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   EuGH, 01.08.2022 - C-273/20, C-355/20   

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https://dejure.org/2022,19383
EuGH, 01.08.2022 - C-273/20, C-355/20 (https://dejure.org/2022,19383)
EuGH, Entscheidung vom 01.08.2022 - C-273/20, C-355/20 (https://dejure.org/2022,19383)
EuGH, Entscheidung vom 01. August 2022 - C-273/20, C-355/20 (https://dejure.org/2022,19383)
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Volltextveröffentlichungen (4)

  • Europäischer Gerichtshof

    Bundesrepublik Deutschland (Regroupement familial avec un mineur réfugié)

    Vorlage zur Vorabentscheidung - Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts - Einwanderungspolitik - Recht auf Familienzusammenführung - Richtlinie 2003/86/EG - Art. 10 Abs. 3 Buchst. a - Art. 16 Abs. 1 Buchst. b - Begriff "minderjähriges Kind" - Begriff ...

  • doev.de PDF

    SW u. a. - Ablehnung der Erteilung eines nationalen Visums zum Zweck der Familienzusammenführung an den Elternteil eines während dieses Verfahrens volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings

  • milo.bamf.de

    EGRL 86/2003; MRK, Art 8; AufenthG 2004, § 6 Abs 3; AufenthG 2004, § 36 Abs 2
    Syrien: Die Ablehnung der Erteilung eines nationalen Visums zum Zweck der Familienzusammenführung an den Elternteil eines während dieses Verfahrens volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings verstößt gegen das Unionsrecht

  • rechtsportal.de(Abodienst, kostenloses Probeabo)

    Vorlage zur Vorabentscheidung - Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts - Einwanderungspolitik - Recht auf Familienzusammenführung - Richtlinie 2003/86/EG - Art. 10 Abs. 3 Buchst. a - Art. 16 Abs. 1 Buchst. b - Begriff "minderjähriges Kind" - Begriff ...

Kurzfassungen/Presse (5)

  • Europäischer Gerichtshof PDF (Pressemitteilung)

    Justiz und Inneres - Familienzusammenführung: Die Ablehnung der Erteilung eines nationalen Visums zum Zweck der Familienzusammenführung an den Elternteil eines während dieses Verfahrens volljährig gewordenen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings verstößt gegen das ...

  • Rechtslupe (Kurzinformation/Zusammenfassung)

    Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling - und die zwischenzeitliche Volljährigkeit

  • lto.de (Pressebericht, 01.08.2022)

    Familiennachzug: Deutschland verletzt EU-Recht

  • anwaltonline.com (Kurzinformation)

    Deutsche Regelung zum Familiennachzug verletzt EU-Recht!

  • kostenlose-urteile.de (Kurzmitteilung)

    Deutsche Regelung zum Familiennachzug ist rechtswidrig - Zeitpunkt der Antragstellung zählt für Flüchtlingsalter

Besprechungen u.ä.

  • lto.de (Entscheidungsbesprechung)

    Verbesserter Schutz für Flüchtlingsfamilien: EuGH korrigiert (erneut) die deutsche Praxis

Sonstiges (4)

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Verfahrensgang

Papierfundstellen

  • NVwZ 2022, 1710
 
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Wird zitiert von ... (16)Neu Zitiert selbst (3)

  • EuGH, 16.07.2020 - C-133/19

    Der Zeitpunkt, auf den es zur Bestimmung, ob ein Familienangehöriger eines

    Auszug aus EuGH, 01.08.2022 - C-273/20
    Mit Entscheidung vom 3. August 2020 hat der Präsident des Gerichtshofs das vorlegende Gericht in der Rechtssache C-273/20 um Mitteilung gebeten, ob es in Anbetracht des Urteils vom 16. Juli 2020, État belge (Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind) (C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577), sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten wolle.

    Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes folgt, dass eine Bestimmung des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Europäischen Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten muss, die unter Berücksichtigung u. a. des Kontexts der Bestimmung und des mit der betreffenden Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    Insoweit besteht das Ziel der Richtlinie 2003/86 darin, die Familienzusammenführung zu begünstigen, und sie soll ferner Drittstaatsangehörigen, insbesondere Minderjährigen, Schutz gewähren (Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Insoweit haben die Mitgliedstaaten, insbesondere ihre Gerichte, nach ständiger Rechtsprechung nicht nur ihr nationales Recht unionsrechtskonform auszulegen, sondern sie müssen auch darauf achten, dass sie sich nicht auf eine Auslegung einer Vorschrift des abgeleiteten Rechts stützen, die mit den durch die Unionsrechtsordnung geschützten Grundrechten kollidiert (Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Art. 7 der Charta ist nach ständiger Rechtsprechung in Verbindung mit der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls nach Art. 24 Abs. 2 der Charta und unter Beachtung des in deren Art. 24 Abs. 3 niedergelegten Erfordernisses regelmäßiger persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen zu lesen (Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Daraus folgt, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2003/86 im Licht des Art. 7 und des Art. 24 Abs. 2 und 3 der Charta ausgelegt und angewandt werden müssen, wie sich im Übrigen aus dem Wortlaut des zweiten Erwägungsgrundes und des Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie ergibt, wonach die Mitgliedstaaten die Anträge auf Familienzusammenführung unter Berücksichtigung des Wohls der betroffenen Kinder und in dem Bestreben, das Familienleben zu fördern, prüfen müssen (Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    In diesem Zusammenhang ist als Erstes festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein Abstellen auf den Zeitpunkt, zu dem die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats über den Antrag auf Einreise und auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Staates zum Zweck der Familienzusammenführung entscheidet, als Zeitpunkt, nach dem sich die Beurteilung des Alters des Antragstellers oder, je nach Fall, des Zusammenführenden für die Zwecke der Anwendung von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 richtet, weder mit den Zielen dieser Richtlinie noch mit den Anforderungen in Einklang stünde, die sich aus Art. 7 der Charta, der die Achtung des Familienlebens bezweckt, und Art. 24 Abs. 2 der Charta ergeben, nach dem bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen, insbesondere bei den Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Richtlinie 2003/86 treffen, das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 36).

    Als Zweites würde eine solche Auslegung es auch nicht ermöglichen, im Einklang mit den Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit eine gleiche und vorhersehbare Behandlung aller Antragsteller, die sich zeitlich in der gleichen Situation befinden, zu gewährleisten, da sie dazu führen würde, dass der Erfolg des Antrags auf Familienzusammenführung hauptsächlich von Umständen abhinge, die in der Sphäre der nationalen Behörden oder Gerichte liegen, insbesondere von der mehr oder weniger zügigen Bearbeitung des Antrags oder von der mehr oder weniger zügigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung eines solchen Antrags, und nicht von Umständen, die in der Sphäre des Antragstellers liegen (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Des Weiteren könnte eine solche Auslegung, da damit das Recht auf Familienzusammenführung von zufälligen und nicht vorhersehbaren Umständen abhängig gemacht würde, die voll und ganz im Verantwortungsbereich der zuständigen nationalen Behörden und Gerichte des betreffenden Mitgliedstaats lägen, große Unterschiede bei der Bearbeitung von Anträgen auf Familienzusammenführung zwischen den Mitgliedstaaten und innerhalb ein und desselben Mitgliedstaats zur Folge haben (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 43).

    Im Gegensatz zu den in Kapitel IV vorgesehenen Voraussetzungen stellt die Voraussetzung des Alters nämlich eine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Antrags auf Familienzusammenführung dar, deren Entwicklung sicher und vorhersehbar ist und die daher nur zum Zeitpunkt der Einreichung dieses Antrags beurteilt werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 16. Juli 2020, État belge [Familienzusammenführung - Minderjähriges Kind], C-133/19, C-136/19 und C-137/19, EU:C:2020:577, Rn. 46).

  • EuGH, 12.04.2018 - C-550/16

    Ein unbegleiteter Minderjähriger, der während des Asylverfahrens volljährig wird,

    Auszug aus EuGH, 01.08.2022 - C-273/20
    Mit Urteilen vom 1. Februar 2019 und 30. Januar 2019 verpflichtete das Verwaltungsgericht Berlin (Deutschland) die Bundesrepublik Deutschland dazu, SW sowie BL und BC nationale Visa zum Zweck der Familienzusammenführung gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 AufenthG zu erteilen, da ihre Söhne nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, namentlich im Urteil vom 12. April 2018, A und S (C-550/16, EU:C:2018:248), als Minderjährige zu betrachten seien.

