Strafprozeßordnung
1. Buch - Allgemeine Vorschriften (§§ 1 - 150) |
7. Abschnitt - Sachverständige und Augenschein (§§ 72 - 93) |
(1) Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.
(2) 1Über die Fälle des Absatzes 1 hinaus sind die Fingerabdrücke des Beschuldigten für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 816/2019 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Einrichtung eines zentralisierten Systems für die Ermittlung der Mitgliedstaaten, in denen Informationen zu Verurteilungen von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen (ECRIS-TCN) vorliegen, zur Ergänzung des Europäischen Strafregisterinformationssystems und zur Änderung der Verordnung (EU) 1726/2018 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 818/2019 (ABl. L 135 vom 22.5.2019, S. 85) geändert worden ist, auch gegen dessen Willen aufzunehmen, sofern
1. | es sich bei dem Beschuldigten um einen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Artikels 3 Nummer 7 der Verordnung (EU) 816/2019 handelt, | |
2. | der Beschuldigte rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt oder gegen ihn rechtskräftig allein eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, | |
3. | keine Fingerabdrücke des Beschuldigten vorhanden sind, die im Rahmen eines Strafverfahrens aufgenommen worden sind, und | |
4. | die entsprechende Eintragung im Bundeszentralregister noch nicht getilgt ist. |
2Wenn auf Grund bestimmter Tatsachen und bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte sich dieser Maßnahme entziehen werde, dann dürfen die Fingerabdrücke abweichend von Satz 1 Nummer 2 bereits vor der Rechtskraft der Entscheidung aufgenommen werden.
(3) Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 816/2019 sind die nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, die nach Absatz 2 oder die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücke an das Bundeskriminalamt zu übermitteln.
(4) 1Für die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 816/2019 darf das Bundeskriminalamt die nach den Absätzen 1 und 2 sowie die nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen und ihm übermittelten Fingerabdrücke verarbeiten. 2Bei den nach Absatz 1 für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens, den nach Absatz 2 Satz 2 und den nach § 163b Absatz 1 Satz 3 aufgenommenen Fingerabdrücken ist eine über die Speicherung hinausgehende Verarbeitung nach Satz 1 unzulässig, solange die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. 3Die Verarbeitung nach Satz 1 ist ferner unzulässig, wenn
4Satz 3 gilt entsprechend in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2, wenn der Beschuldigte rechtskräftig zu einer anderen Strafe als Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe verurteilt wurde. 5Ist die Verarbeitung der Fingerabdrücke nach Satz 3 oder 4 unzulässig, so sind die Fingerabdrücke zu löschen.
(5) 1Für die Verarbeitung für andere Zwecke als die Erstellung eines Datensatzes gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) 816/2019 gelten die §§ 481 bis 485. 2Die Verarbeitung der nach Absatz 2 Satz 2 aufgenommenen Fingerabdrücke ist jedoch erst zulässig, wenn die Entscheidung rechtskräftig und die Verarbeitung für die Erstellung eines Datensatzes nicht nach Absatz 4 Satz 3 oder 4 unzulässig ist. 3Die übrigen Bestimmungen über die Verarbeitung der nach Absatz 1 oder 2 oder nach § 163b aufgenommenen Fingerabdrücke bleiben unberührt.
