Achtes Buch Sozialgesetzbuch
- Kinder- und Jugendhilfe -
Drittes Kapitel - Andere Aufgaben der Jugendhilfe (§§ 42 - 60) |
Erster Abschnitt - Vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen (§§ 42 - 42f) |
(1) 1Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn
2Die Inobhutnahme umfasst die Befugnis, ein Kind oder einen Jugendlichen bei einer geeigneten Person, in einer geeigneten Einrichtung oder in einer sonstigen Wohnform vorläufig unterzubringen; im Fall von Satz 1 Nr. 2 auch ein Kind oder einen Jugendlichen von einer anderen Person wegzunehmen.
(2) 1Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme unverzüglich das Kind oder den Jugendlichen umfassend und in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form über diese Maßnahme aufzuklären, die Situation, die zur Inobhutnahme geführt hat, zusammen mit dem Kind oder dem Jugendlichen zu klären und Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzuzeigen. 2Dem Kind oder dem Jugendlichen ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen. 3Das Jugendamt hat während der Inobhutnahme für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen zu sorgen und dabei den notwendigen Unterhalt und die Krankenhilfe sicherzustellen; § 39 Absatz 4 Satz 2 gilt entsprechend. 4Das Jugendamt ist während der Inobhutnahme berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes oder Jugendlichen notwendig sind; der mutmaßliche Wille der Personensorge- oder der Erziehungsberechtigten ist dabei angemessen zu berücksichtigen. 5Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3 gehört zu den Rechtshandlungen nach Satz 4, zu denen das Jugendamt verpflichtet ist, insbesondere die unverzügliche Stellung eines Asylantrags für das Kind oder den Jugendlichen in Fällen, in denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Kind oder der Jugendliche internationalen Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 des Asylgesetzes benötigt; dabei ist das Kind oder der Jugendliche zu beteiligen.
(3) 1Das Jugendamt hat im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten unverzüglich von der Inobhutnahme zu unterrichten, sie in einer verständlichen, nachvollziehbaren und wahrnehmbaren Form umfassend über diese Maßnahme aufzuklären und mit ihnen das Gefährdungsrisiko abzuschätzen. 2Widersprechen die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten der Inobhutnahme, so hat das Jugendamt unverzüglich
3Sind die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten nicht erreichbar, so gilt Satz 2 Nr. 2 entsprechend. 4Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 ist unverzüglich die Bestellung eines Vormunds oder Pflegers zu veranlassen. 5Widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme nicht, so ist unverzüglich ein Hilfeplanverfahren zur Gewährung einer Hilfe einzuleiten.
(4) Die Inobhutnahme endet mit
1. | der Übergabe des Kindes oder Jugendlichen an die Personensorge- oder Erziehungsberechtigten, | |
2. | der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch. |
(5) 1Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen der Inobhutnahme sind nur zulässig, wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes oder des Jugendlichen oder eine Gefahr für Leib oder Leben Dritter abzuwenden. 2Die Freiheitsentziehung ist ohne gerichtliche Entscheidung spätestens mit Ablauf des Tages nach ihrem Beginn zu beenden.
(6) Ist bei der Inobhutnahme die Anwendung unmittelbaren Zwangs erforderlich, so sind die dazu befugten Stellen hinzuzuziehen.
Fassung aufgrund des Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG) vom 03.06.2021
Inkrafttreten | Änderungsgesetz | Ausfertigung | Fundstelle |
---|---|---|---|
10.06.2021 | Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz - KJSG) | 03.06.2021 | |
29.07.2017 | Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht | 20.07.2017 | |
01.01.2012 | Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen (Bundeskinderschutzgesetz) | 22.12.2011 |
Rechtsprechung zu § 42 SGB VIII
765 Entscheidungen zu § 42 SGB VIII in unserer Datenbank:
- LSG Nordrhein-Westfalen, 30.07.2018 - L 20 SO 331/15
Kosten für die Unterbringung eines Hilfeempfängers
Zum selben Verfahren:
- BSG, 30.04.2020 - B 8 SO 21/18 R
Sind die vom Jugendhilfeträger erbrachten Leistungen einer Inobhutnahme nach § 42 ...
- BSG, 30.04.2020 - B 8 SO 21/18 R
- OLG Brandenburg, 28.04.2023 - 13 UF 79/22
- VGH Hessen, 08.09.2020 - 10 A 82/19
- VGH Baden-Württemberg, 04.11.2021 - 12 S 3125/21
Kinder- und jugendhilfsrechtliche Inobhutnahme eines Neugeborenen; Verhältnis zu ...
- VGH Baden-Württemberg, 15.09.2021 - 12 S 487/19
Schweizer Kinderrente ist keine zweckidentische Leistung i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz ...
Zum selben Verfahren:
- VG Freiburg, 30.11.2018 - 4 K 1584/17
Kostenbeitrag für eine Jugendhilfemaßnahme - Einsatz einer schweizerischen ...
- VG Freiburg, 30.11.2018 - 4 K 1584/17
- BVerfG, 22.11.2022 - 1 BvQ 81/22
Erfolgloser Eilantrag mangels ausreichender Begründung und offensichtlich ...
- BVerwG, 26.04.2018 - 5 C 11.17
Altersbestimmung; Erledigung der Hauptsache; Feststellungsinteresse; ...
Zum selben Verfahren:
- VGH Bayern, 05.04.2017 - 12 BV 17.185
Feststellung der Minderjährigkeit bedarf einer qualifizierten Inaugenscheinnahme
- VGH Bayern, 05.04.2017 - 12 BV 17.185
Querverweise
Auf § 42 SGB VIII verweisen folgende Vorschriften:
- Achtes Buch Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfegesetz - (SGB VIII)
- Allgemeine Vorschriften
- § 2 (Aufgaben der Jugendhilfe)
- Andere Aufgaben der Jugendhilfe
- Vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen
- Schutz von Sozialdaten
- § 62 (Datenerhebung)
- Träger der Jugendhilfe, Zusammenarbeit, Gesamtverantwortung
- Zusammenarbeit mit der freien Jugendhilfe, ehrenamtliche Tätigkeit
- § 76 (Beteiligung anerkannter Träger der freien Jugendhilfe an der Wahrnehmung anderer Aufgaben)
- Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung
- § 78a (Anwendungsbereich)
- Zuständigkeit, Kostenerstattung
- Örtliche Zuständigkeit
- Örtliche Zuständigkeit für andere Aufgaben
- § 87 (Örtliche Zuständigkeit für vorläufige Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen)
- Örtliche Zuständigkeit für vorläufige Maßnahmen, Leistungen und die Amtsvormundschaft für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche
- § 88a (Örtliche Zuständigkeit für vorläufige Maßnahmen, Leistungen und die Amtsvormundschaft für unbegleitete ausländische Kinder und Jugendliche)
- Kostenerstattung
- § 89b (Kostenerstattung bei vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen)
- Kostenbeteiligung
- Kostenbeiträge für stationäre und teilstationäre Leistungen sowie vorläufige Maßnahmen
- § 91 (Anwendungsbereich)
- Kinder- und Jugendhilfestatistik
- § 99 (Erhebungsmerkmale)
- Übergangs- und Schlussvorschriften
- § 106 (Einschränkung eines Grundrechts)
- Umsatzsteuergesetz (UStG)
- Steuerbefreiungen und Steuervergütungen
- § 4 (Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen)
Redaktionelle Querverweise zu § 42 SGB VIII:
- Grundgesetz (GG)
- I. Die Grundrechte
- Art. 6 III