    Die Rechtsprechung aus dem Urteil vom 12. April 2018, A und S (C-550/16, EU:C:2018:248), sei auf die vorliegenden Fälle nicht übertragbar, da in der Rechtssache, in der jenes Urteil ergangen sei, eine abschließende Entscheidung nur zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der Minderjährigkeit des betroffenen Flüchtlings im Sinne von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a in Verbindung mit Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2003/86 ergangen sei.

    Während nämlich, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 die Möglichkeit einer Familienzusammenführung grundsätzlich dem Ermessen der Mitgliedstaaten überlassen bleibt und u. a. von der Bedingung abhängt, dass der Zusammenführende für den Unterhalt seiner Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades aufkommt und diese in ihrem Herkunftsland keinerlei sonstige familiäre Bindungen mehr haben, sieht Art. 10 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie als Ausnahme von diesem Grundsatz vor, dass die Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades ein Recht auf eine solche Zusammenführung mit dem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling haben, das weder in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt ist noch den in Art. 4 Abs. 2 Buchst. a genannten Bedingungen unterliegt (Urteil vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, EU:C:2018:248, Rn. 33 und 34).

    Der Gerichtshof hat unter diesen Umständen bereits entschieden, dass den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Festlegung des Zeitpunkts, auf den für die Beurteilung des Alters des unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings für die Zwecke des Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 abzustellen ist, kein Spielraum eingeräumt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, EU:C:2018:248, Rn. 39 bis 45).

    Der Gerichtshof hat aber bereits entschieden, dass Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der bei Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und Stellung seines Asylantrags in diesem Staat jünger als 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als "Minderjähriger" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist (Urteil vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, EU:C:2018:248, Rn. 64).

  • EuGH, 09.09.2021 - C-768/19

    Bundesrepublik Deutschland (Membre de la famille) - Vorlage zur Vorabentscheidung

    Auszug aus EuGH, 01.08.2022 - C-273/20
    Die zuständigen nationalen Behörden und Gerichte hätten dann nämlich keine Veranlassung, die Anträge der Eltern Minderjähriger mit der Dringlichkeit, die geboten ist, um der Schutzbedürftigkeit der Minderjährigen Rechnung zu tragen, vorrangig zu bearbeiten, und könnten somit in einer Weise handeln, die das Recht auf Familienleben sowohl eines Elternteils mit seinem minderjährigen Kind als auch des Kindes mit einem Familienangehörigen gefährden würde (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2021, Bundesrepublik Deutschland [Familienangehöriger], C-768/19, EU:C:2021:709, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass, auch dann, wenn die Familienzusammenführung von den Eltern eines minderjährigen Flüchtlings beantragt wurde, der inzwischen volljährig geworden ist, diesen Eltern, wenn ihrem Antrag stattgegeben wird, ein Aufenthaltstitel erteilt werden muss, der mindestens ein Jahr lang gültig ist, ohne dass der Eintritt der Volljährigkeit des als Flüchtling anerkannten Kindes dazu führen darf, dass die Dauer eines solchen Aufenthaltstitels verkürzt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2021, Bundesrepublik Deutschland [Familienangehöriger], C-768/19, EU:C:2021:709, Rn. 63).

    Die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2003/86 und der Charta schützen nämlich das Recht auf ein Familienleben und fördern dessen Wahrung, wobei sie es allerdings, sofern die Betroffenen weiterhin ein tatsächliches Familienleben führen, den Inhabern dieses Rechts überlassen, darüber zu entscheiden, wie sie ihr Familienleben führen wollen, und insbesondere keine Anforderungen an die Intensität von deren familiärer Beziehung stellen (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2021, Bundesrepublik Deutschland [Familienangehöriger], C-768/19, EU:C:2021:709, Rn. 58).

