Regierungsentwurfs zu § 25 Satz 1 WPflG a. F. - beabsichtigt (vgl. BTDrucks. II/2303 und dort S. 31; BVerfGE 12, 45 [59]).

    Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung BVerfGE 12, 45 dieses Problem behandelt.

    Gewissensurteile, die nicht diesen inhaltlich generellen, "absoluten" Charakter haben, werden folglich zu bloßen "Gewissens bedenken" heruntergestuft, sind nicht eine Gewissensentscheidung, die das Grundgesetz in Art. 4 Abs. 3 schützen will (BVerfGE 12, 45 [56, 57]).

    Damit ist deutlich, daß die in der Entscheidung BVerfGE 12, 45 (56) aufgestellte These, die in Art. 4 Abs. 3 GG gemeinte Gewissensentscheidung sei (inhaltlich) eine "generelle, absolute" Entscheidung, in der Sache nichts anderes besagt, als daß nur bestimmte Gewissensentscheidungen - d. h. solche, die in bestimm ter Weise, nämlich unter Berufung auf absolute Normen begründet werden - dem Grundrecht des Art. 4 Abs. 3 GG unterfallen sollen.

    Das ist seine "einfache Logik" (Forsthoff in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2.2. Halbbd., München 1953, S. 317), die BVerfGE 12, 45 zwar theoretisch anerkennt (a.a.O., S. 54/55), aber infolge einer nicht zutreffenden Gewissensvorstellung nicht praktisch vollzieht.

    Wesentlich ist, daß es sich um eine Gewissens entscheidung handelt, und das heißt - wie BVerfGE 12, 45 (55) insoweit zutreffend sagt -, um eine "ernste sittliche, an den Kategorien von 'Gut' und 'Böse' orientierte Entscheidung", die der Einzelne als für sich bindend und unbedingt verpflichtend erfährt.

    Im Ergebnis - für § 25 WPflG a. F. - ebenso: Arndt, a.a.O., S. 177; Geißler, a.a.O., S. 106; Hamel, Glaubens- und Gewissensfreiheit in Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, Bd. 4, 1. Halbbd., 1960, S. 107/108; Herzog in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 4 Rdnr. 179 f.; Hinzmann, Die aktuelle Kriegsdienstverweigerung als beachtliche Gewissensentscheidung, 1959, S. 59 f., 118 f., 127; Podlech, a.a.O., S. 129. Kritisch auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl., 1970, S. 157; mit Modifikationen zustimmend zu BVerfGE 12, 45, Scheuner, DÖV 1961, S. 203 f.

    Die in BVerfGE 12, 45 (56 f.) gegebene und vom Senat aufgenommene Interpretation schließt die auf eine konkrete Situation bezogene Gewissensent scheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe ja nicht nur in Friedenszeiten oder solange die entsprechende Situation (noch) nicht vorliegt, sondern überhaupt vom Schutz des Art. 4 Abs. 3 GG aus.

    Die Entscheidung BVerfGE 12, 45 hat nicht nur - verfassungsrechtlich fehlerhaft - § 25 WPflG a. F. voll aufrechterhalten, sie hat darüber hinaus aufgrund ihrer nicht zutreffenden Gewissensvorstellung die Gewissensprüfung im Anerkennungsverfahren verstellt und dadurch eine Gewissens-"Darstellung" und den darauf beruhenden Gewissensverschleiß mit hervorgerufen.

    Vor allem das in Anknüpfung an BVerfGE 12, 45 in den Anerkennungsverfahren vielfach verlangte "absolute Tötungsverbot" als tragende Norm der Gewissensentscheidung hat hier unheilvoll gewirkt.

    Die Entscheidung des Senats von 1978 hat dies - BVerfGE 12, 45 verschärfend - dahin verdeutlicht, der Schutz des Art. 4 Abs. 3 GG gelte einem Kriegsdienstverweigerer, dem sein Gewissen "eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet" (BVerfGE 48, 127 [163 f.]).

    c) Die dargelegten Konsequenzen aus der Entscheidung BVerfGE 12, 45 sind nicht deshalb gegenstandslos geworden, weil die Neuregelung des Anerkennungsverfahrens auf die mündliche Gewissensprüfung in weitem Umfang verzichtet.