Fassung aufgrund des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften vom 10.08.2021
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
---|---|---|---|
01.10.2022 | Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/816 sowie zur Änderung weiterer Vorschriften | 10.08.2021 |
verweigerungsrecht des Sachverständigen § 77Ausbleiben oder unberechtigte Gutachten-
verweigerung des Sachverständigen § 78Richterliche Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen § 79Vereidigung des Sachverständigen § 80Vorbereitung des Gutachtens durch weitere Aufklärung § 80aVorbereitung des Gutachtens im Vorverfahren § 81Unterbringung des Beschuldigten zur Vorbereitung eines Gutachtens § 81aKörperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe § 81bErkennungs-
dienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten § 81cUntersuchung anderer Personen § 81dDurchführung körperlicher Untersuchungen durch Personen gleichen Geschlechts § 81eMolekulargenetische Untersuchung § 81fVerfahren bei der molekulargenetischen Untersuchung § 81gDNA-
Identitätsfeststellung § 81hDNA-
Reihenuntersuchung § 82Form der Erstattung eines Gutachtens im Vorverfahren § 83Anordnung einer neuen Begutachtung § 84Sachverständigen-
vergütung § 85Sachverständige Zeugen § 86Richterlicher Augenschein § 87Leichenschau, Leichenöffnung, Ausgrabung der Leiche § 88Identifizierung des Verstorbenen vor Leichenöffnung § 89Umfang der Leichenöffnung § 90Öffnung der Leiche eines Neugeborenen § 91Untersuchung der Leiche bei Verdacht einer Vergiftung § 92Gutachten bei Verdacht einer Geld- oder Wertzeichenfälschung § 93Schriftgutachten
Rechtsprechung zu § 81b StPO
760 Entscheidungen zu § 81b StPO in unserer Datenbank:
- BVerfG, 29.07.2022 - 2 BvR 54/22
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Anordnung mehrerer ...
- LG Ravensburg, 14.02.2023 - 2 Qs 9/23
Entsperren Mobiltelefon, Fingerabdruck, zwangsweise Abnahme, Zulässigkeit
- OVG Sachsen, 24.04.2023 - 6 D 39/22
Anordnung erkennungsdienstlicher Behandlung; Notwendigkeit i. S. v. § 81b 2. Alt. ...
- BVerwG, 27.06.2018 - 6 C 39.16
Auswahlermessen; Beschuldigtenbegriff; Beschuldigter; Einheit des ...
Zum selben Verfahren:
- OVG Sachsen, 20.04.2016 - 3 A 187/15
Erkennungsdienstliche Behandlung; Beschuldigteneigenschaft; maßgeblicher ...
- OVG Sachsen, 20.04.2016 - 3 A 187/15
- OLG Hamm, 12.09.2018 - 15 W 229/18
Zulässigkeit der zwangsweisen Vorführung des Beschuldigten zur ...
Zum selben Verfahren:
- OLG Hamm, 12.09.2018 - 18 W 229/18
Befugnis der Polizei zur zwangsweisen Vorführung des Beschuldigten zur ...
- OLG Hamm, 12.09.2018 - 18 W 229/18
- OVG Sachsen, 31.01.2023 - 6 A 265/21
Antrag auf Zulassung der Berufung; Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen; ...
- OVG Sachsen, 13.03.2023 - 6 A 284/20
Notwendigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen; Ladendiebstahl; Bagatelldelikt; ...
- VG Augsburg, 14.03.2023 - Au 8 K 21.1582
Erkennungsdienstliche Behandlung eines Minderjährigen, präventive Maßnahme, ...
Querverweise
Auf § 81b StPO verweisen folgende Vorschriften:
- Bundeszentralregistergesetz (BZRG)
- Das Zentralregister
- Verarbeitung personenbezogener Daten zu den Zwecken der Verordnung (EU) 2019/816 und der Verordnung (EU) 2019/818
- § 58b (Austausch von personenbezogenen Daten zwischen der Registerbehörde und dem Bundeskriminalamt)
Redaktionelle Querverweise zu § 81b StPO:
- Strafprozeßordnung (StPO)
- Verfahren im ersten Rechtszug
- Vorbereitung der öffentlichen Klage
- § 163b I S. 3 (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung)
- Polizeigesetz (PolG)
- Das Recht der Polizei
- Maßnahmen der Polizei
- Einzelmaßnahmen
- § 36 I Nr. 2 (Betreten und Durchsuchung von Wohnungen) (zu § 81b Alt. 2)