  • VG Berlin, 24.08.2022 - 4 K 434.18

    Familiennachzug: Zweiter Visumsantrag der Eltern zum Nachzug zu ihrem

    Bei der vom EuGH in den Rechtssachen C-550/16 und C-273/20 statuierten Drei-Monats-Frist handelt es sich nicht um eine materielle Präklusionsfrist, so dass grundsätzlich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gewährt werden kann.

    a) Die Referenzperson, die Tochter der Kläger, war im allein maßgeblichen Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig (vgl. EuGH, Urteil vom 12. April 2018 - C-550/16 - A und S; bestätigt durch Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20).

    "Der Gerichtshof hat aber bereits entschieden, dass Art. 2 Buchst. f in Verbindung mit Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der bei Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und Stellung seines Asylantrags in diesem Staat jünger als 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als "Minderjähriger" im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist (Urteil vom 12. April 2018, A und S, C-550/16, EU:C:2018:248, Rn. 64)." (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 41).

    Namentlich handelt es sich hierbei um die Achtung des Familienlebens sowie die Maßgabe, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 42 m.w.N.).

    Zweitens hinge der Erfolg des Antrags auf Familienzusammenführung hauptsächlich von Umständen ab, die in der Sphäre der nationalen Behörden und Gerichte liegen und nicht in der der Antragsteller (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 44 m.w.N.).

    Folglich kann die Minderjährigkeit des Flüchtlings auch noch zu diesem Zeitpunkt keine ?Bedingung' im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 sein, bei deren Nichtbeachtung die Mitgliedstaaten einen solchen Antrag ablehnen können (...)." (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 46 f.).

    Dieses Erfordernis ist ebenfalls im Lichte des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszulegen, welche in Artt. 7 und 24 Abs. 2 und 3 der Charta der Grundrechte festgeschrieben sind (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn.59).

    Zudem ist nach dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie der Lage von Flüchtlingen wegen der Gründe, die sie zur Flucht gezwungen haben und sie daran hindern, ein normales Familienleben zu führen, besondere Aufmerksamkeit zu schenken (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 60).

    Schließlich ist eine Einzelfallprüfung anhand aller für den jeweiligen Fall relevanten Faktoren im Licht der mit der Richtlinie verfolgten Ziele vorzunehmen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 61).

    Bei der Art und Intensität ihres tatsächlich gelebten Familienlebens ist den Betroffenen aber ein weiter Entscheidungsspielraum belassen (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 62).

    Im Übrigen kann auch nicht angenommen werden, dass jegliche familiäre Bindung zwischen einem Elternteil und seinem Kind sofort wegfällt, sobald das minderjährige Kind volljährig wird." (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 63 f.).

    Die Voraussetzung ist auch dann erfüllt, wenn der Wille besteht, eine solche Bindung herzustellen oder aufrechtzuhalten (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 65).

    Darüber hinaus kann auch nicht verlangt werden, dass sich das zusammenführende Kind und der betreffende Elternteil gegenseitig finanziell unterstützen." (EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20, C-355/20 - Celex-Nr. 62020CJ0273, Rn. 68).

  • EuGH, 30.01.2024 - C-560/20

    Landeshauptmann von Wien (Regroupement familial avec un mineur réfugié) - Vorlage

    Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 9. Juli 2021 ist das vorliegende Verfahren bis zu der das Verfahren beendenden Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen C-273/20 und C-355/20 sowie in der Rechtssache C-279/20 ausgesetzt worden.

    Mit Entscheidung vom 8. August 2022 hat der Präsident des Gerichtshofs dem vorlegenden Gericht die Urteile vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617), und vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Nachzug eines volljährig gewordenen Kindes) (C-279/20, EU:C:2022:618), zugestellt und es gebeten, ihm mitzuteilen, ob es sein Vorabentscheidungsersuchen unter Berücksichtigung dieser Urteile ganz oder teilweise aufrechterhalten wolle.

    Somit kann sich ein solcher minderjähriger Flüchtling auf Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 stützen, um das Recht auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern auf der Grundlage der in dieser Bestimmung vorgesehenen günstigeren Bedingungen in Anspruch zu nehmen, ohne dass der betreffende Mitgliedstaat den Antrag auf Familienzusammenführung mit der Begründung ablehnen kann, dass der betreffende Flüchtling zum Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag nicht mehr minderjährig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland [Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling], C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 52).

