Polizeigesetz
1. Teil - Das Recht der Polizei (§§ 1 - 58) |
2. Abschnitt - Maßnahmen der Polizei (§§ 3 - 54) |
3. Unterabschnitt - Datenerhebung (§§ 19 - 25) |
§ 23
Besondere Bestimmungen über den Einsatz technischer Mittel zur Datenerhebung in oder aus Wohnungen
(1) 1Der Polizeivollzugsdienst kann personenbezogene Daten in oder aus Wohnungen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel nach § 22 Abs. 1 Nr. 2 über die in den §§ 6 und 7 sowie unter den Voraussetzungen des § 9 über die dort genannten Personen erheben, wenn andernfalls die Abwehr einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person gefährdet oder erheblich erschwert würde. 2Die Datenerhebung darf auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.
(2) 1Die Datenerhebung nach Absatz 1 darf nur angeordnet werden, soweit nicht auf Grund tatsächlicher Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass durch die Überwachung Daten erfasst werden, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind. 2Abzustellen ist dabei insbesondere auf die Art der zu überwachenden Räumlichkeiten und das Verhältnis der dort anwesenden Personen zueinander.
(3) 1Die Datenerhebung nach Absatz 1 bedarf der Anordnung durch die in § 74a Abs. 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts, in dessen Bezirk die zuständige Polizeidienststelle ihren Sitz hat. 2Sie muss, soweit bekannt, Name und Anschrift der Person enthalten, gegen die sich die Maßnahme richtet. 3In der Anordnung sind Art, Umfang und Dauer der Maßnahme schriftlich zu bestimmen. 4Sie ist auf höchstens drei Monate zu befristen. 5Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, solange die Voraussetzungen für die Maßnahme fortbestehen. 6Die Anordnung ist mit Gründen zu versehen. 7§ 31 Abs. 5 Satz 2 bis 4 ist entsprechend anzuwenden. 8Bei Gefahr im Verzug kann die Maßnahme von einer der in § 22 Abs. 6 genannten Personen angeordnet werden; diese Anordnung bedarf der Bestätigung des in Satz 1 genannten Gerichts. 9Sie ist unverzüglich herbeizuführen.
(4) Einer Anordnung durch das Gericht bedarf es nicht, wenn technische Mittel ausschließlich zur Sicherung der bei einem polizeilichen Einsatz tätigen Personen verwendet werden; § 22 Abs. 6 gilt entsprechend.
(5) 1Die Datenerhebung nach Absatz 1 ist unverzüglich zu unterbrechen, sofern sich während der Überwachung Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, erfasst werden. 2Sie darf fortgesetzt werden, wenn zu erwarten ist, dass die Gründe, die zur Unterbrechung geführt haben, nicht mehr vorliegen. 3Bis zum Zeitpunkt der Unterbrechung erhobene Daten, die dem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zuzurechnen sind, dürfen nicht verwertet werden und sind unverzüglich zu löschen. 4Die Löschung ist zu protokollieren. 5Die Maßnahme ist abzubrechen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht mehr vorliegen. 6Der Abbruch ist dem Gericht mitzuteilen.
(6) 1Die Betroffenen sind von Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 4 zu unterrichten, sobald dies ohne Gefährdung des Zwecks der Maßnahme oder der bei dem polizeilichen Einsatz eingesetzten Personen geschehen kann. 2Ist wegen desselben Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die betroffene Person eingeleitet worden, ist die Unterrichtung in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft nachzuholen, sobald der Stand des Ermittlungsverfahrens dies zulässt. 3Erfolgt die Benachrichtigung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der richterlichen Zustimmung. 4Die richterliche Entscheidung ist vorbehaltlich einer anderen richterlichen Anordnung jeweils nach einem Jahr erneut einzuholen. 5Eine Unterrichtung kann mit richterlicher Zustimmung auf Dauer unterbleiben, wenn
6Über die Zustimmung entscheidet das in Absatz 3 genannte Gericht. 7Bedurfte die Maßnahme nicht der richterlichen Anordnung, ist für die Zustimmung das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Polizeidienststelle ihren Sitz hat, die die Maßnahme angeordnet hat.
(7) 1Nach Absatz 1 und 4 erlangte personenbezogene Daten sind besonders zu kennzeichnen. 2Nach einer Übermittlung ist die Kennzeichnung durch die Empfänger aufrechtzuerhalten. 3Nach Absatz 1 und 4 erlangte personenbezogene Daten dürfen für den Zweck gespeichert, verändert und genutzt werden, für den sie erhoben wurden. 4Die Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung ist auch zulässig, soweit dies
erforderlich ist. 5Die anderweitige Speicherung, Veränderung, Nutzung und Übermittlung personenbezogener Daten, die aus einer Maßnahme nach Absatz 4 erlangt worden sind, ist nur zulässig, soweit dies zu den in Satz 4 genannten Zwecken erforderlich ist und wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt ist; bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Entscheidung unverzüglich nachzuholen. 6Im Übrigen sind personenbezogene Daten aus einer Maßnahme nach Absatz 4 oder solche, die ausschließlich in Absatz 1 Satz 2 genannte Personen betreffen, unverzüglich, spätestens jedoch zwei Monate nach Beendigung der Maßnahme zu löschen.
(8) 1Die Landesregierung unterrichtet den Landtag jährlich über den nach Absatz 1 und, soweit richterlich überprüfungsbedürftig, nach Absatz 4 erfolgten Einsatz technischer Mittel. 2Ein vom Landtag bestimmtes Gremium übt auf der Grundlage dieses Berichts die parlamentarische Kontrolle aus.
Vorschrift neugefaßt durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 18.11.2008 (GBl. S. 390), in Kraft getreten am 22.11.2008.
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Rechtsprechung zu § 23 PolG bis 16.01.2021
10 Entscheidungen zu § 23 PolG bis 16.01.2021 in unserer Datenbank:
- BGH, 18.04.2019 - III ZR 67/18
Entschädigung wegen Abschiebehaft
- OLG Karlsruhe, 05.03.1999 - 4 W 148/98
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- BGH, 23.10.2003 - III ZR 9/03
Zu Ansprüchen wegen amtspflichtwidriger Maßnahmen von Staatsanwaltschaft und ...
- VG Freiburg, 27.11.2012 - 3 K 1607/11
Übertragung der Befugnis zur Anordnung von besonderen Mitteln der Datenerhebung
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- OLG Karlsruhe, 05.03.1999 - 4 W 138/98