    Indem der Senat auf dem Boden der Entscheidung BVerfGE 12, 45 von der Verfassungsmäßigkeit des § 1 KDVG ausgeht, schleppt er alle diese Probleme fort, übernimmt sie in seine Verantwortung und belastet die staatlichen Organe weiterhin mit einer Aufgabe, die sie sogar nicht sachgerecht erfüllen können.

  • BVerfG, 26.05.1970 - 1 BvR 83/69

    Dienstpflichtverweigerung

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    An diesen in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerfGE 12, 45; 28, 243; 32, 40; 38, 154; 48, 127) hält der Senat fest.

    Er ist nicht verpflichtet, das herkömmliche Anerkennungsverfahren beizubehalten (BVerfGE 28, 243 [259]; 48, 127 [166 f.]).

    Das ergibt sich für das Verfahren vor den Ausschüssen und Kammern für Kriegsdienstverweigerung bereits daraus, daß es dem früheren, mit dem Grundgesetz vereinbaren Prüfungsverfahren ähnlich ist (vgl. BVerfGE 28, 243 [259 f.]; 48, 127 [166]).

    Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung räumt dem Schutz des Gewissens selbst in ernsten Konfliktslagen, in denen der Staat seine Bürger besonders fordert, den Vorrang ein gegenüber der verfassungsrechtlich verankerten Pflicht zur Beteiligung an der bewaffneten Landesverteidigung und damit an der Sicherung der staatlichen Existenz (BVerfGE 12, 45 [54]; 28, 243 [260]; 48, 127 [163]).

    Sein Kernbereich besteht darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung entgegen seinem Gewissen, das ihm eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet, einen anderen Menschen töten zu müssen (BVerfGE 12, 45 [56 f.]; 23, 191 [205]; 28, 243 [262]; 32, 40 [46 f.]; 48, 127 [163 f.]).

    Ihn vermögen Normen, die im Rang unter der Verfassung stehen, nicht zu rechtfertigen (BVerfGE 12, 45 [53]; 28, 243 [259]).

    Selbst kollidierende Grundrechte Dritter und andere mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtswerte sind nur imstande, das unabdingbare, nicht einschränkbare Recht auf Kriegsdienstverweigerung in einzelnen Beziehungen, nicht aber in seinem Kernbereich zu begrenzen (vgl. BVerfGE 28, 243 [261]).

    Aufgrund dessen hat es in Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr einen mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtswert gesehen, der ausnahmsweise imstande sei, auch uneinschränkbare Grundrechte in einzelnen Beziehungen zu begrenzen, freilich ohne ihren Grundwertgehalt anzutasten (BVerfGE 28, 243 [LS 2; 261]).

    Die Grundrechte werden zu Abwägungsgesichtspunkten , erscheinen als ein Interesse (vgl. BVerfGE 28, 243 [261]) des Grundrechtsträgers, dem andere Interessen oder Gesichtspunkte gegenüberstehen.

    Dieses klare normative Gefüge der Verfassung wird durch den seit BVerfGE 28, 243 verfolgten Ansatz aufgelöst.

  • BVerfG, 20.04.1982 - 2 BvL 26/81

    Anwaltsverschulden

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    Das Verfahren muß von Verfassungs wegen sachgerecht, geeignet und zumutbar sein (vgl. zum Asylrecht BVerfGE 60, 253 [295]).

    Weder diese Verfassungsnorm noch das Rechtsstaatsprinzip oder Art. 3 Abs. 1 GG verlangen jedoch, daß dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein besonderes Widerspruchsverfahren vorgeschaltet wird, in dem alle Verwaltungsakte auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden (BVerfGE 35, 65 [73]; 60, 253 [291]).

    Die Frage nach der richtigen ressortmäßigen Zuordnung des Prüfungsgeschäftes nach §§ 9 ff. KDVG läßt sich aus Art. 4 Abs. 3 GG zwar nicht positiv beantworten; der Staat darf das Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des Art. 4 Abs. 3 GG in einem Verfahren prüfen, das sachgerecht, geeignet und zumutbar ist (vgl. BVerfGE 60, 253 [295]).

    Ein Verfahren, dessen gesetzliche Grundlage nicht in jeder Hinsicht die institutionelle Trennung vom Verteidigungsressort rein vollzieht, ist im Sinne der oben zitierten Entscheidung BVerfGE 60, 253 (295) weder sachgerecht und geeignet noch zumutbar.