    Dieser Artikel ist nach ständiger Rechtsprechung in Verbindung mit der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls nach Art. 24 Abs. 2 der Charta und unter Beachtung des in deren Art. 24 Abs. 3 niedergelegten Erfordernisses regelmäßiger persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen zu lesen (Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland [Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling], C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    Daraus folgt, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2003/86 im Licht des Art. 7 und des Art. 24 Abs. 2 und 3 der Charta ausgelegt und angewandt werden müssen, wie sich im Übrigen aus dem Wortlaut des zweiten Erwägungsgrundes und des Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie ergibt, wonach die Mitgliedstaaten die Anträge auf Familienzusammenführung unter Berücksichtigung des Wohls der betroffenen Kinder und in dem Bestreben, das Familienleben zu fördern, prüfen müssen (Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland [Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling], C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

  • Generalanwalt beim EuGH, 20.04.2023 - C-374/22

    Commissaire général aux réfugiés und aux apatrides (Unité familiale) - Vorlage

    11 Vgl. Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 34).

    47 Vgl. Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem geflüchteten Minderjährigen) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    90 Nach Auffassung des Gerichtshofs "setzen tatsächliche familiäre Bindungen die Feststellung voraus, dass die familiäre Bindung wirklich gegeben ist oder der Wille besteht, eine solche Bindung herzustellen oder aufrechtzuerhalten" (Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland [Familienzusammenführung mit einem geflüchteten Minderjährigen], C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 65).

  • Generalanwalt beim EuGH, 07.03.2024 - C-63/23

    Sagrario - Vorlage zur Vorabentscheidung - Raum der Freiheit, der Sicherheit und

    16 Vgl. u. a. Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    58 Vgl. Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    62 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist als "Minderjähriger" im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Richtlinie 2003/86 ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser anzusehen, wer bei Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und Stellung seines Asylantrags in diesem Staat jünger als 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird (Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland [Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling] [C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung]).

  • VG Berlin, 22.06.2023 - 8 K 383.22
    Vielmehr ist den Eltern des volljährig gewordenen Flüchtlings in diesen Fällen gemäß Art. 13 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 der Richtlinie 2003/86/EG ein Aufenthaltstitel mit mindestens einjähriger Gültigkeitsdauer zu erteilen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20 und C-355/20 -).

    Zudem ist die Richtlinie im Lichte von Art. 7 und Art. 24 Abs. 2 und 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) auszulegen und anzuwenden, wie sich im Übrigen aus dem Wortlaut des zweiten Erwägungsgrundes und des Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie ergibt, wonach die Mitgliedstaaten die Anträge auf Familienzusammenführung unter Berücksichtigung des Wohls der betroffenen Kinder und in dem Bestreben, das Familienleben zu fördern, prüfen müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20 und C-355/20 - Rn. 36 ff.).

    Die Bestimmung ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in Verbindung mit der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls nach Art. 24 Abs. 2 der Charta und unter Beachtung des in deren Art. 24 Abs. 3 niedergelegten Erfordernisses regelmäßiger persönlicher Beziehungen eines Kindes zu beiden Elternteilen zu lesen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20 und C-355/20 - Rn. 38).

  • Generalanwalt beim EuGH, 04.05.2023 - C-560/20

    Landeshauptmann von Wien (Regroupement familial avec un mineur réfugié) - Vorlage

    Der Präsident des Gerichtshofs hat das Verfahren der vorliegenden Rechtssache am 9. Juli 2021 bis zur Verkündung des Endurteils in der Rechtssache C-279/20 und den verbundenen Rechtssachen C-273/20 und C-355/20 ausgesetzt. Der Präsident des Gerichtshofs hat am 8. August 2022 an das vorlegende Gericht die Frage gerichtet, ob es sein Vorabentscheidungsersuchen in Anbetracht der in den vorgenannten Rechtssachen ergangenen Urteile ganz oder teilweise aufrechterhalte(13).

