Insolvenzverfahrenverordnung
Kapitel I - Allgemeine Bestimmungen (Art. 1 - 18) |
(1) Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (im Folgenden "Hauptinsolvenzverfahren"). Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen ist der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist.
Bei Gesellschaften oder juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort ihres Sitzes ist. Diese Annahme gilt nur, wenn der Sitz nicht in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.
Bei einer natürlichen Person, die eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen ihre Hauptniederlassung ist. Diese Annahme gilt nur, wenn die Hauptniederlassung der natürlichen Person nicht in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.
Bei allen anderen natürlichen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts ist. Diese Annahme gilt nur, wenn der gewöhnliche Aufenthalt nicht in einem Zeitraum von sechs Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde.
(2) Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Hoheitsgebiet dieses letzteren Mitgliedstaats befindliche Vermögen des Schuldners beschränkt.
(3) Wird ein Insolvenzverfahren nach Absatz 1 eröffnet, so ist jedes zu einem späteren Zeitpunkt nach Absatz 2 eröffnete Insolvenzverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren.
(4) Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 kann ein Partikularverfahren nach Absatz 2 nur eröffnet werden, falls:
a) | die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 angesichts der Bedingungen, die das Recht des Mitgliedstaats vorschreibt, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nicht möglich ist oder | ||
b) | die Eröffnung des Partikularverfahrens von | ||
i) | einem Gläubiger beantragt wird, dessen Forderung sich aus dem Betrieb einer Niederlassung ergibt oder damit im Zusammenhang steht, die sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats befindet, in dem die Eröffnung des Partikularverfahrens beantragt wird, oder | ||
ii) | einer Behörde beantragt wird, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich die Niederlassung befindet, das Recht hat, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen. |
Nach der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens wird das Partikularverfahren zum Sekundärinsolvenzverfahren.
verfahrens Art. 6Zuständigkeit für Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen Art. 7Anwendbares Recht Art. 8Dingliche Rechte Dritter Art. 9Aufrechnung Art. 10Eigentumsvorbehalt Art. 11Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand Art. 12Zahlungssysteme und Finanzmärkte Art. 13Arbeitsvertrag Art. 14Wirkung auf eintragungs-
pflichtige Rechte Art. 15Europäische Patente mit einheitlicher Wirkung und Gemeinschaftsmarken Art. 16Benachteiligende Handlungen Art. 17Schutz des Dritterwerbers Art. 18Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtstreitigkeiten und Schiedsverfahren
Rechtsprechung zu Art. 3 InsVfVO
55 Entscheidungen zu Art. 3 InsVfVO in unserer Datenbank:
- EuGH, 18.04.2024 - C-765/22
Luis Carlos u. a.
- BGH, 29.06.2023 - IX ZB 35/22
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. ...
Zum selben Verfahren:
- EuGH - C-501/23 (anhängig)
Finanzamt Wilmersdorf
- EuGH - C-501/23 (anhängig)
- BGH, 17.12.2020 - IX ZB 72/19
Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 Abs. 1 lit. b, Abs. ...
Zum selben Verfahren:
- AG Düsseldorf, 09.09.2019 - 501 IN 150/19
- AG Düsseldorf, 11.10.2019 - 501 IN 150/19
- BGH, 28.01.2020 - IX ZB 86/19
Antrag auf Aussetzung eines Insolvenzverfahrens
- BGH, 08.12.2022 - IX ZB 72/19
Insolvenzverfahren: Internationale Zuständigkeit deutscher Insolvenzgerichte bei ...
- EuGH, 24.03.2022 - C-723/20
Galapagos BidCo. - Vorlage zur Vorabentscheidung - Verordnung (EU) 2015/848 - ...
- LG Düsseldorf, 30.10.2019 - 25 T 602/19
Querverweise
Auf Art. 3 InsVfVO verweisen folgende Vorschriften:
- Insolvenzverfahrenverordnung (InsVfVO)
- Allgemeine Bestimmungen
- Anerkennung der Insolvenzverfahren
- Sekundärinsolvenzverfahren
Redaktionelle Querverweise zu Art. 3 InsVfVO:
- Insolvenzordnung (InsO)
- Allgemeine Vorschriften
- § 3 (Örtliche Zuständigkeit)
- Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Erfaßtes Vermögen und Verfahrensbeteiligte
- Insolvenzmasse. Einteilung der Gläubiger
- § 35 (Begriff der Insolvenzmasse) (zu Art. 3 II 2)