  • BVerfG, 12.10.1971 - 2 BvR 65/71

    Strafbarkeit der Wehrdienstverweigerung vor fehlender Anerkennung als

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    An diesen in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätzen (vgl. BVerfGE 12, 45; 28, 243; 32, 40; 38, 154; 48, 127) hält der Senat fest.

    Sein Kernbereich besteht darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung entgegen seinem Gewissen, das ihm eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet, einen anderen Menschen töten zu müssen (BVerfGE 12, 45 [56 f.]; 23, 191 [205]; 28, 243 [262]; 32, 40 [46 f.]; 48, 127 [163 f.]).

    Sie berechtigt nicht zur Verweigerung des Kriegsdienstes schlechthin, sondern nur zur Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe (vgl. BVerfGE 12, 45 [56]; 32, 40 [45]).

    Der Beschluß des Zweiten Senats vom 12. Oktober 1971 bestätigt diese Rechtsprechung; er spricht zwar statt von der verfassungsrechtlichen Grundentscheidung für die militärische Landesverteidigung bei sonst wörtlicher Übernahme des Satzzusammenhanges nur von einer verfassungsrechtlichen Entscheidung; andererseits erhalten Einrichtung und Funktionsfähigkeit der Bundeswehr die Funktion einer verfassungsimmanenten Grundrechtsschranke, gegen die das vom Grundrecht geschützte Freiheitsinteresse abzuwägen ist, nicht mehr nur ausnahmsweise (BVerfGE 32, 40 [46]).

  • BVerfG, 08.07.1982 - 2 BvR 1187/80

    Sasbach

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    Der sachliche Bestand oder Inhalt der von den Antragstellern als verletzt angesehenen Rechtsstellung des Kriegsdienstverweigerers wird nicht durch diese Vorschrift gewährleistet, sondern richtet sich nach der Rechtsordnung im übrigen (vgl. BVerfGE 15, 275 [281]; 61, 82 [110]).

    Sie besagen, daß das Verwaltungsverfahren nicht daraufhin angelegt werden darf, den gerichtlichen Rechtsschutz zu vereiteln oder unzumutbar zu erschweren (BVerfGE 22, 49 [81 f.]; 61, 82 [110]).

    Daraus ergeben sich zunächst und in erster Linie Anforderungen an das Verhalten der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren; sie darf z. B. spätere Nachprüfungsmöglichkeiten des Gerichts nicht ausschalten (BVerfGE 61, 82 [110]).

  • BVerfG, 09.08.1978 - 2 BvR 831/76

    Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Nichtannahme einer Revision

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    b) Eine Norm ist indessen nur dann für nichtig zu erklären, wenn keine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung möglich ist (BVerfGE 49, 148 [157]).

    Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, so ist eine Auslegung geboten, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. BVerfGE 19, 1 [5]; 30, 129 [148]; 32, 373 [383 f.]; 49, 148 [157]).

    Im Interesse der Normerhaltung, das im Zweifel eine verfassungskonforme Auslegung verlangt, kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob dem subjektiven Willen des Gesetzgebers eine weitergehende als die nach der Verfassung zulässige Auslegung des Gesetzes eher entsprochen hätte (BVerfGE 49, 148 [157]).

  • BVerfG, 09.03.1971 - 2 BvR 326/69

    Absicherungsgesetz

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    Das Bundesverfassungsgericht kann nur überprüfen, ob er aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, daß seine Regelungen zur Erreichung des gesetzten Zieles geeignet sind, ob also seine Beurteilung sachgerecht und vertretbar ist (vgl. BVerfGE 30, 250 [263]).

    Einer der seltenen und besonders gelagerten Fälle, in denen eine gesetzliche Regelung wegen objektiver Zweckuntauglichkeit für verfassungswidrig erklärt werden kann (vgl. BVerfGE 30, 250 [263 f.]), liegt bei § 8 Satz 1 KDVG nicht vor.

  • BVerfG, 19.10.1971 - 1 BvR 387/65

    Gesundbeter

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    Das Grundrecht auf Glaubensfreiheit gewährleistet sowohl die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben als auch die äußere Freiheit, den Glauben zu manifestieren, zu bekennen und zu verbreiten (BVerfGE 32, 98 [106]).