    13 Urteile vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Nachzug eines volljährig gewordenen Kindes) (C-279/20, EU:C:2022:618) und vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617).

    18 Urteil vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 35 und 39).

  • VG Berlin, 11.11.2022 - 8 K 1.19
    Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH in den Urteilen vom 12. April 2018 (Rs.C-550/16, juris) und vom 1. August 2022 (Rs. C-273 und C-355/20) ist bei der Anwendung von § 36 Abs. 1 AufenthG jedoch eine unionsrechtskonforme Auslegung im Lichte von Art. 2 Buchst. f i.V.m. Art. 10 Abs. 3 Buchst. a Familienzusammenführungsrichtlinie geboten.

    In Folge dieser unionsrechtskonformen Auslegung kommt es auf das Tatbestandsmerkmal "zur Ausübung der Personensorge" des § 36 Abs. 1 AufenthG nicht mehr an (vgl. EuGH vom 1. August 2022, a.a.O.).

    Der EuGH hat ein solches Umsetzungsdefizit oder das Erfordernis einer gesetzlichen Frist weder in seiner Entscheidung vom 12. April 2018 (Rs. C-550/16, juris) noch in dem die deutsche Rechtslage betreffenden Urteil vom 1. August 2022 (Rs. C-273 und C-355/20) festgestellt.

  • VG Berlin, 31.08.2022 - 38 K 291.20

    Elternnachzug zu einem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten: Maßgeblicher

    Die Mitgliedstaaten sind zwar durch Art. 10 Abs. 3 lit. a) Familienzusammenführungs-RL 2003/86/EG verpflichtet, die Familienzusammenführung der Eltern mit einem Minderjährigen, dem die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, unter gewissen Voraussetzungen auch nach dessen Volljährigkeit zu ermöglichen (EuGH, Urteile vom 1. August 2022 - C-273/20 u.a. -, juris; und vom 12. April 2018 - C-550/16 -, NVwZ 2018, 1463; siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. Mai 2019 - OVG 3 B 1.19 -, juris Rn. 28).

    Es kann aber nicht angenommen werden, dass jegliche familiäre Bindung zwischen einem Elternteil und seinem Kind sofort wegfällt, sobald das minderjährige Kind volljährig wird (in dieser Zuspitzung EuGH, Urteil vom 1. August 2022 - C-273/20 -, juris Rn. 64).

  • VG Berlin, 22.11.2023 - 6 K 352.22
    Das zu dieser Frage an den EuGH gerichtete Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union hat das vorlegende Gericht nach Entscheidung des EuGH in den Rechtssachen C-273/20 und C-355/20 nicht aufrechterhalten (vgl. Schlussanträge des Generalanwalts vom 4. Mai 2023 - C-560/20 - juris).
  • Generalanwalt beim EuGH, 13.07.2023 - C-646/21

    Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid (Personnes s'identifiant aux valeurs

    55 Vgl. entsprechend Urteile vom 9. September 2021, Bundesrepublik Deutschland (Familienangehöriger) (C-768/19, EU:C:2021:709, Rn. 38), und vom 1. August 2022, Bundesrepublik Deutschland (Familienzusammenführung mit einem minderjährigen Flüchtling) (C-273/20 und C-355/20, EU:C:2022:617, Rn. 36 bis 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
  • VG Berlin, 22.03.2023 - 21 K 134.22

    Aufenthaltsrecht: Erteilung eines Visums zum Familiennachzug

  • VG Berlin, 09.03.2023 - 38 K 156.21

    Familiennachzug: Visum zum Nachzug eines (ehemals) minderjährigen Kindes

  • VGH Bayern, 26.05.2023 - 10 ZB 22.2550

    Aufenthaltserlaubnis, Kindernachzug, Verlängerung

  • VG Berlin, 26.01.2023 - 39 L 610.22
  • VG Berlin, 27.10.2022 - 34 K 370.20

    Konsularhilfe: Anspruch gegen einen Unionsbürger auf Ersatz für Auslagen im

  • VG Berlin, 28.10.2022 - 34 K 513.20

    Konsularhilfe: Anspruch gegen einen Unionsbürger auf Ersatz für Auslagen im

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