Bundeskriminalamtgesetz
Abschnitt 2 - Befugnisse des Bundeskriminalamtes (§§ 7 - 15) |
Unterabschnitt 3a - Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus (§§ 20a - 20z) |
(1) Das Bundeskriminalamt kann zur Abwehr einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Staates oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten ist, durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen
1. | das nichtöffentlich gesprochene Wort einer Person abhören und aufzeichnen, | ||
a) | die entsprechend § 17 oder § 18 des Bundespolizeigesetzes verantwortlich ist, | ||
b) | bei der konkrete Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen die begründete Annahme rechtfertigen, dass sie Straftaten gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 begehen wird, oder | ||
c) | die eine Kontakt- und Begleitperson einer Person nach Buchstabe a oder b ist, und | ||
2. | Lichtbilder und Bildaufzeichnungen über diese Person herstellen, |
wenn die Abwehr der Gefahr auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.
(2) 1Die Maßnahme darf sich nur gegen die in Absatz 1 genannte Person richten und nur in deren Wohnung durchgeführt werden. 2In Wohnungen anderer Personen ist die Maßnahme nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass
1. | sich eine in Absatz 1 Nr. 1 Buchstabe a oder b genannte Person dort aufhält und | |
2. | die Maßnahme in der Wohnung dieser Person allein nicht zur Abwehr der Gefahr nach Absatz 1 führen wird. |
3Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.
(3) 1Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur auf Antrag des Präsidenten des Bundeskriminalamtes oder seines Vertreters durch das Gericht angeordnet werden. 2Bei Gefahr im Verzuge kann die Anordnung auch durch den Präsidenten des Bundeskriminalamtes oder seinen Vertreter getroffen werden. 3In diesem Fall ist die gerichtliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 4Soweit die Anordnung des Präsidenten des Bundeskriminalamtes oder seines Vertreters nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft.
(4) 1Die Anordnung ergeht schriftlich. 2In ihr sind anzugeben
3Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen. 4Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die in den Absätzen 1 und 5 bezeichneten Voraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse fortbestehen. 5Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so sind die auf Grund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden.
(5) 1Die Maßnahme nach Absatz 1 darf nur angeordnet und durchgeführt werden, soweit auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte, insbesondere zu der Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und dem Verhältnis der zu überwachenden Personen zueinander, anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Äußerungen, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, nicht erfasst werden. 2Das Abhören und Beobachten nach Satz 1 ist unverzüglich zu unterbrechen, soweit sich während der Überwachung tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Inhalte, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 3Bestehen insoweit Zweifel, darf nur eine automatische Aufzeichnung fortgesetzt werden. 4Automatische Aufzeichnungen nach Satz 3 sind unverzüglich dem anordnenden Gericht zur Entscheidung über die Verwertbarkeit oder Löschung der Daten vorzulegen. 5Sind das Abhören und Beobachten nach Satz 2 unterbrochen worden, so darf es unter den in Satz 1 genannten Voraussetzungen fortgeführt werden. 6Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung, die durch eine Maßnahme nach Absatz 1 erlangt worden sind, dürfen nicht verwertet werden. 7Aufzeichnungen hierüber sind unverzüglich zu löschen. 8Die Tatsachen der Erfassung der Daten und der Löschung sind zu dokumentieren. 9Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden. 10Sie ist zu löschen, wenn sie für diese Zwecke nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch am Ende des Kalenderjahres, das dem Jahr der Dokumentation folgt.
Hinweis der Redaktion:Gemäß Urteil des BVerfG vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 - gilt folgendes:
- § 20h Absatz 1 Nummer 1 c) ist nichtig.
- § 20h ist im übrigen mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, kann aber bis zu einer Neuregelung, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2018, nach Maßgaben des BVerfG weiter angewandt werden.
Vorschrift eingefügt durch das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt vom 25.12.2008
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
---|---|---|---|
01.01.2009 | Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt | 25.12.2008 |
feststellung und Prüfung von Berechtigungs-
scheinen § 20eErkennungs-
dienstliche Maßnahmen § 20fVorladung § 20gBesondere Mittel der Datenerhebung § 20hBesondere Bestimmungen über den Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen § 20iAusschreibung zur polizeilichen Beobachtung § 20jRasterfahndung § 20kVerdeckter Eingriff in informations-
technische Systeme § 20lÜberwachung der Telekommunikation § 20mErhebung von Telekommunikations-
verkehrsdaten und Nutzungsdaten § 20nIdentifizierung und Lokalisierung von Mobilfunkkarten und -endgeräten § 20oPlatzverweisung § 20pGewahrsam § 20qDurchsuchung von Personen § 20rDurchsuchung von Sachen § 20sSicherstellung § 20tBetreten und Durchsuchen von Wohnungen § 20uSchutz zeugnisverweigerungs-
berechtigter Personen § 20vGerichtliche Zuständigkeit, Kennzeichnung, Verwendung und Löschung § 20wBenachrichtigung § 20xÜbermittlung an das Bundeskriminalamt § 20yAufenthaltsvorgabe, Kontaktverbot § 20zElektronische Aufenthalts-
überwachung
Rechtsprechung zu § 20h BKAG
6 Entscheidungen zu § 20h BKAG in unserer Datenbank:
- BVerfG, 20.04.2016 - 1 BvR 966/09
Bundeskriminalamtsgesetz - Teilweise erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen ...
- BGH, 26.01.2017 - StB 26/14
Nachträglicher Rechtsschutz gegen erledigte polizeiliche Überwachungsmaßnahmen ...
- BGH, 26.01.2017 - StB 28/14
Nachträglicher Rechtsschutz gegen bereits erledigte verdeckte polizeiliche ...
- BVerfG, 13.07.2016 - 1 BvR 1141/09
Erfolgloser Antrag auf Auslagenerstattung nach Erledigungserklärung einer ...
- BGH, 23.11.2011 - AK 19/11
Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung: Mitgliedschaft ...
Zum selben Verfahren:
- BGH, 13.09.2011 - StB 12/11
Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung
- BGH, 13.09.2011 - StB 12/11