    Betätigungen und Verhaltensweisen, die aus einer bestimmten Glaubenshaltung fließen, dürfen nicht ohne weiteres den Sanktionen unterworfen werden, die der Staat für ein solches Verhalten - unabhängig von seiner glaubensmäßigen Motivierung - vorsieht, wie das Bundesverfassungsgericht in strafrechtlichem Zusammenhang ausgesprochen hat (vgl. BVerfGE 32, 98 [108]).

  • BVerfG, 03.02.1959 - 2 BvL 10/56

    Einfuhrgenehmigung

    Auszug aus BVerfG, 24.04.1985 - 2 BvF 2/83
    Er verlangt, daß eine gesetzliche Ermächtigung, durch die in den Rechtskreis des Einzelnen eingegriffen wird, nach Gegenstand, Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt ist (BVerfGE 8, 274 [325]; 9, 137 [147]).

    Das Rechtsstaatsprinzip verlangt jedoch nur, daß der Einzelne wissen muß, inwieweit die Verwaltung in seinen Rechtskreis eingreifen darf (BVerfGE 9, 137 [149]).

  • BVerfG, 07.04.1964 - 1 BvL 12/63

    Mitfahrzentrale

  • BVerfG, 21.06.1977 - 1 BvL 14/76

    Lebenslange Freiheitsstrafe

  • BVerfG, 05.02.1963 - 2 BvR 21/60

    Rechtsweg

  • BVerfG, 05.11.1980 - 1 BvR 290/78

    Falknerjagdschein

  • BVerfG, 16.07.1969 - 1 BvL 19/63

    Mikrozensus

  • BVerfG, 28.04.1965 - 1 BvR 346/61

    Neuapostolische Kirche

  • BVerfG, 26.01.1971 - 2 BvL 2/68

    Verfassungskonforme Auslegung des § 17a Abs. 2 BewG

  • BVerfG, 15.12.1965 - 1 BvR 513/65

    Wenneker - Haftverschonung beim Haftgrund der Schwerkriminalität

  • BVerfG, 08.03.1972 - 2 BvR 28/71

    Ärztliche Schweigepflicht

  • BVerfG, 09.05.1973 - 2 BvL 43/71

    VwGO-Ausführungsgesetz II

  • BVerfG, 15.12.1976 - 2 BvR 841/73

    Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Fürsorgepflicht des Dienstherrn

  • BVerwG, 25.05.1984 - 6 B 40.84

    Kriegsdienstverweigerung - Neuordnungsgesetz - Anwendbarkeit - Alt-Verfahren

  • BVerfG, 06.06.1967 - 2 BvR 375/60

    Verwaltungsstrafverfahren

  • BVerfG, 24.09.1965 - 1 BvR 228/65

    Couponsteuer

  • BVerfG, 05.03.1968 - 1 BvR 579/67

    Zeugen Jehovas

  • BVerfG, 12.11.1958 - 2 BvL 4/56

    Preisgesetz

  • BVerfG, 22.05.1963 - 1 BvR 78/56

    Werkfernverkehr

  • BVerfG, 07.03.1968 - 2 BvR 354/66

    Dienstflucht

  • BVerfG, 05.11.1974 - 2 BvL 6/71

    Wehrdienstopfer

  • BVerfG - 2 BvF 3/83 (anhängig)
  • BVerfG - 2 BvF 4/83 (anhängig)
  • BVerfG, 28.05.1993 - 2 BvF 2/90

    Schwangerschaftsabbruch II

    Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß ein Gesetz nicht verfassungswidrig ist, wenn eine Auslegung möglich ist, die im Einklang mit dem Grundgesetz steht, und das Gesetz bei dieser Auslegung sinnvoll bleibt (vgl. BVerfGE 2, 266 [278]; 69, 1 [55]; st. Rspr.).
  • BVerfG, 04.05.2011 - 2 BvR 2365/09

    Regelungen zur Sicherungsverwahrung verfassungswidrig

    Die zur Vermeidung eines Nichtigkeitsausspruchs gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein (BVerfGE 69, 1 ).
  • SG Gotha, 26.05.2015 - S 15 AS 5157/14

    Vorlagebeschluss zum BVerfG - Minderung des Arbeitslosengeld II -

    Lassen Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang und Sinn und Zweck einer gesetzlichen Regelung mehrere Deutungen zu, von denen jedenfalls eine zu einem verfassungsgemäßen Ergebnis führt, muss eine Auslegung vorgenommen werden, die mit dem Grundgesetz in Einklang steht (vgl. BVerfGE 69, 1 (55); 95, 64 (93)).
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